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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Jason und die Argonauten, originell präsentiert (685 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 19.01.2021 um 16:48 Uhr (Zitieren)
Der Roman spielt in Mexiko-City. Carlos und seine Freunde Sean und Castor Furioso entwickeln eine originelle Idee für den Drogenverkauf: Sie mieten ein Kino und kündigen eine Filmvorführung plus an.
[...] Anfangs hielten sie den Ball flach. Sie luden nur die Stammkunden ein und baten sie, ihren Freunden von „einer neuen Art der Bewusstseinserweiterung“ zu erzählen. In zwei Wochen hatten sie dreiundfünfzig Interessenten zusammen, zweiunddreißig Männer und einundzwanzig Frauen. Die Bürgerkinder hatten kein Problem damit, in einer Gegend ins Kino zu gehen, die sie nicht kannten und die für sie gefährlich sein konnte. In ihren Ohren klang das nach Adrenalin, Abenteuer, Grenzüberschreitung.

Es kam der Tag der Premiere. Im Eintritt enthalten waren zwölf Stunden im Kino, um den Film so oft zu sehen, wie man wollte, eine Dosis Morphium oder LSD je nach Wahl und ein Glas Wodka Oso Negro. Weitere Drinks kosteten extra.
Carlos besorgte die Kopie eines Films, der in jenen Jahren das Nonplusultra in Sachen Spezialeffekte war: Jason und die Argonauten. Der Streifen sollte mehrmals hintereinander laufen, mit einer Pause von fünfzehn Minuten zwischen den Vorführungen.

Am Haupteingang zum Saal stellten sie mehrere Tische mit Plastikbechern und Oso-Negro-Flaschen auf. Die Platzanweiser würden die Zuschauer zu ihren Sitzen führen, die Drinks servieren und kassieren. Der Stoff würde beim Kauf der Eintrittskarte ausgehändigt. Die Wachmänner übernahmen die Aufgabe, sofort Bescheid zu sagen, wenn sich draußen ein Streifenwagen blicken ließ.

Die Vorführung war der Knaller. Jason und die Argonauten unter dem Einfluss von LSD oder Morphium zu schauen, entpuppte sich tatsächlich als die Erfahrung, die Carlos für seine Kunden erhofft hatte. Wenn die Skelette gegen Jasons Männer kämpften, Talos erwachte, Jason der Hydra den Kopf abschlug, klatschten sie, schrien, verlangten mehr Stoff (was Carlos nutzte, um ihn zum dreifachen Preis zu verkaufen), tranken, bis sie in den Gängen herumlagen oder zwischen die Sitze krochen, um zu vögeln. Ein voller Erfolg.

Am folgenden Samstag kamen bereits dreimal so viele Be-sucher, die genauso begeistert reagierten. Schreie, Applaus, Leute, die auf die Sitze stiegen und Jason anfeuerten; Frauen, die ihre Brüste entblößten. Übers Mikrofon forderte Carlos mehrmals dazu auf, das Geheimnis „dieser Höhle der Freiheit“ niemandem zu verraten.

Die Aufführungen im Cine de la Viga waren für treue Kundschaft gedacht. Kein Rockkonzert, keine Party bot ein solch sinnliches Erlebnis wie diese Kinovorführung in der Intimität des Saals. Das Publikum störte sich nicht daran, dass ausschließlich Jason und die Argonauten gezeigt wurde. Der Film war die ideale Vorlage für die psychedelische Wirkung des LSD. In der Szene mit den Skeletten schwangen Zuschauer unsichtbare Schwerter und kletterten auf ihren Sitz, um mit anderen zu fechten. Nur wenige gerieten auf einen Horrortrip. Sie sahen, wie ihre Hände schmolzen, oder zogen sich verängstigt in eine Ecke zurück, wenn die Köpfe der Hydra auf sie zurollten. Das Morphium rief Jubel hervor, wenn Jason seine Hindernisse meisterte, um an das Goldene Vlies zu gelangen, oder nahm im Gegenteil Hemmungen, sodass in den letzten Reihen gevögelt wurde. In ihrem Drogenrausch ergötzten sich die Jugendlichen daran, dass sie die Dialoge auswendig kannten, die dramatischen Wendungen, den Ausgang der Schlachten. Die Vorführungen wurden bekannt unter dem Namen „Die Reise des Argos“ und die Teilnehmer als „Jasons“ oder „Medusen“.

Carlos weigerte sich, das Geschäft auszuweiten, obwohl Sean und Castor ihn dazu drängten. Er wollte nicht die Aufmerksamkeit der korrupten Polizei oder irgendeines kriminellen Politikers erregen oder Begehrlichkeiten bei anderen Drogenbanden wie den Nazis wecken.

Zweihundert Kunden erschienen Carlos zu viel, und er bemühte sich, das Geschäft unter dem Radar zu halten. Er trug jeden Kunden, der das Kino betrat, in eine Liste ein. Geburtsdatum (um Minderjährige auszuschließen), Adresse und Telefonnummer; ob er schon vorher Kunde gewesen war oder auf Empfehlung hergefunden hatte. Er dachte sich Losungswörter aus und gab jedem Kunden eine Geheimnummer. Wenn Name, Kennwort und Geheimnummer nicht übereinstimmten, verwehrte er den Eintritt. Der Zugang war beschränkt wie bei einem Privatclub.
[...]

(Guillermo Arriaga: Der Wilde. Stuttgart 2018, S. 190-192)
Re: Jason und die Argonauten, originell präsentiert
filix schrieb am 19.01.2021 um 20:45 Uhr (Zitieren)
Die erwähnte Kampfszene mit Skeletten - https://www.youtube.com/watch?v=pF_Fi7x93PY - stammt übrigens von der Legende des Animationsfilms Ray Harryhausen, d.h. aus der Welt des materiellen Handwerks, der Modelle und des Stopmotion vor CGI. Harryhausen arbeitete gerne alleine und konnte es sich noch erlauben, vier Monate mit einer Szene zuzubringen. Auf einem Tribute, das ich vor vielleicht fünfzehn Jahren (und ohne LSD einzunehmen) besuchte, empfand man diese im Mainstream historisch abgelöste Form der Animation als etwas zwischen Skurrilität, wozu die Albernheit der Filme insgesamt wesentlich beitrug, und der Poesie einer nostalgisch stimmenden Meisterschaft im Überholten, die, bald vom ästhetischen Vergleich mit der Gegenwart befreit, in einer ähnlich sinnlichen Weise genossen werden konnte wie oben geschildert.
Re: Jason und die Argonauten, originell präsentiert
Γραικύλος schrieb am 20.01.2021 um 15:50 Uhr (Zitieren)
Diesen Ausschnitt und einen anderen habe ich mir einmal angeschaut. Skurril, so ganz ohne LSD gesehen. Mehr hat mich der Talos (Τὰλως) beeindruckt, dem ich noch nachgehen werde.
 
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