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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Dionysos - Teufel (2200 Aufrufe)
Graeculus schrieb am 22.04.2009 um 15:41 Uhr (Zitieren)
Wie steht Ihr zu meiner Vermutung, daß der Gott Dionysos und sein Gefolge (Pan, Silene, Satyrn) in christlicher Zeit viele Züge zum Bild des Teufels beigetragen haben, u.a. die äußere Gestalt (Ikonographie) als bocksartiges Wesen? Aber auch die gedachten Eigenschaften des Teufels, z.B. sein Charakter als διάβολος, der alles durcheinanderbringt, scheinen mir dem Dionysos entnommen zu sein.
(Diese Idee hat m.W. erstmals Anatole France in seinem Roman "Der Aufstand der Engel" vertreten.)
Re: Dionysos - Teufel
Lateinhelfer schrieb am 22.04.2009 um 16:09 Uhr (Zitieren)
Ich denke, dass das auch daraus entstanden ist, dass Dionysos und sein Gefolge auch für Zügellosigkeit und "ohne Moral" steht....auch wird der Teufel ja als unheilvolles "Mischwesen" (z.B.Satyr) dargestellt.
Siehe auch hier:
http://www.uni-kiel.de/gza/2/Friedrich/Stichwort/Sachen/Teufel.htm
Re: Dionysos - Teufel
Graeculus schrieb am 22.04.2009 um 19:21 Uhr (Zitieren)
Lieber Lateinhelfer,
für diesen Hinweis, vor allem auf die
Teufelsdarstellung am Grabmal Friedrichs I., bei der die Ähnlichkeit mit dem Personal aus dem Gefolge des Dionysos sozusagen mit Händen zu greifen ist, bin ich Dir sehr dankbar.
Sie wird in meinem morgigen Referat eine wichtige Rolle spielen.
Re: Dionysos - Teufel
Bibulus schrieb am 22.04.2009 um 19:33 Uhr (Zitieren)
Interessant...
Friedrich I. war in seiner Jugend Kanonikus zu Köln
Re: Dionysos - Teufel
Bibulus schrieb am 22.04.2009 um 19:34 Uhr (Zitieren)
Re: Dionysos - Teufel
Graeculus schrieb am 22.04.2009 um 19:44 Uhr (Zitieren)
Ich hatte jetzt umstandslos an den Friedrich I. (von Hohenstaufen) gedacht. Davor hast Du mich bewahrt. Danke, Bibulus.
Re: Dionysos - Teufel
Bibulus schrieb am 22.04.2009 um 19:49 Uhr (Zitieren)
@Graeculus,
ja, bei den Friederichen muß man aufpassen...

(zunächst habe ich auch Friedrich Barbarossa im Sinne
gehabt, aber::
"Der Versuch, den Leichnam in Essig zu konservieren,
misslang, so dass Herz und Eingeweide des Kaisers in
Tarsos, das Fleisch in der Peterskirche in Antiochia,
seine Knochen in der Kathedrale von Tyros beigesetzt
wurden."
Re: Dionysos - Teufel
Graeculus schrieb am 22.04.2009 um 22:30 Uhr (Zitieren)
Daß die Griechen als göttlich haben denken können, was für Christen der Teufel war, erscheint mir sehr beeindruckend.
Re: Dionysos - Teufel
Arborius schrieb am 23.04.2009 um 09:14 Uhr (Zitieren)
Das, lieber Graeculus, ist eine Frage, der ich schon einige Zeit nachgehe.
Ich habe sogar mal Leute gefragt, von denen ich dachte, dass sie Polytheisten sind, wie sie mit solchen Göttern umgehen, die Christen als Teufel bezeichnen würden. Es hat sich herausgestellt, dass diese Leute keine Polytheisten sind!

Ich habe mal gelesen, dass für das griechische Verständnis etwas ein Gott war, was mächtiger als der Mensch ist. Einleuchtend, wie ich finde, aber auch sehr offen.

Das christliche Verständnis des Teufels, jedenfalls des Aspektes, der mit Dionysos zu tun haben könnte, ist doch auf einer anderen Ebene, oder? Auf der moralischen. Der Dionysos-Teufel könnte sogar ein netter Kerl sein, wenn er nicht soviel saufen würde, oder noch anderes tun...
Re: Dionysos - Teufel
Graeculus schrieb am 23.04.2009 um 09:53 Uhr (Zitieren)
Ich habe mal gelesen, dass für das griechische Verständnis etwas ein Gott war, was mächtiger als der Mensch ist. Einleuchtend, wie ich finde, aber auch sehr offen.

Sehr einleuchtend, wie ich finde. Warum sollten wir die höchsten Lebewesen im großen, großen Universum sein? Und wieso sollte unser Universum das einzige sein? Es mag so viel geben, was über uns steht. Eine andere Frage ist es, ob "sie" sich um uns kümmern oder ob wir sie auch nur im Ansatz verstehen können (Epikur!).
Dionysos empfinde ich eigentlich nicht als "netten Kerl", mit dem man einen trinken gehen könnte. Vielmehr ist er der einzige Gott, der nicht nur für seine Feinde, sondern auch für seine Anhänger gefährlich ist: Agaue, wenn sie aus dem Rausch erwacht und ihr bewußt wird, was sie getan hat ...
Aber: er ist ein Gott, d.h. ein wichtiger, notwendiger und zu beachtender Bestandteil der Weltordnung.
Der christliche Teufel aber ist ein Fehler (eine Sünde), etwas, das es besser nicht gäbe.
Mit Moral in einem etwas weiteren Sinne haben beide zu tun; aber für Dionysos gilt das Nietzsche-Wort: Auch die moralische Erde ist rund, und auch die Antipoden haben ein Recht dazusein. (aus dem Kopf zitiert)
[Ende der Freistunde]
Re: Dionysos - Teufel
Arborius schrieb am 23.04.2009 um 11:10 Uhr (Zitieren)
Das Mächtigere - das meine ich mit "offen" - ist nicht nur ein Lebewesen, sondern auch Gefühle etc. Ich habe die Stelle nicht mehr parat, meine aber, dass in der Ilias die Wut o.ä. personifiziert erscheint. Ich hatte mal so ein Erlebnis mit Naturereignissen, wo ich dachte: "Das ist größer als du!" Aber ich will nicht zu persönlich werden.
Ich denk, dass auch und gerade Dionysos so gesehen werden muss: Er muss kein netter Kerl sein, weil er so etwas wie die Personifikation des Rausches ist. Wer es sich damit verscherzt, wer mit dem Rausch/Dionysos nicht umgehen kann, der erlebt Schlimmes - weil es in seinem Wesen angelegt ist.
Das ist die Rolle in der Weltordnung, die Du angesprochen hast, nicht wahr? Dionysos/der Rausch ist da, das steht fest. Wie er sich auf den Menschen auswirkt, ist eine Frage der Balance/Reaktion - nicht nur für Agaue, sondern auch für Pentheus!

Ich wollte immer mal schon in dieser Richtung weiterdenken. Mal sehen.


Ach ja: Wenn diese psychologisierende Deutung einen Gott da draußen beleidigt haben sollte, widerrufe ich natürlich alles, was ich gesagt habe!
Re: Dionysos - Teufel
Graeculus schrieb am 23.04.2009 um 11:40 Uhr (Zitieren)
Bei anderen Göttern ist die Struktur klar: Du dienst ihnen und stehst dann in ihrer Gunst, oder du verweigerst dich ihnen, dann kriegen sie dich dran.
Bei Dionysos ist das anders. Pentheus ist ein Gegner ... und wird bestraft. Aber Agaue ist eine begeisterte Anhängerin des Dionysos!
Das sagt was über die Natur des Rausches: Sowohl die Asketen, die sich ihm verweigern, als auch diejenigen, die sich ihm exzessiv hingeben, stehen in Gefahr.
Man sollte meinen, daß es eine Sache der Balance ist, wie Du sagst. Aber eigentlich ist Dionysos kein Gott der Wohlausgewogenheit, nichts Kalkulierbares; wie also soll man sich ihm gegenüber verhalten?
Aber ich stelle damit sicher eine paradoxe Frage: Wie soll man das Unberechenbare [im Leben] berechnen?
Es ist schon ein faszinierender Bursche!
Aber ich könnte ihn nie so ansehen wie die Christen den Teufel.
Re: Dionysos - Teufel
Arborius schrieb am 23.04.2009 um 11:45 Uhr (Zitieren)
Du hast Recht: Er ist unkalkulierbar. Muss er ja auch.

Wie steht es denn mit anderen "Teufeln" der Antike? Z.B. Ares.
Neulich hatte ich diesen komischen Gedanken (nach dem Amoklauf in Winnenden, was nicht allzu weit von hier ist), dass evtl. auch im Umgang mit Ares die Ausgewogenheit fehlt.
Ich habe da an den parallelen Fall von Hippolytos gedacht, der ja "fällt", weil er Aphrodite nicht achtet, und zwar durch Aphrodite und ihr Werk fällt.
Wie würde Ares auf unsere heutige Gesellschaft sehen?

Aber ich bin da nicht weiter gekommen.
Re: Dionysos - Teufel
Γραικίσκος schrieb am 26.04.2009 um 15:40 Uhr (Zitieren)
Zum Vergleich Dionysos - Ares:
Homer nennt (Ilias XIV 325) den Dionysos χάρμα βροτοἶσιν. So wichtig und mächtig Ares in der Welt sein mag - das hätte nicht nur Homer über ihn niemals gesagt. Dionysos hat eben auch dieses Beglückende an sich.
Man vergleiche damit, was Homer Zeus über den Ares sagen läßt (Ilias V 888 ff.):
Hüte dich, Unbeständ'ger, mir hier zur Seite zu winseln!
Wahrlich, du bist mir verhaßt vor allen olympischen Göttern!
Immer hast du den Zank doch geliebt und Kampf und Befehdung!

Heraklit, der den Krieg anders einschätzte, hat ihm hier widersprochen.
Wenn man Ares etwas zugutehalten will, dann dies, was Heraklit meint: daß der Krieg, der Kampf unser Entwicklungspotential herausfordert und dadurch fördert.
Wir wachsen durch den Kampf. Na ja. Oder wir gehen zugrunde.
Re: Dionysos - Teufel
Γραικίσκος schrieb am 26.04.2009 um 15:56 Uhr (Zitieren)
Merkwürdigerweise hat Nietzsche sich zwar positiv über Krieg und Gewalt, aber m.W. nie über Ares geäußert:
Sich gegenseitig der Verletzung, der Gewalt, der Ausbeutung enthalten, seinen Willen dem des andern gleichsetzen: dies kann in einem gewissen groben Sinne zwischen Individuen zur guten Sitte werden, wenn die Bedingungen dazu gegeben sind (nämlich deren tatsächliche Ähnlichkeit in Kraftmengen und Wertmaßen und ihre Zusammengehörigkeit innerhalb eines Körpers). Sobald man aber dies Prinzip weiter nehmen wollte und womöglich gar als Grundprinzip der Gesellschaft, so würde es sich sofort erweisen als das, was es ist: als Wille zur Verneinung des Lebens, als Auflösungs- und Verfalls-Prinzip. Hier muß man gründlich auf den Grund denken und sich aller empfindsamen Schwächlichkeit erwehren: Leben selbst ist wesentlich Aneignung, Verletzung, Überwältigung des Fremden und Schwächeren, Unterdrückung, Härte, Aufzwängung eigner Formen, Einverleibung und mindestens, mildestens, Ausbeutung, - aber wozu sollte man immer gerade solche Worte gebrauchen, denen von alters her eine verleumderische Absicht eingeprägt ist? Auch jener Körper, innerhalb dessen, wie vorher angenommen wurde, die einzelnen sich als gleich behandeln - es geschieht in jeder gesunden Aristokratie -, muß selber, falls er ein lebendiger und nicht ein absterbender Körper ist, alles das gegen andre Körper tun, wessen sich die einzelnen in ihm gegeneinander enthalten: er wird der leibhafte Wille zur Macht sein müssen, er wird wachsen, um sich greifen, an sich ziehn, Übergewicht gewinnen wollen - nicht aus irgendeiner Moralität oder Immoralität heraus, sondern weil er lebt, und weil Leben eben Wille zur Macht ist. In keinem Punkte ist aber das gemeine Bewußtsein der Europäer widerwilliger gegen Belehrung als hier; man schwärmt jetzt überall, unter wissenschaftlichen Verkleidungen sogar, von kommenden Zuständen der Gesellschaft, denen „der ausbeuterische Charakter“ abgehn soll - das klingt in meinen Ohren, als ob man ein Leben zu erfinden verspräche, welches sich aller organischen Funktionen enthielte. Die „Ausbeutung“ gehört nicht einer verderbten oder unvollkommnen und primitiven Gesellschaft an: sie gehört ins Wesen des Lebendigen, als organische Grundfunktion, sie ist eine Folge des eigentlichen Willens zur Macht, der eben der Wille des Lebens ist. - Gesetzt, dies ist als Theorie eine Neuerung - als Realität ist es das Ur-Faktum aller Geschichte: man sei doch so weit gegen sich ehrlich! –


Jenseits von Gut und Böse, Zf. 259

Das klingt doch wie eine Apologie des Ares. Aber, wie gesagt, er nennt ihn nicht. Stattdessen häufig den Dionysos. Aber steht der dafür?
 
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