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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Der Tag, an dem die Welt auf dem Kopf steht (1294 Aufrufe)
Graeculus schrieb am 22.04.2009 um 19:36 Uhr (Zitieren)
Manche Völker - wie z.B. die Römer oder die Rheinländer - feiern einen Tag oder gar mehrere Tage, an denen die gewohnten Verhältnisse der Welt auf dem Kopf stehen, also etwa die Sklaven die Herren sind et vice versa, die "vernünftigen" Menschen die Narren usw..
Gab es eigentlich auch in Griechenland ein solches Fest?
Es gab in Attika die Großen und die Kleinen Dionysien, und an sich stellt dieser Gott ja manches auf den Kopf, aber vor allem eine Umkehrung des Herr-Knecht-Verhältnisses ist mir für Griechenland gar nicht bekannt. Weiß da jemand mehr?
Re: Der Tag, an dem die Welt auf dem Kopf steht
Bibulus schrieb am 22.04.2009 um 19:45 Uhr (Zitieren)
@Graeculus
Du meinst so was wie die "Saturnalien"?

hmm,
vielleicht im kleinen Rahmen ein Symposion?
Re: Der Tag, an dem die Welt auf dem Kopf steht
Graeculus schrieb am 22.04.2009 um 19:49 Uhr (Zitieren)
Ja, sowas wie die Saturnalien. Aber ein Symposion eigentlich nicht, denn z.b. an dem berühmten bei Platon nahmen doch keine Sklaven, und schon gar nicht dominierend, teil. Ein Symposion ist für mich (1) in der Antike so etwas wie ein (gehobenes) Gelage und (2) heute ... gar nicht zu sagen, jedenfalls keine Umkehrung von Herrschaftsverhältnissen, also daß sozusagen die Assistenten zu Professsoren ... also Gott bewahre!
Re: Der Tag, an dem die Welt auf dem Kopf steht
Bibulus schrieb am 22.04.2009 um 19:53 Uhr (Zitieren)
mal so sagen...
Ich halte die alten Griechen ja für die Erfinder der Orgie...

vielleicht haben sie ja deshalb nicht so ein Ventil nötig gehabt wie die "strengmoralischen" Römer zur Zeiten der Republik...

;-)
Re: Der Tag, an dem die Welt auf dem Kopf steht
Graeculus schrieb am 22.04.2009 um 20:01 Uhr (Zitieren)
Hm, so habe ich das noch nicht gesehen mit der Orgie.
Ich bin auf diese Geschichte gekommen durch den heutigen Unterricht, in dem jemand behauptete, der jüdische Sabbat habe genau diese Funktion, weil nämlich an diesem Tag, da ja niemand arbeiten dürfe, auch die Sklaven ihre Herren nicht bedienen mußten. Das ist zwar noch keine Umkehr, aber immerhin: auch das hatte ich noch nicht so gesehen.
Jedenfalls dachte ich mir: die Römer - die Juden - die Rheinländer - die New Orleanser ... und meine geliebten Griechen nicht?
Re: Der Tag, an dem die Welt auf dem Kopf steht
Bibulus schrieb am 22.04.2009 um 20:22 Uhr (Zitieren)
Die Griechen haben es ja geschafft, Lust und Pflicht zu vereinen:
z.B.
die Olympischen Spiele:
Sowohl Gottesdienst als auch Lustbarkeit!
Re: Der Tag, an dem die Welt auf dem Kopf steht
Bibulus schrieb am 22.04.2009 um 20:27 Uhr (Zitieren)
ich meine,
die Römer hatten die Gladiatoren und die Veranstaltungen
im Circus Maximus. (brutal und unmenschlich)
Kein Vergleich zu den Spielen der Griechen...
Und dann das Theater!
Was haben die Römer dagegen zu setzen?
Re: Der Tag, an dem die Welt auf dem Kopf steht
Graeculus schrieb am 22.04.2009 um 20:38 Uhr (Zitieren)
Mir gegenüber brauchst Du die Griechen nicht zu verteidigen, wirklich nicht. Aber dieser spezielle Aspekt, bei einer Gelegenheit im Jahr Oben und Unten zu vertauschen (bei uns übernehmen immer an Altweiberfastnacht die Frauen die Rathäuser, z.B.), das gab es anscheinend bei den Griechen nicht.
Re: Der Tag, an dem die Welt auf dem Kopf steht
Graeculus schrieb am 22.04.2009 um 20:40 Uhr (Zitieren)
John Maddox Roberts schildert das für Rom sehr schön:
[...] Als wir ankamen, waren im Peristylium Tische und Sofas aufgestellt, da das Triclinium viel zu klein war, um sämtliche Sklaven zu beherbergen. Zu meiner großen Erleichterung hatte Vater ein paar seiner Freigelassenen zum Mithelfen überredet. Die meisten von ihnen waren Männer und Frauen, die erst vor kurzem freigelassen worden waren und daher noch keine eigenen Sklaven hatten, die sie bedienen mußten.
Hermes war bereits halb betrunken, als er sich auf einem der Sofas lümmelte und ungeduldig mit den Zehen wackelte, bis ich ihm seine Sandalen abgenommen hatte. Warte nur, dachte ich bei mir. Cato und Cassandra zu bedienen, machte mir nicht soviel aus. Sie hatten ihrerseits meiner Familie ein Leben lang gedient und nicht mehr viel Zeit übrig. Daher stand es ihnen durchaus zu, sich ein wenig verwöhnen zu lassen.
Die nächsten paar Stunden servierten wir ausgezeichnetes Essen, gossen Wein nach und benahmen uns wie Sklaven. Die Speisenden hingegen führten sich auf wie der Adel und gaben ihre Befehle, wobei jedoch bestimmte Grenzen nicht überschritten wurden, weil jeder wußte, daß er morgen wieder ein Sklave sein würde.
Für den Anblick, den mein Vater, dieser mürrische, alte Paterfamilias bot, lohnte sich das Ganze fast. Er eilte umher, trug Platten aus der Küche auf, mischte Wasser und Wein in einem großen Krug und hielt dabei die ganze Zeit ein wachsames Auge auf das Familiensilber, auf daß es sich nicht verflüchtige.
Endlich waren die Sklaven vollgefressen und begaben sich nach draußen, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen, die bis zum frühen Morgen auf den Straßen stattfanden. Ich ließ meine Serviette sinken und suchte die Ruinen des Buffets nach etwas Essbarem ab. Ich war völlig ausgehungert, außerdem durstig, so daß ich mir einen großen Becher Wein eingoß. [...]

[Quelle: John Maddox Roberts. Tödliche Saturnalien. Ein Krimi aus dem alten Rom. München 2004, S. 185 f.]
Re: Der Tag, an dem die Welt auf dem Kopf steht
Lateinhelfer schrieb am 22.04.2009 um 20:53 Uhr (Zitieren)
Es gab im antiken Griechenland schon eine ähnliche Sache:
Das Anthesterienfest war ein Weinfest, geprägt durch eine ausgelassene Stimmung der Teilnehmer. Und teilnehmen konnte jeder, denn auch die Sklaven lud man dazu ein. Es sollen an diesem Tag auch die Seelen der Verstorbenen herumgezogen sein. Daher beschmierte man die Türen mit Pech, um sie fernzuhalten.....
Re: Der Tag, an dem die Welt auf dem Kopf steht
Lateinhelfer schrieb am 22.04.2009 um 21:05 Uhr (Zitieren)
Die Anthesterien erinnern an den heutigen Fasching (Zitat)
Die Anthesterien - dreitägiges athenisches Fest am Frühlingsanfang (Ende März) zu Ehren des Dyonisos Limnaios
- 1. Tag (Pithoigia) Weinfässer (Pithoi) werden geöffnet und der neue Wein eingesegnet
- 2. Tag Hauptereignis rituelles Wetttrinken aus speziellen Gefäßen, den Choes
- 3. Tag (Chytren) ist den Toten geweiht - Vegetationskult und Totenfeier; Fruchtbarkeit des Jahres sollte gesichert werden
- oft auch als FEST DER KINDER bezeichnet - ältere Kinder (3-6 J.) findet man an diesem Tag tanzend, rennend, bei akrobatischen Übungen, spielend mit dem Wägelchen oder musizierend; besonders beliebt sind ihre Spieltiere (Ziege, Hase, Reh, Esel, Hund, Schildkröte, Vogel werden vor Wagen gespannt, auf ihnen wird geritten...
- Kinder über 6 J. Wettkampf und Musik (Faustkämpfe, Wagenrennen, Pferderennen, tanzen, singen - Mädchen spenden Wein, spielen mit Zauberrad oder kleiden sich an für das Fest Ritus des Choentages der Anthesterien.
- ab dem 3. Lebensjahr erhalten die Kinder ihre eigenen Kannen und Tische um an diesem Kult teilzunehmen- hat Charakter einer Initiation mit 3 J. haben sie Säuglingsalter und damit die kritische Phase in der die Kindersterblichkeit sehr hoch ist überwundengehen einer neuen Phase in ihrem Leben entgegen und werden offiziell in die Kultgemeinschaft aufgenommen.
- durch Gabe der Choenkanne und des Weines und durch das Bekränzen werden sie dem Schutz des Weingottes Dionysos anempfohlen; sein Segen, die Kraft und Stärk der Natur soll auch die Kinder erreichenDie Chytren (3. Tag der Anthesterien) - Jung und Alt kommen zusammen um die Aiora zu feiern. Kinder und unverheiratete Mädchen schwingen auf speziellen Schaukeln durch die Lüfte wobei wahrscheinlich ein Lied gesungen wird - durch das Schaukeln wird das Unheil fortgeschleudert und man wünscht den Schaukelnden das folgende Jahr gesund und glücklich zu erleben .....
Re: Der Tag, an dem die Welt auf dem Kopf steht
Graeculus schrieb am 22.04.2009 um 21:05 Uhr (Zitieren)
Das ist eine gute Antwort. Danke.
Re: Der Tag, an dem die Welt auf dem Kopf steht
Graeculus schrieb am 22.04.2009 um 21:07 Uhr (Zitieren)
Und es ist - das ist mir ja ein innerer Reichsparteitag - ein Dionysosfest!
 
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