Mir fällt spontan Echnaton ein, der Aton zum alleinigen Gott erhob und damit eine neue Religion durchzusetzen versuchte. Ob er damit seine Alleinherrschaft legitimieren wollte, weiß ich nicht.

Aber hat nicht fast jeder Herrscher die entsprechenden Kulte bzw. Schriften für seine Zwecke angepasst? Ein "Bibelhistoriker" könnte da Genaueres wissen.
Spannend ist auch, wie z.B. auf den diversen Konzilen der katholischen Kirche festgelegt wurde, was zum "richtigen Glauben" gehöre und was nicht. Die Stärkung von Machtpositionen hat dabei gewiss immer eine Rolle gespielt.
Beispielhaft sei das Erste Konzil von Nicäa genannt, auf dem die Arianische Lehre als Ketzerei verdammt wurde. Der Zweck dieser Festlegung war wohl, die vielen z.T. gegensätzlichen Positionen innerhalb der Christenheit unter einen Hut zu bringen bzw. "kanke Glieder" (=Gegner) vom Leib der sich konstituierenden Kirche abzuhauen.

Ein interessanter Artikel zu diesem Thema war in der epoc-Zeitschrift 03/09: "Am Anfang war der Streit"
http://www.epoc.de/artikel/985699&_z=798890

Das hatte ich vergessen: Das Konzil von Nicäa war von Kaiser Konstantin (den Großen) einberufen worden. Die Zwistigkeiten innerhalb der Christenheit schwächten sein Reich, deshalb war er an einer einheitlichen Lehre interessiert; Taufen ließ er sich aber bekanntlich erst auf dem Sterbebett.

Ach ja, und die Arianische Lehre wurde natürlich nicht als "Ketzerei verdammt", Ketzerei gab es erst viel später; da hatte ich mich vergaloppiert.

Eigentlich sind doch alle Götter irgendwie künstlich, wenn man unter "künstlich" = "von Menschen gemacht" versteht, wie schon Vorsokratiker anmerkten. (Aber was wäre dann ein "natürlicher Gott"? ;-))


Könnte man nicht auch eine Ideologie als eine Art künstliche Religion betrachten? Bei der kommunistischen Ideologie bietet sich das geradezu an: Der Kommunismus bzw. ("real existierende") Sozialismus als "neue Gottheit" ihrer Anhänger.
Klingt das zu schräg?
Immerhin gab es in den 60er Jahren in einem Dorf im heutigen Sachsen folgende Begebenheit: Überall hingen Plakate mit der Aufschrift: "Der Sozialismus ist ALLmächtig". Ein Mensch stieß sich daran, weil für ihn nur Gott allmächtig sein konnte und riss das "ALL-" von dem Plakat weg. Deshalb musste er ins Gefängnis ...

... weil er die Allmacht dieser Ideologie anzweifelte. (?)
Nein, wegen Sachbeschädigung. (!)
___________



Den Namen "Serapis" höre ich hier im Forum zum 1. Mal. In Wikipedia steht, er sei aus der Verschmelzung von Osiris und Apis entstanden; später seien Attribute von weiteren Göttern noch hinzugekommen ... klingt nach einem echten Wolpertinger ;-)

Wenn ich es mir recht überlege, gab es damals eine Tendenz weg von den vielen Göttern hin in Richtung Monotheismus: Den ersten Versuch wagte wohl Echnaton, danach die Juden mit ihrem JHWH, Ptolemaios "schuf" den Serapis ... Aurelian erhob im 3. Jh. den Sol Invictus zum höchsten Gott ... bis unter Konstantin die Hinwendung zum Christengott erfolgte.

Um zu dem "einen und waren" Gott zu kommen, gab es zwei Möglichkeiten:
1. EIN Gott wird ausgewählt und zu DEM Gott erklärt. Die anderen Götter werden "degradiert".
2. Mehrere Götter werden zu einem Gott "verschmolzen".
Nun, mit der zweiten Vorgehensweise hatte ein Herrscher sicher eher Rückhalt bei seinen Untertanen.

Ptolemaios war demnach in dieser Hinsicht wohl ein klügerer Kopf als Echnaton.

Keine Ketzerei, aber αἵρεσις!
Arius wurde immerhin exkommuniziert und dem ἀνάθημα ausgesetzt - übrigens auch ein sehr interessantes Wort.

Echnaton ist eine gute Analogie, meine ich, weil es auch für seinen Gott eigentlich keinen im Volksglauben gewachsenen Prototyp (meine Definition von "natürlicher Gott") gibt - anders als bei Sol Invictus.