Γραικύλος schrieb am 20.07.2021 um 16:04 Uhr (Zitieren)
(Philogelos § 223)
Re: Ein Gebet
Andreas schrieb am 20.07.2021 um 17:25 Uhr (Zitieren)
Welchen Gott ruft er da an?
Oder ist das nur eine Floskel wie bei uns?
Einen monotheistischen Gott kann man
ausschließen, oder?
Zur Quelle fand ich dies: https://de.wikipedia.org/wiki/Philogelos
Re: Ein Gebet
Γραικύλος schrieb am 21.07.2021 um 14:39 Uhr (Zitieren)
Eine gute Frage.
Üblich war ja wohl die Anrufung eines speziellen Gottes mit seinem Namen.
1. Wer wäre der hierfür zuständige Gott? Schwer zu sagen.
2. Der Philogelos ist ja in der Spätantike (3. Jhdt. u.Z.) entstanden, als es auch diesseits des jüdisch-christlichen Monotheismus schon quasi-monotheistische Tendenzen im Heidentum gab: der sog. Henotheismus, der - anders als der Monotheismus - keine Leugnung der Existenz mehrerer Götter bedeutete. Man verkehrte im Augenblick der Anrufung mit dem angerufenen Gott, als wäre er der Alleinige.
Re: Ein Gebet
Γραικύλος schrieb am 21.07.2021 um 14:40 Uhr (Zitieren)
Max Müller hat den Henotheismus definiert als einen Monotheismus des Affektes und der Stimmung.
Re: Ein Gebet
Johannes schrieb am 22.07.2021 um 13:19 Uhr (Zitieren)
Was soll man sich darunter vorstellen?
Welcher Affekt, welche Stimmumg?
Das hilft auch kaum weiter:
Was könnte das sein?
Re: Ein Gebet
Γραικύλος schrieb am 22.07.2021 um 13:35 Uhr (Zitieren)
Was immer er mit der "transzendenzeröffnenden Erscheinung" meinen mag - es scheint mir auf den vorliegenden Witz nicht zu passen.
Es gab wohl in der Spätantike die Tendenz, alle Götter als Erscheinungsformen eines einzigen Gottes zu deuten, was man dann Henotheismus nennt.
Das ist mir eingefallen als mögliche (!) Erklärung der unspezifizierten Anrufung "Θεέ".
Re: Ein Gebet
Johannes schrieb am 22.07.2021 um 15:42 Uhr (Zitieren)
Eine Art paganer Doketismus?
Re: Ein Gebet
Γραικύλος schrieb am 22.07.2021 um 16:21 Uhr (Zitieren)
Das halte ich nicht für passend, weil laut Doketismus Jesus Christus als "Mensch" nur einen Scheinleib hatte.
Es ist ja nicht so, daß dem Λιμόξηρος ein sichtbarer göttlicher Leib vor Augen stand, und so wird es auch nicht bei den Menschen der Spätantike der Fall gewesen sein. Vielmehr glaubten sie (oder etliche von ihnen), daß die vielen Götter Emanationen eines einzigen göttlichen Wesens seien. Das hängt wohl mit den Spekulationen der neuplatonischen Philosophie und der Gnosis zusammen.
Je länger ich darüber nachdenke, desto unplausibler erscheint es mir, eine derartige anspruchsvolle Einstellung einem Vielfraß zu unterstellen. Für das Verständnis des Witzes hilft das also nicht weiter.
Jedenfalls haben die spätantiken theologischen Vorstellungen sich von seiten der 'Heiden' schon ein Stück auf den christlichen Monotheismus zubewegt.