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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Altägyptische Anthropologie (804 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 27.11.2009 um 14:21 Uhr (Zitieren)
Wie haben sich die Ägypter den Menschen 'zusammengesetzt' vorgestellt?
Zahi Hawass

DIE VERBOTENEN GRÄBER IN THEBEN

(2009)

Die Ägypter glaubten, dass eine Person aus sechs prinzipiellen Elementen bestand:
Der Körper oder chet war der irdische Wohnsitz, in der die übrigen Elemente während des Lebens residieren. Nach dem Tod wandelte sich der chet, sofern er ordentlich mumifiziert worden war, zu einem sah, einem vergöttlichten und perfekten Ebenbild des Verstorbenen, der wieder als eine Wohnstatt für die nicht greifbaren, aber wesentlichen Teile der Person dienen konnte. Während der Beisetzung wurde der sah in der Grabkammer idealerweise in ein „Nest“ aus Särgen und Sarkophagen gelegt und von einer Menge an Grabbeigaben umgeben. Die Grabkammer wurde dann versiegelt und sollte den Verstorbenen für die Ewigkeit beherbergen und beschützen.
Der ka war die Lebenskraft, die ewige Energie des Individuums, die den Tod überlebte und auch eine Verbindungslinie zu den eigenen Vorfahren und Nachkommen herstellte. In Darstellungen der königlichen Geburt im Neuen Reich werden Körper und ka vom Schöpfergott Chnum zusammen aus Ton geschaffen. In der künstlerischen Wiedergabe mir ausgebreiteten oder erhobenen Armen abgebildet, war es der ka, der fähig war, die Opfer anzunehmen, die als Teil der Beisetzung und des Totenkults dargebracht wurden. Den Vorstellungen der modernen Seele am nächsten kam der ba, der auch mit dem Atem assoziiert wurde. Laut den Pyramidentexten des Alten Reichs verließ der ba seine Besitzer im Augenblick des Todes und flog zum Himmel, um dort gemeinsam mit den Göttern und den Sternen zu leben.
Der ba wurde als ein Vogel mit Menschenkopf dargestellt; ihm war es möglich, das Grab nachts zu verlassen, um auf der Erde zu wandern.
Ein weiteres Schlüsselelement war das Herz (ib), das als Sitz von sowohl Verstand als auch von Gefühl angesehen wurde. Der Name (ren) einer Person vermochte, diese zu Lebzeiten und auch nach dem Tod zu identifizieren. Die Erinnerung an den Namen war wesentlich, um den Kult an die richtige Person richten zu können, und einem Menschen konnte durch das Aussprechen seines Namens sowohl magische Hilfe als auch Schaden zugefügt werden. Der Schatten (sut) besaß zwar die Gestalt des Körpers, lebte jedoch auf einer anderen Ebene. Er wird meistens als eine schwarze, strukturlose, eintönige Silhouette des Verstorbenen gezeigt, und man glaubte, dass er imstande war, während des Tages aus dem Grab zu treten.
Im Augenblick des Todes verließen ka und ba den Körper, und für den Verstorbenen begann eine gefährliche Zeit. Die wesentliche Aufgabe des Begräbnisses war, ka und ba wieder mit dem Körper zu vereinen und durch die Ausführung der richtigen Rituale auf dem Schauplatz der Nekropole und des Grabes die fortwährende Wiedergeburt des Verstorbenen als verklärter Geist (ach) zu gewährleisten.
[...]

[Quelle: Zahi Hawass, Die verbotenen Gräber in Theben. Zabern 2009, S. 65-67]
Re: Altägyptische Anthropologie
Γραικίσκος schrieb am 27.11.2009 um 14:24 Uhr (Zitieren)
Hier ist eine bildliche Darstellung des Schattens (sut):
http://www.bilder-hochladen.net/files/cp3o-j-jpg.html
Re: Altägyptische Anthropologie
Γραικίσκος schrieb am 27.11.2009 um 14:28 Uhr (Zitieren)
Auf den ba bezieht sich das berühmte Gedicht "Gespräch eines Mannes mit seinem ba", das ich hier schonmal eingestellt habe.
Re: Altägyptische Anthropologie
Γραικίσκος schrieb am 27.11.2009 um 14:34 Uhr (Zitieren)
Hier ist das Gedicht nochmal:
Mit wem soll ich heute sprechen?
Die Angehörigen sind schlecht, die Freunde von heute
kann man nicht lieben.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Habgierig sind die Herzen, ein jeder beraubt seinen Nächsten.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Der Milde ist zugrundegegangen,
Gewalttätigkeit ergreift Besitz von jedermann.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Das Antlitz des Schlechten glänzt zufrieden,
das Gute ist zu Boden geworfen überall.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Wer einen Mann wegen seiner schlechten Tat zur Rede stellt,
bringt alle Bösewichter zum Lachen.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Man plündert. Jeder bestiehlt seinen Nächsten.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Der Verbrecher ist ein Vertrauensmann,
der Bruder, mit dem man lebte, ist zum Feind geworden.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Man erinnert sich nicht an Gestern
und vergilt (auch) nicht dem, der jetzt (Gutes) tut.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Die Angehörigen sind böse,
man wendet sich zu Fremden, um Redlichkeit zu finden.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Die Herzen sind zugrunde gerichtet,
jedermann wendet den Blick zu Boden vor seinen Angehörigen.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Die Herzen sind habgierig,
man kann sich auf keines Menschen Herz (mehr) verlassen.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Es gibt keine Gerechten,
die Welt bleibt denen überlassen, die Unrecht tun.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Es mangelt an Vertrauten,
man nimmt Zuflucht zum Unbekannten, um ihm zu klagen.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Es gibt keinen Glücklichen,
und jener, mit dem man (früher) ging, ist nicht mehr.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Ich bin mit Elend beladen, weil mir ein Vertrauter fehlt.

Mit wem soll ich heute sprechen?
Das Übel, welches die Welt schlägt - kein Ende hat es!

***

Der Tod steht heute vor mir
wie das Genesen eines Kranken,
wie wenn man ins Freie tritt nach einem Leiden.

Der Tod steht heute vor mir
wie der Duft von Weihrauch,
wie Sitzen unter dem Segel am Tag des Windes.

Der Tod steht heute vor mir
wie Duft der Lotosblüten,
wie Wohnen am Ufer der Trunkenheit.

Der Tod steht heute vor mir
wie das Aufhören des Regens,
wie die Heimkehr eines Mannes vom Feldzug nach Hause.

Der Tod steht heute vor mir
wie die Klarheit des Himmels,
wie wenn ein Mensch die Lösung eines Rätsels findet.

Der Tod steht heute vor mir
wie der Wunsch eines Menschen, sein Heim wiederzusehen,
nachdem er viele Jahre in Gefangenschaft verbrachte.

***

Wahrlich, wer dort ist, ist ein lebendiger Gott,
der die Sünde bestraft an dem, der sie tut.

Wahrlich, wer dort ist, der steht im Sonnenschiff,
Erlesenes verteilt er daraus für die Tempel.

Wahrlich, wer dort ist, der ist ein Weiser,
der nicht gehindert werden kann,
zum Sonnengott zu gelangen, wenn er spricht.

[Quelle: Erik Hornung (Hrsg.), Gesänge vom Nil. Dichtung am Hofe der Pharaonen. Zürich/München 1990, S. 114-117]

Mir gefallen die 'ägyptischen Bilder' wie z.B. "das Sitzen unter dem Segel am Tag des Windes". Das kann ich mir, bezogen auf das ägyptische Klima, als Genuß sehr gut vorstellen.
Re: Altägyptische Anthropologie
Γραικίσκος schrieb am 27.11.2009 um 14:50 Uhr (Zitieren)
Mir scheint, die Ägypter haben beobachtet: Ein Mensch kann tot sein, ein bloßer Körper (chet), oder er kann leben (ka). Wenn er lebt, kann er bei Bewußtseins sein (ba) oder bewußtlos. also haben wir schonmal drei Elemente, die wir unterscheiden müssen.
Für Herz (ib) und Schatten (sut) fallen mir nicht so leicht Beobachtungselemente ein.
Der Name schließlich (ren) scheint funktional zu sein: Damit identifizieren wir.
Re: Altägyptische Anthropologie
ανδρέας schrieb am 27.11.2009 um 18:38 Uhr (Zitieren)

Welche Vorstellungen die Ägypter hatten wird in ihrem Totenbuch deutlich. Es enthielt ca. 200 Zaubersprüche und Anweisungen, mit denen der Verstorbene sich im Totenreich zurechtfinden und Gefahren abwenden konnte, um wiederauferstehen zu können und die Reise im Jenseits bestehen zu können. Erstaunliche Rituale und und Abläufe, die ein ausgeklügeltes Bild von dem Leben nach dem Tode offenbaren. Erstaunlich ist z.B. das Wiegen der Seele, wo die irdischen Sünden eine Rolle spielen. Man vergleiche die Bibel: gewogen und für zu leicht befunden etc. .
 
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