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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Umwelt und Volkscharakter #1 (354 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 01.09.2021 um 14:49 Uhr (Zitieren)
Den Angaben von Bukolos folgend, bin ich den antiken Autoren nachgegangen, die sich über die Korrelation zwischen Umwelt und Klima einerseits, Volkscharakter andererseits geäußert haben. Gefunden habe ich eine Mischung aus Skurrilitäten, Chauvinismus und nicht ganz von der Hand zu weisenden Hypothesen.
Die Fundstücke stelle ich vor.
1. Hippokrates: De aere aquis locis

Wer die Heilkunst in der rechten Weise ausüben will, der muß folgendes tun:

Zunächst muß er die Jahreszeiten beachten, d.h., was eine jede von ihnen zu bewirken vermag. Denn sie gleichen einander in keiner Hinsicht, sondern weisen starke Unterschiede auf, sowohl an sich selber wie ganz besonders während ihrer Wandlungen.

Und dann die warmen und kalten Winde, vor allem die, welche allen Menschen gemeinsam sind, dann aber auch die, welche in jedem einzelnen Lande zu Hause sind.
Er muß aber auch die Wirkungen der Gewässer bedenken. Denn wie sie sich durch ihren Geschmack im Munde und nach ihrem Gewicht voneinander unterscheiden (1), so unterscheidet sich auch die Kraft jeden Wassers stark von anderen.

Daher muß der Arzt, wenn er in eine ihm unbekannte Stadt kommt, ihre Lage betrachten, d.h., wie sie zu den Winden und zu den Sonnenaufgängen liegt. Denn es ist nicht einerlei, ob sie nach dem Nordwinde oder nach dem Südwinde zu liegt, und auch nicht, ob sie nach Sonnenaufgang oder nach Sonnenuntergang gelegen ist. –

Diese Dinge muß man genau beachten und noch eins: wie es mit dem Trinkwasser einer Stadt steht; ob ihre Bewohner sumpfiges und weiches Wasser gebrauchen oder hartes, das aus hochgelegenen und felsigen Gegenden kommt, oder salziges und hartes.

Er muß auch den Boden berücksichtigen, ob er kahl und wasserlos oder dicht und wasserreich ist oder ob er in einem stickigen Tal eingeschlossen ist oder hoch liegt und kalt ist.

Und dann achte darauf, was für eine Lebensweise den Bewohnern behagt: ob sie den Trunk lieben und zu frühstücken pflegen und bequem sind, oder ob sie gerne Leibesübungen treiben und ihre Freude an körperlichen Anstrengungen haben und weniger essen und trinken.

[...]

Nun aber will ich von Asien und Europa sprechen, inwieweit sie sich in jeder Hinsicht voneinander unterscheiden, auch über die Gestalt der Völker; sie unterscheiden sich nämlich sehr und gleichen einander überhaupt nicht. Über sie alle zu sprechen, wäre freilich ein zu weites Feld. Aber über die größten und stärksten Unterschiede will ich meine Ansicht darlegen.

Ich behaupte nämlich, daß sich Asien am stärksten von Europa unterscheidet hinsichtlich der Naturen all der Dinge, die aus der Erde kommen, wie auch ihrer Bewohner [τὴν Ἀσίην πλεῖστον διαφέρειν φημὶ τῆς Εὐρώπης ἐς τὰς φύσιας τῶν συμπάντων τῶν τε ἐκ τῆς γῆς φυομένων καὶ τῶν ἀνθρώπων]. Es wird ja alles weit schöner und größer in Asien. Auch ist das Land kultivierter als das Europas, und der Charakter der Menschen ist sanfter und gutartiger [καὶ τὰ ἤθεα τῶν ἀνθρώπων ἠπιώτερα καὶ εὐοργητότερα].

Die Ursache hiervon ist die Mischung der Jahreszeiten (2), weil Asien gegen Morgen, in der Mitte der Sonnenaufgänge, liegt (3) und daher von den Regionen der Kälte und Wärme weiter entfernt ist. Das Gedeihen und die Veredelung all seiner Gewächse beruht weit mehr als in allen anderen Ländern darauf, daß keine Naturgewalt das Übergewicht hat, sondern vielmehr ein Gleichgewicht aller Kräfte herrscht.

Es sind aber in Asien die Gegenden nicht überall gleich, sondern das Land, das in der Mitte zwischen der Wärme und der Kälte liegt, ist das fruchtbarste und hat die schönsten Bäume und das beste Klima wie auch die schönsten Wasser vom Himmel und aus der Erde. Denn es ist weder von Hitze zu sehr verbrannt noch durch Dürre und Wasserarmut ausgetrocknet, noch von Kälte in ihren Bann geschlagen. Es ist auch nicht feucht und von Regenmassen und Schnee durchnäßt.

Es ist daher sehr natürlich, daß dort die Gaben der Jahreszeiten in Fülle gedeihen, sowohl die, welche von Menschen ausgesät sind, wie die, welche die Erde aus sich selber hervorsprießen läßt, deren Früchte die Menschen gebrauchen, indem sie wilde Bäume und Sträucher veredeln und in ein geeignetes Erdreich verpflanzen.
Kein Wunder, daß auch die dort gezüchteten Haustiere am besten gedeihen und sich stark vermehren und schönsten Nachwuchs haben. Und die Menschen sind dort wohlgenährt, ja, es sind die schönsten und größten Menschen, an Aussehen und Größe nur wenig voneinander unterschieden. Es leuchtet ein, daß dies Land in seiner Natur und in dem rechten Mittelmaß seiner Jahreszeiten (4) dem Frühling am nächsten kommt.

Dagegen können Eigenschaften wie Tapferkeit, Standhaftigkeit gegenüber Ungemach, Straffheit und Mut in einer solchen Natur nicht aufkommen [τὸ δὲ ἀνδρεῖον καὶ τὸ ταλαίπωρον καὶ τὸ θυμοειδὲς οὐκ ἂν δύναιτο ἐν τοιαύτῃ φύσει ἐγγίνεσθαι], weder bei den Eingeborenen noch bei den Fremden. Vielmehr muß das Genießen ihren Lebensinhalt bilden [Lücke im Text].

(1; 12)

(1) Der Verfasser hat also schon die verschiedenen Gewässer nach ihrer Schwere gemessen und damit bereits unbewußt den Begriff des spezifischen Gewichtes gefunden.
(2) = Klimate
(3) d.h. genau im Osten
(4) = Klima; der Autor meint die nördliche gemäßigte Zone.
 
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