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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Theodor Mommsen über Tiberius #1 (414 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 22.09.2021 um 15:50 Uhr (Zitieren)
Vorlesung Römische Kaisergeschichte WS 1872/73 in der Nachschrift von Ludwig Schemann:
Bei Tiberius müssen wir äußerst vorsichtig urteilen. Er ist einer der bedeutendsten Männer, die je an der Spitze des römischen Staates gestanden haben. Sein Charakterbild ist in der Geschichte schwankend, verzerrt durch Haß und Parteiung. Die greisenhafte Fratze, die er in seiner allerletzten Periode zeigt, ist manchmal zur Gesamtbeurteilung unterlegt worden.

Tiberius war stark und kräftig, eine durchaus militärische Erscheinung. Seine Bildung eine für seine Zeit ungewöhnlich tiefe (auch literarisch nicht indifferent, begünstigte namentlich die alexandrinisch-erotische Richtung der Poesie).

Nicht ohne Gefühl, namentlich zeigt sich dies in seiner ersten Ehe (1). In tragischer Weise wurden ihm alle Verhältnisse, die auf gemütlichen Beziehungen beruhten, verbittert, darauf muß Tiberius‘ Herbigkeit des Herzens zurückgeführt werden.

„Bruch mit der Mutter Livia“ Tiberius hatte zuletzt nicht ein einziges reines menschliches Verhältnis mehr. ... Alle in Haß verwandelte Liebe ging denn schließlich in den Grundzug von Tiberius‘ Natur über und schuf jenes Schattenbild, wie wir es von Tiberius haben (auch bei Tacitus). Das Schicksal hat den Tiberius gewaltig durchgearbeitet, aber nicht erweicht, sondern verhärtet.

Tiberius gehörte zu den Leuten, die nie eine Jugend gehabt, denen sich nie das Herz in erfreulicher, unbefangener Weise geöffnet hat. Seine Umgebung voll Niedertracht und Nichtswürdigkeit erfüllte ihn mit Menschenverachtung, die er aber immer mit energischem Pflichtgefühl verband (nicht „oderint dum metuant“, sondern „oderint dum probent“). Das Zurschautragen der Gleichgültigkeit gegen das Publikum war ein arger politischer Fehler, niemand verzichtet ungestraft auf die Liebe seines Volkes.

Tiberius war natürlich, dem Geist der Zeit entsprechend, ohne eigentlich religiösen Glauben, durchaus rationalistisch angelegt. Dennoch beherrschte ihn durch und durch ein Fatalismus, der ihn selbst in politischen Handlungen öfter bestimmte. Tiberius neigte zum Abstrusen, namentlich in Rhodos nahmen seltsame Neigungen in ihm überhand. Auch das Raffinement der Ausschweifungen, mit einer widerwärtigen Gelehrsamkeit [sic!] gemischt, zeigt er hauptsächlich seit seinem Aufenthalt in Rhodos. In seiner letzten Periode tritt hierzu die Greisenhaftigkeit und macht so den Tiberius zu einem abschreckenden Bilde.

Als Staatsmann wohl einer der größten Roms. ...
Wenn man Tiberius‘ finanzielle Verdienste würdigen will, so denke man nur an Augustus‘ ewige Geldnot.

Tiberius hatte den aufrichtigen Willen, verfassungsmäßig zu regieren. ... alles verschmähte er, was nicht darauf hindeutete, daß der römische Staat ein Freistaat mit lebens-länglichem Chef sei.

(Theodor Mommsen: Römische Kaisergeschichte. Nach den Vorlesungs-Mitschriften von Sebastian und Paul Hensel 1882/86. Hrsg. v. Barbara und Alexander Demandt. München 1992, S. 148 f.)

(1) mit Vipsania Agrippina, der Tochter des Marcus Agrippa
 
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