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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die letzten Worte des Epiktet an seinen Sohn #1 (384 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 17.10.2021 um 15:54 Uhr (Zitieren)
Der stoische Philosoph Epiktet lebte von ca. 50 bis 138 u.Z.

Voltaire: Die letzten Worte des Epiktet an seinen Sohn
Epiktet:
Es geht mit mir zu Ende; möchtest du meiner liebevoll gedenken und keine unnützen Tränen vergießen; ich sterbe frohen Herzens, da ich dich tugendhaft zurücklasse.

Der Sohn:
Du hast mich gelehrt, tugendhaft zu sein, doch du weißt, welche Zweifel mich bewegen. Eine neue Sekte aus Palästina versucht mich in Gewissensnöte zu stürzen.

Epiktet:
Gewissensnöte! Sie gebühren allein den Bösewichtern, deine Hände und deine Seele aber sind rein. Ich habe dich die Tugend gelehrt, und du hast danach gelebt.

Der Sohn:
Ja; doch verkündet die neue Sekte eine neue Tugend, die ich nicht kenne.

Epiktet:
Was für eine Sekte ist das?

Der Sohn:
Sie besteht aus diesen Juden, die Lumpen und Zaubertränke verkaufen und in Rom das Bargeld verknappen.

Epiktet:
Die Tugend, die sie lehren, ist augenscheinlich Falschgeld.

Der Sohn:
Sie sagen, man könne unmöglich tugendhaft sein, ohne sich die Vorhaut beschneiden oder sich im Namen des Vaters durch den Sohn unter Wasser tauchen zu lassen. Freilich sind sie sich darin nicht einig; die einen bestehen auf der Vorhaut, die anderen nicht; für die einen ist das Wasser entscheidend wie für Pindar, der es für heilkräftig hält, die anderen verzichten darauf. Doch sagen sie alle, man müsse ihnen Geld geben.

Epiktet:
Wieso Geld! Natürlich muß man aus seinem Überfluß den Armen helfen, die nicht arbeiten können, auch diejenigen bezahlen, die in der Lage sind, ihr Leben zu verdienen, und ebenso den eigenen Lebensunterhalt mit seinen Freunden teilen. Das verlangt unser Gesetz; das ist unsere Moral; und das habe ich getan, seit Epaphroditos mich freigelassen. Und eben das habe ich dich tun sehen mit einer selbstverständlichen Freude, die meine letzten Augenblicke glücklich macht.

Der Sohn:
Die Philosophen, von denen ich spreche, fordern etwas ganz anderes; sie verlangen, man solle ihnen alles, was man besitzt, bis zum letzten Heller zu Füßen legen.

Epiktet:
Wenn dem so ist, dann sind sie Diebe, und du mußt sie vor den Prätor oder die Richter bringen.

(Voltaire: Kritische und Satirische Schriften. München 1970, S. 173 f.)
 
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