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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Zu den Motiven der römischen Christenverfolgung (417 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 07.12.2021 um 16:17 Uhr (Zitieren)
Christianus sum“ war seit neronischer Zeit ein latentes politisches Delikt. Denn der jüdische Verkünder der neuen superstitio war als politischer Verbrecher vom römischen Statthalter von Judaea hingerichtet worden. Dieser todeswürdige Rebell sollte von den Toten wiederauferstanden und der „Christus“, der Messias sein, der als Gott und neuer Kultherr verehrt wurde.

Für Außenstehende und gerade auch für römische Amtsträger mußte ein derartiges Missionskerygma über den von Rom Gekreuzigten skandalös wirken. Dieser politisch verdächtige Ursprung, der zugleich immer einen Schein von Rechtswidrigkeit in sich trug, bestätigte sich für alle sichtbar in dem gemeinschaftsfeindlichen Verhalten der Christiani. Denn der vom Judentum übernommene Ausschließlichkeitsanspruch ihres Gottes, dessen „Königsherrschaft“ (βασιλεία) nahe bevorstehen sollte, zwang dieses neue, endzeitliche Gottesvolk zu einer Loslösung aus „dieser Welt“, zu einer bewußten gesellschaftlichen Selbstisolierung und andererseits als „Brüder und Schwester[n]“ zu einem engen Zusammenschluß in einem erlösungbringenden Geheimkult, der unweigerlich allerlei Anschuldigungen (flagitia) auf sich ziehen mußte.

Die Verweigerung der von jedermann erbrachten Reverenz vor den über das staatliche Wohl und Wehe entscheidenden Göttern der Stadtgemeinden und des römischen Staates, aber auch vor den Kaiserbildern mußte zudem Zweifel an ihrer politischen Loyalität wecken. Wenn darum schon Apostel wie Paulus oder Apologeten im 2. und 3. Jh. immer wieder trotz des andersartigen Welt- und Menschenverständnisses ihre „Staatstreue“ betonten, so war das zugleich ein Symptom dafür, daß die Umwelt die politische Glaubwürdigkeit der Christusanhänger in Frage stellte.

So gab es vielfache soziale Voraussetzungen einer generellen Kriminalisierung dieser zwielichtigen Minderheit.

Immer wieder wurde den Christiani vorgeworfen, sozialen Unfrieden und Aufruhr (στάσις) in die Städte zu tragen. Denn diese hatten die eigentliche Auseinandersetzung mit den Christusanhängern zu führen und konnten erproben, ob eine friedliche Koexistenz mit ihren Außenseitern zu finden war. Der römische Zentralstaat, in den Provinzen durch die Gouverneure vertreten, war in der Regel nur dann gefordert, wenn Reichsbewohner am Verhalten der Christiani Anstoß nahmen und sie anzeigten.

Die Straffälligkeit war individuell an die Person und ihr Verharren im Bekenntnis zu Christus, aber nicht an ein bestimmtes Verbrechen gebunden. – nullius criminis nomen exstat, nisi nominis crimen est. (1) Die Sanktion der Todesstrafe war jeweilig aber gleichsam so lange ausgesetzt, bis sich jemand als Ankläger in einem Strafprozeß fand. Erst in einem solchen Augenblick wurde der Christ zum straffälligen „Täter“, auch wenn er vorher sein ganzes Leben lang ungestört seinen Glauben in der christlichen Gemeinde praktiziert hatte. Selbst dann genügte ein formaler Kultakt vor dem Statthalter als Beleg für seine Apostasie, um das „Verbrechen“, d.h. seine frühere Mitgliedschaft, völlig auszulö-schen.

Christsein (nomen Christianum) war mithin ein mit keinem anderen vergleichbarer Straftatbestand und die alleinige Rechtsgrundlage für ein Kapitalurteil. Darum erübrigt es sich, eine andere juristische Begründung (z.B. im crimen maiestatis, sacrilegi, incesti o.a.) zu suchen.

(Friedrich Vittinghoff: „Christianus sum” – Das „Verbrechen“ von Außenseitern der römischen Gesellschaft; in: ders., Civitas Romana. Hrsg. v. Werner Eck. Stuttgart 1994, S. 345 f.)

(1) Tertullian, Ad nationes 1,3,2
 
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