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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Zwei Sokrates-Anekdoten (4771 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 24.04.2009 um 20:32 Uhr (Zitieren)
Und wenn mir jemand eine Pistole auf die Brust setzte, ich könnte nicht sagen, woher diese Anekdoten stammen; sie sind gespeichert in meiner Erinnerung:

1.
Der 80jährige Sophokles und der 70jährige Sokrates unterhalten sich, wobei Sophokles fragt: "Wie steht es damit, Sokrates, kannst du wohl noch einer Frau beiwohnen?" Ganz offensichtlich meint Sophokles das als eine sozusagen technische Frage; aber Sokrates wäre nicht Sokrates, wenn er diese Frage nicht anders auffaßte. Er antwortet:

2.
In Athen begegnet ein berühmter, aber auswärtiger Physiognom zum erstenmal in seinem Leben dem Sokrates. "Dieser Mensch ist eine Ausgeburt aller perversen Leidenschaften!" ruft er spontan beim Anblick des Philosophen aus. [Man kennt ja sein silenartiges Bild.] Sokrates hört diesen Ausruf und erwidert:

Was, liebe Freunde, schätzt Ihr, hat Sokrates in 1 und 2 geantwortet?
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Bibulus schrieb am 25.04.2009 um 00:25 Uhr (Zitieren)
Er antwortet:
zu 1. "Schreite Du zuerst zur Tat, Freund, ich mach es Dir nach..."
zu 2.."Die Nase des Mannes ist ein Abbild seines Ioh..."

@Graeculus, bzw. Γραικίσκος,
entschuldige bitte,
aber ich kann mich manchmal einer gewissen Art der
Kyniker nicht enthalten....
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Bibulus schrieb am 25.04.2009 um 00:28 Uhr (Zitieren)
φέρ' ὕδωρ φέρ' οἶνον, ὦ παῖ,
φέρε ἀνθεμόεντας ἡμὶν
στεφάνους ἔνεικον, ὡς δὴ
πρὸς Ἔρωτα πυκταλίζω.

wobei das hydor eigentlich weggelassen werde könnte...
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2009 um 10:13 Uhr (Zitieren)
Inzwischen ist mir wieder eingefallen, wo - wenn! - diese Anekdoten überliefert sind: bei Diogenes Laertios. Ich werde nachschauen.
Beide vermuteten Antworten von Bibulus sind grundfalsch. Es sind Bibulus-Antworten; Sokrates war von anderer Art.
(Immer daran denken, daß Sokrates das Leben als eine Krankheit ansah ...)
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Bibulus schrieb am 25.04.2009 um 17:23 Uhr (Zitieren)
Es sind Bibulus-Antworten;

:-))

(Camille Desmoulins und Philippeau treten ein.)

Hérault.
Philippeau, welch trübe Augen! Hast du dir ein Loch in die rote Mütze gerissen? Hat der heilige Jakob ein böses Gesicht gemacht? Hat es während des Guillotinierens geregnet? Oder hast du einen schlechten Platz bekommen und nichts sehen können?

Camille.
Du parodierst den Sokrates. Weißt du auch, was der Göttliche den Alcibiades fragte, als er ihn eines Tages finster und niedergeschlagen fand: »Hast du deinen Schild auf dem Schlachtfeld verloren? Bist du im Wettlauf oder im Schwertkampf besiegt worden? Hat ein andrer besser gesungen oder besser die Zither geschlagen?« Welche klassischen Republikaner! Nimm einmal unsere Guillotinenromantik dagegen!

Georg Büchner, Dantons Tod, Erster Akt, Erste Szene
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2009 um 17:45 Uhr (Zitieren)
So, jetzt muß ich mal, wie Arborius so schön sagte, Butter bei die Fische tun.
Meiner Erinnerung nach sagte Sokrates
ad 1.: "Schweig bloß still davon, mein Bester! Ich bin froh, diesem grausamen und willkürlichen Tyrannen entkommen zu sein!" [sc. dem Geschlechtstrieb]
ad 2.: "Ja, das stimmt. Aber ich habe sie alle besiegt!" - ein kühnes Wort! -

Die zweite Anekdote glaube ich bei Nietzsche in der "Götzendämmerung" gelesen zu haben.
Die Quelle sollte Diogenes Laertios sein; über den hat Nietzsche ja eine berühmte Arbeit geschrieben.
Den Diogenes Laertios habe ich nun vor mir liegen und werde mich an die Arbeit machen. Vielleicht finde ich nichts davon, aber ein paar andere hübsche Sokrates-Anekdoten.
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 25.04.2009 um 17:49 Uhr (Zitieren)
Ein junger Mann zum alten Dichter Sophokles:
Wie steht es doch, Sophokles, um die Liebeslust? Kannst du wohl noch einer Frau beiwohnen? Der sprach: Stille doch, lieber Mensch! Wie gern bin ich davon losgekommen, als käme ich von einem tollen und wilden Herrn los.
(Platon, Politeia, Buch I).......
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2009 um 17:51 Uhr (Zitieren)
Aha, so rum. Und ganz ohne Sokrates? Oder war er der junge Mann?
Ich werde die Πολιτεία in meine Suche einbeziehen.
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2009 um 18:04 Uhr (Zitieren)
In der Tat, Politeia 329b-d. Ein gewisser Kephalos erzählt Sokrates von dieser Äußerung des Sophokles, und er kommentiert sie: "Die Rede gefile mir schon damals sehr und auch jetzt noch nicht minder. Denn auf alle Weise hat man vor dergleichen im Alter große Ruhe und Freiheit. Und wenn die Begierden nun aufgehört haben zu treiben und nun nachlassen, so ist das auf alle Weise, wie es Sophokles ausdrückt: man wird gar vieler und toller Gebieter entledigt."
Das hat mein Gedächtnis in trügerischer Weise nun dem Sokrates unterstellt. Na ja, hätte auch gepaßt.
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Ευφροσύνη schrieb am 25.04.2009 um 18:16 Uhr (Zitieren)
Ihr könnt ja alle Latein:
Aulus Gellius, Noctes Atticae, I,17:

Quanta cum animi aequitate tolerauerit Socrates
uxoris ingenium intractabile; atque inibi quid M. Varro
in quadam satura de officio mariti scripserit.


[1] Xanthippe, Socratis philosophi uxor, morosa admodum fuisse fertur et iurgiosa irarumque et molestiarum muliebrium per diem perque noctem scatebat. [2] Has eius intemperies in maritum Alcibiades demiratus interrogauit Socraten, quaenam ratio esset, cur mulierem tam acerbam domo non exigeret. [3] 'Quoniam,' inquit Socrates 'cum illam domi talem perpetior, insuesco et exerceor, ut ceterorum quoque foris petulantiam et iniuriam facilius feram.'
[4] Secundum hanc sententiam <M.> quoque Varro in satura Menippea, quam de officio mariti scripsit: 'Vitium' inquit 'uxoris aut tollendum aut ferendum est. Qui tollit uitium, uxorem commodiorem praestat; qui fert, sese meliorem facit.' [5] Haec uerba Varronis 'tollere' et 'ferre' lepide quidem composita sunt, sed 'tollere' apparet dictum pro 'corrigere'. [6] Id etiam apparet eiusmodi uitium uxoris, si corrigi non possit, ferendum esse Varronem censuisse, quod ferri scilicet a uiro honeste potest; uitia enim flagitiis leuiora sunt.
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2009 um 18:26 Uhr (Zitieren)
'Quoniam,' inquit Socrates 'cum illam domi talem perpetior, insuesco et exerceor, ut ceterorum quoque foris petulantiam et iniuriam facilius feram.'

Das ist schön. Daran kann man sich halten.
Nicht ganz damit übereinstimmend, berichtet Diogenes Laertios, Sokrates habe auf die Frage, "ob man heiraten solle oder nicht", geantwortet: "ὅ ἂν αὐτὦν ποιήσῃς, μεταγνώσῃ."
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2009 um 18:32 Uhr (Zitieren)
Steht bei Diogenes Laertios II 33.
II 36:
"Zur Xanthippe sagte er, als sie erst sich in Schmähungen gegen ihn erging und ihn dann sogar mit schmutzigem Wasser übergoß: 'Sagte ich nicht, daß Xanthippe, wenn sie donnert, dann auch Regen bringt?'"
Da war ja die Sau vom Pflock in dieser Ehe ...
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2009 um 18:33 Uhr (Zitieren)
Ah, die Aulus-Gellius-Anekdote findet sich auch bei D.L.: II 37.
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Bibulus schrieb am 25.04.2009 um 18:45 Uhr (Zitieren)
der arme Sokrates...
mit einem Weib wie Xanthippe geschlagen zu sein,
bleibt Mann ja tatsächlich nur die Entwöhnung....

B-)
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2009 um 18:49 Uhr (Zitieren)
Die andere Geschichte habe tatsächlich von Nietzsche, Götzendämmerung, wo es einen Abschnitt "Das Problem des Sokrates" gibt. Dort heißt es: "War Sokrates ein typischer Verbrecher? - Zum mindesten widerspräche dem jenes berühmte Physiognomen-Urteil nicht, das den Freunden des Sokrates so anstößig klang. Ein Ausländer, der sich auf Gesichter verstand, sagte, als er durch Athen kam, dem Sokrates ins Gesicht, er sei ein monstrum, - er berge alle schlimmen Laster und Begierden in sich. Und Sokrates antwortete bloß: 'Sie kennen mich, mein Herr.'"

In perfider Weise läßt Nietzsche dieses Gift erstmal drei Seiten lang wirken, ehe er geruht zu schreiben, was Sokrates dann noch hinzugefügt hat: "Dies ist wahr, sagte er, aber ich wurde über alle Herr."

Eine Quelle gibt Nietzsche nicht an; und ich habe diese Anekdote bei Diogenes Laertios nicht gefunden. Hat N. sie erfunden?
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Γραικίσκος schrieb am 25.04.2009 um 21:33 Uhr (Zitieren)
[...] cum multa in conventu vitia conlegisset in eum Zopyros, qui se naturam cuiusque ex forma perspicere profitebatur, derisus est a ceteris, qui illa in Socrate vitia non agnoscerent, ab ipso autem Socrate sublevatus, cum illa sibi insita, sed ratione a se deiecta diceret.

Cicero, Tusculanae disputationes IV 80; vgl. De fato V 10
Ich habe nicht geahnt, daß Nietzsche dies von Cicero hat!
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2011 um 18:20 Uhr (Zitieren)
Sieh an, nicht nur ich wiederhole mich.

Manchmal stehen solche Anekdoten an entlegenen Stellen, wie z.B. die hier zitierte bei Cicero.
Aber Büchners Quelle haben wir schon damals nicht gefunden.
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
διψαλέος schrieb am 18.07.2011 um 18:35 Uhr (Zitieren)
Ach?
Das war schon einmal Thema?

ohoh...

Wie heißen diese Pillen zur Stärkung des Gedächtnisses?
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Γραικίσκος schrieb am 18.07.2011 um 18:38 Uhr (Zitieren)
Nach diesen Pillen habe ich einmal eine Psychiaterin gefragt: "Sind die gut?" - "Ja", erwiderte sie, "für die Hersteller."
Da müssen wir durch, διψαλέος!
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Γραικίσκος schrieb am 19.10.2019 um 14:18 Uhr (Zitieren)
So hat man sich früher hier unterhalten: anregend, die Kenntnisse erweiternd.

Bin ich heute wieder drauf gestoßen und verlege ich mal nach oben.
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Marcella schrieb am 20.10.2019 um 15:12 Uhr (Zitieren)
Danke dafür! Ich lese immer wieder gerne so etwas.
Cicero in Cato maior de senectute 47 gibt Sokrates´Antwort auf die obige Frage, ob er denn noch usw. ... so wieder: "Di melius!...Libenter vero istinc sicut ab domino agresti ac furioso profugi." Gott bewahre! ich bin doch gerne wie vor einem barbarischen und rasenden Herrn davor entflohen."
Re: Zwei Sokrates-Anekdoten
Γραικίσκος schrieb am 20.10.2019 um 16:39 Uhr (Zitieren)
"Di melius!" oder "Di meliora!": "Die Götter [mögen mir] Besseres [geben]!"
Ein schöner Ausdruck.
Wir sagen, wie Du schon schreibst: "Gott bewahre [mich davor]!"
 
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