α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ ς σ τ υ φ χ ψ ω Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ C Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω Ἷ Schließen Bewegen ?
Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Der kleine Bruder des Ostrakismos (333 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 29.12.2021 um 14:28 Uhr (Zitieren)
Die überaus orginelle Erfindung der Athener, einmal im Jahr die Möglichkeit zu institutionalisieren, einen des Strebens nach der Alleinherrschaft Verdächtigen ins Exil zu schicken, hat anscheinend nicht viele Nachahmer in den griechischen Poleis gefunden. Einen Fall aber doch: der πεταλίσμός in Syrakus.
Dort wurden die Namen der Kandidaten allerdings nicht auf eine Tonscherbe, sondern auf das Blatt eines Olivenbaums (πέταλον) geschrieben.

(Diodorus Siculus XI 87)
Re: Der kleine Bruder des Ostrakismos
Γραικύλος schrieb am 29.12.2021 um 15:02 Uhr (Zitieren)
πεταλίσμός --> πεταλισμός
Re: Der kleine Bruder des Ostrakismos
Γραικύλος schrieb am 29.12.2021 um 15:20 Uhr (Zitieren)
Diodorus Siculus XI 86 f.:
86. [...] Vorgänge dieser Art wiederholten sich, und immer neue Männer erstrebten eine Gewaltherrschaft, so daß schließlich das Volk [sc. von Syrakus] dazu kam, das Vorbild der Athener nachzuahmen und ein Gesetz ganz ähnlich dem dortigen über das Scherbengericht (1) zu erlassen.

87. Bei den Athenern war nämlich jeder Bürger verpflichtet, den Namen des Mannes auf eine Scherbe [ὅστρακον] zu schreiben, der am ehesten imstande schien, sich zum Tyrannen über seine Mitbürger aufzuschwingen. Bei den Syrakusanern hingegen war der Name des einflußreichsten Bürgers auf ein Olivenblatt [πέταλον] zu schreiben, und nach Auszählung der Blätter mußte derjenige, auf den die meisten Blätter gefallen waren, auf fünf Jahre in die Verbannung gehen.

Denn auf diese Weise glaubten sie, das hochmütige Streben der in den beiden Städten einflußreichsten Männer demütigen zu können; allgemein gesagt, sie wollten nicht von Gesetzesbrechern Strafe für eine begangene Untat fordern, sie gingen vielmehr davon aus, Einfluß und wachsende Macht der betreffenden Männer zu mindern. Die Athener bezeichneten diese Art von Gesetzgebung vom Vorgang her Ostrakismos [ὀστρακισμός], während die Syrakusaner von Petalismos [πεταλισμός] sprachen.

Bei den Athenern hatte dieses Gesetz lange Zeit Bestand, bei den Syrakusanern jedoch wurde es schon bald wieder, und zwar aus folgenden Gründen außer Geltung gesetzt:

Nachdem man die einflußreichsten Männer in die Verbannung geschickt hatte, zogen sich die achtbarsten Bürger, die dank ihrer Tüchtigkeit viele Verbesserungen im Staatsleben hätten durchführen können, vom öffentlichen Wirken zurück und versuchten aus Furcht vor dem Gesetz ihre ganze Zeit als Privatleute. Indem sie sich aber nur mehr um ihr eigenes Vermögen kümmerten, verfielen sie dem Wohlleben, während sich [sic!] die schlechtesten Bürger, die sich durch ihren Frevelsinn hervortaten, die Staatsgeschäfte betrieben und die Menge zu Unruhe und Umsturz aufstachelten.

So kam es erneut zu Parteienzwist und ergingen sich die Massen in Streitigkeiten und geriet die Stadt wiederum in dauernde, schwere Unruhen; kamen jedoch die vielen Volksverführer und Verhetzer obenauf, und übten sich die jungen Leute im Wortgefecht. Kurz gesagt, viele vertauschten die alte und redliche Lebensweise gegen üble Tätigkeiten. So kam es, daß sich wegen des Friedens der Wohlstand zwar hob, sich um Eintracht und rechtliches Handeln aber die Leute nur wenig kümmerten.

Die Syrakusaner änderten daher ihre Haltung zum Gesetz über den Petalismos und hoben es auf, nachdem sie sich nur eine kurze Zeitspanne seiner bedient hatten.

(Diodoros: Griechische Weltgeschichte. Übersetzt von Otto Veh, herausgegeben von Wolfgang Will. 10 Bände. Stuttgart 1992-2008; Bd. 3, S. 94 f.)

(1) Dieses Gesetz wurde anscheinend in Athen 501/500 v.u.Z. erlassen, aber erst 487 erstmals gegen Hipparchos aus der Familie der Peisistratiden angewendet.
 
Antwort
Titel:
Name:
E-Mail:
Eintrag:
Spamschutz - klicken Sie auf folgendes Bild: Regenbogen

Aktivieren Sie JavaScript, falls Sie kein Bild auswählen können.