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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Sokrates über Perikles (312 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 20.01.2022 um 16:24 Uhr (Zitieren)
Platon, Gorgias 515b - 516d:
Sokrates: Keineswegs aus Rechthaberei frage ich, sondern in Wahrheit um zu erfahren, wie du denn meinst, daß der Staat bei uns müsse verwaltet werden; ob du wohl auf etwas anderes deine Sorgfalt zu wenden gedenkst, nun du dich der öffentlichen Angelegenheiten [ἐπὶ τὰ τῆς πόλεως πράγματα] annimmst, als darauf, daß wir Bürger immer besser werden? Oder haben wir nicht schon oft eingestanden, daß dies der Staatsmann bewirken müsse? Haben wir es eingestanden oder nicht? Antworte! Wir haben es eingestanden, will ich für dich antworten. Wenn also dies der rechtliche Mann seiner Stadt muß zu bewirken suchen, so besinne dich und sage mir noch einmal deine Meinung von jenen Männern, die du vorhin anführtest (1), ob du noch glaubst, daß sie gute Staatsmänner [ἀγαθοὶ πολῖται] gewesen sind, Perikles und Kimon und Miltiades und Themistokles.

Kallikles: Ich glaube es doch.

Sokrates: Waren sie also gute Staatsmänner, so hat doch offenbar jeder die Bürger zu besseren gemacht aus schlechteren. Haben sie das getan oder nicht?

Kallikles: Vielleicht.

Sokrates: Nicht doch vielleicht, Bester [ὦ βέλτιστε], sondern es folgt notwendig aus dem Eingestandenen, wenn anders jener ein guter Staatsmann war.

Kallikles: Und was weiter?

Sokrates: Nur dies sage mir noch, ob man wirklich der Meinung ist, die Athener wären durch Perikles besser geworden, oder umgekehrt, sie wären verderbt worden durch ihn. Denn dazu, höre ich [ἀκούω] wenigstens immer, habe Perikles die Athener gemacht, zu einem faulen, feigen, geschwätzigen, geldgierigen Volk, indem er sie zuerst zu Söldlingen (2) erniedriget.

Kallikles: Das hörst du von denen mit den eingeschlagenen Ohren [Τῶν τὰ ὦτα κατεαγότων ἀκούεις ταῦτα] (3), o Sokrates.

Sokrates: Aber dies doch höre ich nicht nur, sondern wir wissen es beide genau, ich und du, daß Perikles zuerst zwar in gutem Ruf stand und die Athener keine schimpfliche Klage gegen ihn erhoben, als sie noch schlechter waren, nachdem sie aber durch ihn gut und edel geworden, gegen das Ende seines Lebens, haben sie auf Unterschleif gegen ihn erkannt und hätten ihn beinahe zum Tode verurteilt, offenbar doch als einen gefährlichen Mann. (4)

Kallikles: Nun? War etwa deshalb Perikles schlecht?

Sokrates: Wenigstens ein solcher Aufseher über Esel, Pferde und Rinder würde für schlecht gehalten werden, der sie keineswegs so übernommen, daß sie schlugen, stießen und bissen, sie aber so hätte verwildern lassen, daß sie nun dies alles tun. Oder dünkt dich nicht jeder solcher ein schlechter Aufseher über jede Art von Tieren, der sie zahmer bekommt und sie wilder macht als er sie bekommen hat? Dünkt es dich nicht?

Kallikles: Ja doch, damit ich dir nur den Willen tue.

Sokrates: So tue mir auch noch den Willen, mir dies zu beantworten, ob der Mensch auch zu den Tieren gehört oder nicht.

Kallikles: Wie sollte er nicht?

Sokrates: Und Menschen regierte Perikles?

Kallikles: Ja.

Sokrates: Wie also? Sollten sie nicht nach dem eben Festgesetzten gerechter unter ihm geworden sein aus Ungerechten, wenn er sie doch als ein rechter Staatsmann regierte?

Kallikles: Freilich.

Sokrates: Nun sind aber die Gerechten zahm, wie Homeros sagt. (5) Was sagst du aber? Nicht eben das?

Kallikles: Ja.

Sokrates: Und doch hat er sie wilder gemacht als er sie vorgefunden hatte, und zwar gegen sich selbst, was er doch am wenigsten wollte.

Kallikles: Willst du, daß ich dir Recht gebe?

Sokrates: Wenn es dich dünkt, daß ich Recht habe.

Kallikles: So sei denn dieses so!

Sokrates: Wenn also wilder, dann auch ungerechter und schlechter?

Kallikles: Es sei.

Sokrates: Also war Perikles kein guter Staatsmann nach dieser Rede.

Kallikles: Nein, behauptest du freilich.

Sokrates: Beim Zeus, auch du, nach dem, was du mir zugegeben hast. [...]

(1) 503c
(2) Anspielung auf den Sold von zwei, später drei Obolen für die zahlreichen Volksrichter, den Perikles einführte
(3) Schimpfname für die spartafreundlichen Oligarchen
(4) Im Herbst 430 v.u.Z. wurde Perikles (vorübergehend) seines Amtes enthoben und zu einer hohen Geldstrafe verurteilt (Thukydides II 65).
(5) Odyssee VI 120 u.ö.
 
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