Kurz nach dem Auftauchen der Beulenpest brachen die Kulturen in der Steppe zusammen, allen voran die der Srubna. Viel spricht dafür, dass das Beulenpestbakterium in den folgenden Jahrhunderten über den Steppenhighway seinen Weg auch in andere Teile des eurasischen Kontinents fand – es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis weitere Belege dafür in alten Knochen aufgespürt werden. Vor allem für eine Ausbreitung nach Westen gibt es deutliche Indizien, nicht zuletzt in den damaligen Machtzentren des Nahen Ostens.

Zu der Zeit nämlich, in der in Zentralasien offenbar die erste Beulenpestseuche ausbrach, bestanden an Euphrat und Tigris das Assyrische Reich, bis zum Libanon das Neue Reich der Ägypter, in Anatolien herrschten die Hethiter und an der Ägäis Mykener und Minoer. Doch vor 3300 Jahren kehrte hier Unruhe, ja Panik ein, jedenfalls lesen sich so viele der zeitgenössischen Schriften. In denen war immer wieder von Feinden die Rede, die über das Meer kamen – und die heute in der Archäologie als „Seevölker“ bezeichnet werden.

Vor 3200 Jahren brach dann das Reich der Hethiter zusammen, und wie in einer Welle des Niedergangs kollabierten in den folgenden Jahrzehnten auch die Nachbarreiche – in den Schriften aus der Zeit wurde dabei auch von einer „Hethiterpest“ berichtet. Ähnlich wie in der Zeit der Steppeneinwanderung nach Europa verfiel auch im Nahen Osten alles, für etwa eineinhalb Jahrhunderte gibt es so gut wie keine Geschichtsschreibung, keine Dokumente, nur zerfallene Städte und Staaten.

2019 untermauerten DNA-Analysen aus dem Libanon und Israel die zeitgenössische Darstellung der einfallenden Seevölker und bestärkten den Verdacht, dass dies mit einer Pestpandemie einhergegangen sein könnte: Demnach gab es nach der Ankunft der Seevölker dort einen deutlichen Umbruch in der Bevölkerung. So zeigten die Menschen, die nach dem Auftauchen dort lebten, eine neue genetische Komponente, die es in der Levante vorher nicht gegeben hatte – sie stammte aus dem südlichen Europa. Möglicherweise war es auch hier die Pest, die die alteingesessene Bevölkerung dezimierte und den Weg bereitete für eine neue Besiedlung.

(Johannes Krause / Thomas Trappe: Hybris. Die Reise der Menschheit zwischen Aufbruch und Scheitern. Berlin ⁴2021, S. 260-263)

Vorsichtige Einwände:
1. Von einer "Hethiterpest" habe ich noch nichts gelesen, auch nicht in Büchern zu diesem Dunklen Zeitalter. Einen entsprechenden Eintrag bei Wikipedia gibt es nicht.
2. Von den "Seevölkern" spricht meines Wissens nicht eine Fülle von Texten der damaligen Zeit, sondern nur eine einzige Inschrift aus der Zeit Ramses' III.
3. Seevölker sind mit Steppenvölkern schwer in Einklang zu bringen.