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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Athener erobern Lemnos (284 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 31.01.2022 um 15:15 Uhr (Zitieren)
Herodot VI 137-140:
137. Miltiades, Kimons Sohn, hatte Lemnos auf folgende Weise erobert: Als die Pelasger von den Athenern aus Attika vertrieben waren – sei es zu recht oder unrecht; ich weiß es nicht und kann nur erzählen, was man darüber berichtet. Hekataios, der Sohn des Hegesandros (1), spricht in seinem Geschichtswerk von Unrecht -, und als die Athener später das Land wiedersahen, das am Fuße des Hymettos lag und das sie ihnen zum Bewohnen gegeben hatten als Lohn für die Mauer, die diese einst um die Akropolis gezogen hatten, als die Athener also das früher schlechte und wertlose Land jetzt wohlbestellt vorfanden, da packte sie Neid und Verlangen nach dem Gebiet [λαβεῖν φθόνον τε καί ἵμερον τῆς γῆς]. Und so vertrieben die Athener sie, ohne irgendeinen anderen Vorwand vorzubringen.

Die Athener selbst dagegen behaupteten, die Vertreibung sei rechtmäßig gewesen; denn die am Fuße des Hymettos wohnenden Pelasger hätten, von diesem Stützpunkt ausgehend, sie beleidigt. Die Töchter der Athener und ihre Kinder gingen immer nach dem Wasser zu der Quelle Enneakrunos. Damals hatten ja die Athener und die anderen Griechen noch kein Dienstpersonal [οἰκέτας]. Immer aber, wenn sie an die Quelle kamen, taten ihnen die Pelasger aus Übermut und Geringschätzung [ὑπὸ ὕβριός τε καὶ ὀλιγωρίης] Gewalt an. Und das war ihnen noch nicht genug. Schließlich faßten sie sogar den Plan, Athen anzugreifen. Dabei seien sie auf frischer Tat ertappt worden.

Da zeigten sich die Athener doch viel edelmütiger als die Pelasger, indem sie diese auf Hinterlist ertappten Leute nicht töten wollten, was sie recht gut hätten tun können, sondern nur öffentlich des Landes verwiesen. Die vertriebenen Pelasger siedelten sich unter anderem auch auf Lemnos an. Jenes ist die Darstellung des Hekataios, dies der Bericht der Athener.

138. Diese in Lemnos wohnenden Pelasger wollten damals an den Athenern Rache nehmen. Da sie deren Feste genau kannten, erwarben sie Fünfzigruderer und lauerten den athenischen Frauen auf, während sie der Artemis in Brauron ein Fest feierten. Sie raubten viele von ihnen, segelten mit ihnen davon, brachten sie nach Lemnos und behielten sie als Kebsweiber.
Als diese Frauen aber nach und nach Kinder gebaren, unterwiesen sie diese in der attischen Sprache und in den athenischen Sitten. Die Knaben lehnten den Umgang mit den Söhnen der pelasgischen Frauen ab. Wenn ein pelasgischer Knabe einen von ihnen schlug, kamen sie immer einander zu Beistand und Hilfe. Die Kinder wollten auch über die pelasgischen Knaben gebieten und waren ihnen weit überlegen.

Als die Pelasger dies merkten, hielten sie untereinander Rat. Bei dieser Aussprache fragten sie sich mit Besorgnis, was die Knaben tun würden, wenn sie erst Männer geworden seien, da sie sich jetzt schon von den anderen absonderten, einander gegen die Kinder der Ehefrauen beistünden und sie zu beherrschen suchten. So beschlossen sie also, die Söhne der attischen Frauen zu töten, und führten ihren Beschluß aus; ja, sie töteten zugleich auch deren Mütter.

Wegen der Untat und wegen jenes in früherer Zeit verübten Mordes an Thoas (2) und seinen Gefährten, nennt man in Griechenland jedes grausame Vorgehen eine „lemnische Tat“ [τὰ σχέτλια ἔργα πάντα Λήμνια καλέεσθαι].

139. Als die Pelasger ihre Söhne und Frauen umgebracht hatten, trug ihnen die Erde keine Frucht mehr. Auch ihre Frauen und ihre Herden waren nicht mehr so fruchtbar wie früher. Von Hunger und Kinderlosigkeit bedrängt, schickten sie Boten nach Delphi, um irgendeine Erlösung von ihrem gegenwärtigen Unglück zu erlangen.
Die Pythia befahl ihnen, den Athenern die Buße zu leisten, die diese selbst ihnen auferlegen würden. So reisten also die Pelasger nach Athen und boten den Athenern Buße an für alle Frevel.

Die Athener aber stellten im Rathaus [ἐν τῷ πρυτανηίῳ] das schönste Ruhelager auf, das sie besaßen, setzten einen Tisch voll der herrlichsten Speisen daneben und forderten von den Pelasgern, ihnen ihr Land in solchem Zustand abzutreten. Da erwiderten die Pelasger: „Wenn bei Nordwind ein Schiff aus eurem Land in einem Tag bis zu unserer Heimat fährt, dann werden wir euch unser Gebiet abtreten.“ Sie wußten, daß das unmöglich war; denn Attika liegt viel weiter südlich als Lemnos.

140. Dabei blieb es damals. Aber viele Jahre später, als die Chersones am Hellespont in die Hand der Athener geraten war, segelte Miltiades, der Sohn des Kimon, zur Zeit der Etesien (3) von Elaius auf der Chersones nach Lemnos und forderte öffentlich von den Pelasgern die Räumung der Insel. Er erinnerte sie an die Weissagung, von der die Pelasger niemals geglaubt hätten, daß sie ihnen in Erfüllung gehen werde.

Die Stadt Hephaistia gehorchte jetzt; aber die Stadt Myrina wollte nicht zugeben, daß die Chersones attisch sei. Sie wurde belagert, bis auch sie sich ergab. So kam Lemnos in den Besitz der Athener und des Miltiades.

[i](Herodot: Historien. In zwei Bänden griechisch-deutsch herausgegeben von Josef Feix. München 21977; Bd. 2, S. 860-865]
(1) Einer der ältesten griechischen Historiker
(2) mythischer Herrscher auf Lemnos, Sohn des Dionysos und der Ariadne
(3) jährlich von Mitte Juli an für etwa 40 Tage wehende, kühle und starke Winde aus den Norden
Re: Die Athener erobern Lemnos
Marcella schrieb am 31.01.2022 um 16:58 Uhr (Zitieren)
Da versteht man, dass Herodot als Vater der Geschichtsschreibung gilt. Im ersten Teil bietet er eine ausgewogene Darstellung der jeweiligen Narrative, was einen skeptisch werden lässt über den Ursprung und die Botschaft der Anekdoten im zweiten Teil. Das ist gut.

Diese Version des hier schon einmal berichteten "Lemnium facinus" allerdings kannte ich noch nicht.
 
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