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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Symposion - Hegel über die Liebe (954 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 19.01.2010 um 21:52 Uhr (Zitieren)
Wenn in der Ehre die persönliche Subjektivität, wie sie sich in ihrer absoluten Selbständigkeit vorstellt, die Grundbestimmung ausmacht, so ist in der Liebe vielmehr das Höchste die Hingebung des Subjekts an ein Individuum des andern Geschlechts, das Aufgeben seines selbständigen Bewußtseins und seines vereinzelten Fürsichseins, das erst im Bewußtsein des anderen sein eigenes Wissen von sich zu haben sich gedrungen fühlt. In dieser Beziehung sind sich Liebe und Ehre entgegengesetzt. Umgekehrt aber können wir die Liebe auch als die Realisation dessen ansehen, was schon in der Ehre liegt, insofern es das Bedürfnis der Ehre ist, sich anerkannt, die Unendlichkeit der Person aufgenommen zu sehen in einer anderen Person. Diese Anerkennung ist erst wahrhaft und total, wenn nicht nur meine Persönlichkeit in abstracto oder in einem konkreten vereinzelten und dadurch beschränkten Fall von anderen respektiert wird, sondern wenn ich meiner ganzen Subjektivität nach, mit allem, was dieselbe ist und in sich enthält, als dieses Individuum, wie es war und ist und sein wird, das Bewußtsein eines anderen durchdringe, sein eigentliches Wollen und Wissen, sein Streben und Besitzen ausmache. Dann lebt dies Andere nur in mir, wie ich mir nur in ihm da bin; beide sind in dieser erfüllten Einheit erst für sich selber und legen in diese Identität ihre ganze Seele und Welt hinein. In dieser Rücksicht ist es dieselbe innerliche Unendlichkeit des Subjekts, welche der Liebe die Wichtigkeit für die romantische Kunst gibt, eine Wichtigkeit, die durch den höheren Reichtum, den der Begriff der Liebe mit sich führt, noch gesteigert wird.
Näher nun beruht die Liebe nicht, wie es oft bei der Ehre der Fall sein kann, auf den Reflexionen und der Kasuistik des Verstandes, sondern findet in der Empfindung ihren Ursprung und hat, da die Geschlechtsdifferenz hineinspielt, zugleich die Grundlage von vergeistigten Naturverhältnissen. Wesentlich wird sie jedoch hier nur dadurch, daß das Subjekt seinem Inneren, seiner Unendlichkeit-in-sich nach in dies Verhältnis aufgeht. Dies Verlorensein seines Bewußtseins in dem anderen, dieser Schein von Uneigennützigkeit und Selbstlosigkeit, durch welchen sich das Subjekt erst wiederfindet und zum Selbst wird, diese Vergessenheit seiner, so daß der Liebende nicht für sich existiert, nicht für sich lebt und besorgt ist, sondern die Wurzeln seines Daseins in einem anderen findet und doch in diesem anderen gerade ganz sich selbst genießt, macht die Unendlichkeit der Liebe aus; und das Schöne ist vornehmlich darin zu suchen, daß dies Gefühl nicht nur Trieb und Gefühl bleibt, sondern daß die Phantasie sich ihre Welt zu diesem Verhältnis ausbildet, alles andere, was sonst an Interessen, Umständen, Zwecken zum wirklichen Sein und Leben gehört, zu einem Schmucke dieses Gefühls erhebt, alles in diesen Kreis reißt und nur in dieser Beziehung ihm einen Wert zuteilt. [...]


[Quelle: G. W. F. Hegel, Werke in zwanzig Bänden. Herausgegeben von Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Frankfurt/Main 1970; Band 14, S. 182 f.: Vorlesungen über die Ästhetik - Der Begriff der Liebe]
Re: Symposion - Hegel über die Liebe
ανδρέας schrieb am 19.01.2010 um 22:23 Uhr (Zitieren)
>>> Näher nun beruht die Liebe nicht, wie es oft bei der Ehre der Fall sein kann, auf den Reflexionen und der Kasuistik des Verstandes, sondern findet in der Empfindung ihren Ursprung und hat, da die Geschlechtsdifferenz hineinspielt, zugleich die Grundlage von vergeistigten Naturverhältnissen. <<<

Habe den Satz meiner Frau vorgelesen.

Sie hat gesagt, ich solle das nicht weiter lesen - darunter leide die Liebe ...

... und daher werde ich ihr gehorchen!
Re: Symposion - Hegel über die Liebe
Γραικίσκος schrieb am 19.01.2010 um 22:36 Uhr (Zitieren)
Empfindung: als Grundlage
Natur (z.B. Sexualität) und Geist

Warum sollte unter dieser Einsicht die Liebe leiden?
Es kann uns höchstens warnen, die Liebe nicht auf Empfindung und Naturverhältnisse zu beschränken.
In meinem Bekanntenkreis hat sich jetzt eine Frau von einem Mann getrennt, weil der zwar physisch attraktiv ist, sie aber keinerlei Gespräch mit ihm führen kann.
Wie hegelianisch!
Re: Symposion - Hegel über die Liebe
ανδρέας schrieb am 19.01.2010 um 22:48 Uhr (Zitieren)

Ja, Gespräche sind sehr sehr wichtig. Ich fürchte nur, dass so subjektive Empfindungen durch Hegels hochgestochene Sprache ein Paargespräch eher nicht bereichern. Das ist etwa so erotisch oder überhaupt verbindend wie Integralrechnung ...

Da sind Gedichte besser ...
Re: Symposion - Hegel über die Liebe
Γραικίσκος schrieb am 20.01.2010 um 09:41 Uhr (Zitieren)
Hegel ist kein sehr poetischer Philosoph, wirklich nicht; aber poetischer als hier ist er nie:
Dies Verlorensein seines Bewußtseins in dem anderen, dieser Schein von Uneigennützigkeit und Selbstlosigkeit, durch welchen sich das Subjekt erst wiederfindet und zum Selbst wird, diese Vergessenheit seiner, so daß der Liebende nicht für sich existiert, nicht für sich lebt und besorgt ist, sondern die Wurzeln seines Daseins in einem anderen findet und doch in diesem anderen gerade ganz sich selbst genießt, macht die Unendlichkeit der Liebe aus; [...]

Man muß sich an seinen Stil vermutlich gewöhnen; aber ich meine, diese Passage hat ihre Tiefe und ihre Schönheit.
Re: Symposion - Hegel über die Liebe
ανδρέας schrieb am 20.01.2010 um 22:41 Uhr (Zitieren)

Diese Passage ist schön formuliert und hat einiges für sich!

Die obige dagegen eher abschreckend-wissenschaftlich. Wissenschaftler könnten es wohl auch als hormonelle Störung definieren. Aber Definitionen sind ja nicht richtig oder falsch, nur zweckmäßig oder unzweckmäßig.

Wenn es eine Störung ist, bin ich gern gestört.

Re: Symposion - Hegel über die Liebe
Ὑληβάτης schrieb am 01.03.2010 um 21:37 Uhr (Zitieren)
Meine Lieblingsstelle:
so ist in der Liebe vielmehr das Höchste die Hingebung des Subjekts an ein Individuum [...], das Aufgeben seines selbständigen Bewußtseins und seines vereinzelten Fürsichseins, das erst im Bewußtsein des anderen sein eigenes Wissen von sich zu haben sich gedrungen fühlt.
Ob ichs verstehe? Sicher nicht. Aber es reizt mein Empfinden.
 
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