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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Aristoteles über die Lebensalter #1 (310 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 21.06.2022 um 00:00 Uhr (Zitieren)
Aristoteles, Rhetorik 2. Buch Kap. 12-14 (1389a – 1390b):
12. [...] Die Jungen also sind dem Charakter nach auf das Begehren ausgerichtet, und sie befinden sich in einem solchen Zustand, dass sie das machen, was auch immer sie begehren. Und von den körperlichen Begierden leisten sie am meisten dem Geschlechtstrieb Folge und sind darin unbeherrscht. Hinsichtlich der Begierden sind sie unbeständig und einer Sache schnell überdrüssig; sie haben ein starkes Begehren, jedoch ist es auch schnell wieder vorbei; ihre Wünsche sind nämlich heftig, aber gehen nicht tief, wie die Durst- und Hungererfahrungen der Kranken. Sie sind ungestüm und jähzornig und befinden sich in einem solchen Zustand, dass sie dem Zorn Folge leisten. Auch erliegen sie ihrer Wut; wegen des Ehrgeizes nämlich halten sie es nicht aus, herabsetzend behandelt zu werden, sondern sind unwillig, wenn sie meinen, dass ihnen Unrecht geschehen ist.

Auch sind sie ehrgeizig, und mehr noch sind sie auf Sieg aus; denn die Jugend begehrt Überlegenheit, der Sieg aber ist eine Art von Überlegenheit. Und dies beides sind sie mehr, als dass sie geldgierig wären; geldgierig nämlich sind sie am wenigsten, weil sie noch gar keine Erfahrung mit dem Mangel gemacht haben, wie es der an Amphiaraos gerichtete Sinnspruch des Pittakos zum Inhalt hat (1).

Auch sind sie nicht übelgesinnt, sondern gutmütig, weil sie noch nicht viele Niederträchtigkeiten beobachtet haben. Auch sind sie leichtgläubig, weil sie noch nicht in Vielem getäuscht worden sind. Auch sind sie voller Hoffnung, wie nämlich die Weinseligen, so sind auch die Jungen infolge ihrer Natur erhitzt; zugleich aber ist es, weil sie noch nicht in vielen Dingen enttäuscht worden sind. Auch leben sie die meiste Zeit im Zustand der Hoffnung; denn Hoffnung bezieht sich auf das Künftige, die Erinnerung aber auf das Vergangene; die die Jungen aber ist das Künftige viel, das Vergangene aber kurz; denn am Anfang des Lebens befindet man sich in dem Zustand, sich an nichts zu erinnern, dafür alles zu erhoffen. Auch sind sie leicht zu täuschen aus dem besagten Grund; sie werden nämlich leicht hoffnungsvoll.

Auch sind sie tapferer (als die älteren); denn sie sind leidenschaftlich und voller Hoffnung, wovon das erste bewirkt, dass man sich nicht fürchtet, und das zweite, dass man zuversichtlich ist; denn zum einen fürchtet sich keiner, der zürnt, zum anderen macht die Hoffnung auf etwas Gutes zuversichtlich. Auch neigen sie zur Scham, weil sie noch keine anderen schönen Dinge kennen gelernt haben, sondern allein vom Brauch erzogen worden sind. Auch sind sie großgesinnt, denn sie sind noch nicht vom Leben erniedrigt worden, sondern sind in den Notwendigkeiten unerfahren, und wenn man sich selbst bedeutender Dinge für würdig hält, das ist Großgesinntheit; dies wiederum ist ein Zeichen dessen, der voller Hoffnung ist. Auch wählen sie eher, das Schöne zu tun als das Nützliche; denn sie leben eher durch den Antrieb des Charakters als durch die Überlegung, es richtet sich aber die Überlegung auf das Nützliche, die Tugend aber auf das Schöne.

Auch lieben sie die Freunde und Gefährten [φιλόφιλοι καὶ φιλέταιροι] mehr als es die Angehörigen der anderen Altersgruppen tun, weil sie Freude am Zusammenleben haben und noch nichts mit Blick auf das Nützliche beurteilen, so dass sie auch nicht die Freunde (so beurteilen). Auch begehen sie alle Fehler aufgrund des Zu-viel oder des Zu-sehr entgegen dem Rat des Cheilon (2); alles nämlich tun sie zu sehr; sie lieben nämlich zu sehr, hassen zu sehr und in allem Übrigen ebenso. Auch meinen sie, alles zu wissen[,] und versteifen sich darauf; dies nämlich ist auch der Grund dafür, dass sie alles zu sehr tun. Auch das Unrecht, das sie begehen, begehen sie aus Übermut [ὕβρις], nicht aus Bosheit [κακουργία]. Auch sind sie zum Mitleid geneigt [ἐλεητικοί], weil sie alle für tugendhaft und für besser halten (als sie es sind); sie messen nämlich die Nächsten an ihrer eigenen Arglosigkeit, so dass sie meinen, die anderen würden unverdientermaßen leiden. Auch sind sie zum Lachen geneigt, deswegen sind sie auch humorvoll [εὐτράπελοι]; der Humor nämlich ist gebildeter Übermut [πεπαιδευμένη ὕβρις]. Von dieser Art also ist der Charakter der Jungen.

(Aristoteles: Werke, Band 4: Rhetorik. Hrsg. v. Christof Rapp. Erster Halbband. Darmstadt 2002, S.98-101)

(1) Es ist unbekannt, worauf sich dieser Hinweis bezieht; auch könnte εἰς Ἀμφιάραον mit „gegen Amphiaraos gerichtet“ übersetzt werden. Pittakos war um 600 v.u.Z. Herrscher von Mytilene.
(2) μηδὲν ἄγαν (vgl. Diogenes Laertios I 41)
 
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