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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Graecorum iste morbus (377 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 04.07.2022 um 17:51 Uhr (Zitieren)
Seneca d. J., De brevitate vitae XIII 2-5:
[...]
Das ist eine Krankheit der Griechen gewesen [Graecorum iste morbus fuit], zu fragen, welche Zahl von Ruderern Odysseus gehabt habe, ob zuerst die Ilias geschrieben worden sei oder die Odyssee, außerdem, ob sie von demselben Verfasser stamme, anderes ferner dieser Art – behältst du es bei dir, hilft es überhaupt nicht deinem stummen Bewußtsein, bringst du es in die Öffentlichkeit, wirkst du nicht gelehrter, sondern lästiger [quae siue contineas nihil tacitam conscientiam iuuant, siue proferas non doctior uidearis sed molestior].

Sieh, auch die Römer hat befallen der eitle Wunsch, Überflüssiges zu lernen; in diesen Tagen habe ich gehört, wie jemand vortrug, was ein jeder römischer Heerführer als erster getan habe: als erster hat in einer Seeschlacht Duilius (1) gesiegt, als erster hat Curius Dentatus in einem Triumphzug Elefanten mitgeführt (2). Auch diese Dinge, wenn sie auch nicht zum wahren Ruhm streben, beschäftigen sich dennoch mit Beispielen von den Mühen unserer Mitbürger.

Auch diese Frage wollen wir den Menschen zugestehen, wer den Römern als erster eingeredet hat, ein Schiff zu besteigen (Claudius ist es gewesen (3), Caudex deswegen genannt, weil ein Gefüge von mehreren Brettern bei den Alten caudex heißt, woher die öffentlichen Gesetzestafeln als codices bezeichnet werden und die Schiffe auch jetzt noch nach alter Gewohnheit, welche die Versorgung den Tiber aufwärts schaffen, codicariae heißen);

durchaus mag auch das zum Thema gehören, daß Valerius Corvinus (4) als erster Messana besiegt hat und als erster aus der Familie der Valerier, indem der eigenommenen Stadt Name auf ihn übertragen wurde, Messana genannt wurde und allmählich, weil die Masse die Buchstaben vertauschte, Messala hieß [...].

(L. Annaeus Seneca: Philosophische Schriften. Herausgegeben und übersetzt von Manfred Rosenbach. Zweiter Band: Dialoge VII-XII. Darmstadt 1971, S. 212-215)

(1) Konsul des Jahres 260 v.u.Z.; bei Mylae hat er einen großen Seesieg gegen die karthagische Flotte errungen.
(2) 275 v.u.Z. bei seinem Triumph über Pyrrhos
(3) Appius Claudius Caudex, Konsul des Jahres 264 v.u.Z.
(4) Marcus Valerius Maximus Messalla, Konsul des Jahres 263 v.u.Z.

Re: Graecorum iste morbus
Marcella schrieb am 08.07.2022 um 14:52 Uhr (Zitieren)
Der Eingangssatz gefällt mir besonders. Die lästige Überakribie ist auch heute Philologenkrankheit. Ohne einen immensen Fußnotenapparat darf man sich in Deutschland gar nicht an die Öffentlichkeit wagen. Noch bei Ronald Syme ging das weitgehend ohne.
Re: Graecorum iste morbus
Γραικύλος schrieb am 08.07.2022 um 17:49 Uhr (Zitieren)
Mir ist noch aufgefallen, daß der Herausgeber, Manfred Rosenbach, akribisch jeden einzelnen Hinweis aufgeschlüsselt hat, was ich dann brav übernommen habe.
Re: Graecorum iste morbus
Bukolos schrieb am 09.07.2022 um 14:11 Uhr (Zitieren)
Zitat von Marcella am 8.7.22, 14:52Die lästige Überakribie ist auch heute Philologenkrankheit.

Eine Sache ist das von Seneca kritisierte von der Bedeutung für den Text weitgehend losgelöste Gezänk um Realien, eine andere der Nachweis des Wissens und der Methoden, auf die eine wissenschaftliche Arbeit sich stützt, um die Argumentation für die Leser:innen nachvollziehbar zu machen.


Zitat von Marcella am 8.7.22, 14:52Ohne einen immensen Fußnotenapparat darf man sich in Deutschland gar nicht an die Öffentlichkeit wagen.

Was wohl eher eine Frage des (Sub-)Genres als eine nationaler Standards ist. Essayistische und populärwissenschaftliche Sachtexte kommen auch in Deutschland durchaus ohne Fußnoten daher. (In der Reihe Beck Wissen bspw. gehört der Verzicht auf Fußnoten zu den Editionsrichtlinien.)


Zitat von Marcella am 8.7.22, 14:52Noch bei Ronald Syme ging das weitgehend ohne.

Welches von Symes Werken hast du dabei im Blick? In The Roman Revolution oder den Monografien über Sallust und Tacitus gibt es ja kaum eine Seite, die nicht ein halbes Dutzend Fußnoten ziert.
Re: Graecorum iste morbus
Γραικύλος schrieb am 11.07.2022 um 12:11 Uhr (Zitieren)
Ronald Syme: Die römische Revolution. Machtkämpfe im antiken Rom. Goldmann-Taschenbuch. München o.J.

Ungekürzte Ausgabe (so steht da), ohne Anmerkungen.
Re: Graecorum iste morbus
Bukolos schrieb am 11.07.2022 um 17:31 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικύλος am 11.7.22, 12:11Ungekürzte Ausgabe (so steht da), ohne Anmerkungen.

Soviel zur Fußnotenverliebtheit der Deutschen. Die von Christoph Selzer und Uwe Walter 2003 herausgegebene Überarbeitung der Übersetzung von Eschweiler und Degen weist auf S. 710 auf diese und andere Eigenheiten der Erstübersetzung hin:
Die reichhaltigen und für das Verständnis des Werkes wie von Symes Historiographie unentbehrlichen wissenschaftlichen Fußnoten der Originalausgabe mit den Stellenbelegen, Hinweisen und Erörterungen meist prosopographischer Natur fehlten in der ersten deutschen Ausgabe.
Re: Graecorum iste morbus
Marcella schrieb am 11.07.2022 um 20:49 Uhr (Zitieren)
Aha, so ist das. Ich las die von Γραικύλος angegebene Ausgabe von Goldmann, ganz nackt von Fußnoten
 
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