α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ ς σ τ υ φ χ ψ ω Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ C Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω Ἷ Schließen Bewegen ?
Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Bücherverbrennungen durch Christen (384 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 19.11.2022 um 13:44 Uhr (Zitieren)
Ammianus Marcellinus XXIX 1, 41; 2, 3 f.:

Die Ereignisse spielten sich im Jahre 370/1 u.Z. ab unter den Kaisern Valentinian I. und dessen Bruder Valens.

[...]
Deinde congesti innumeri codices et acerui uoluminum multi sub concpectu iudicum concremati sunt ex domibus eruti uariis ut illiciti ad leniendam caesorum inuidiam, cum essent plerique liberalium disciplinarum indices uariarum et iuris.

Darauf brachte man unzählige Bücher und ganze Haufen von Schriftrollen zusammen und verbrannte sie vor den Augen der Richter. Als ob es verbotene Schriften gewesen wären, hatte man sie aus verschiedenen Häusern hervorgeholt, und doch handelte es sich zum größten Teil um Abhandlungen der freien Wissenschaften und der Rechtskunde.


[...]
Darum wurden eilends Leute ausgesandt, die die Häuser versiegeln und bei der Durchsuchung des Hausrats des verurteilten Hausvaters Zaubersprüche alter Weiber und nichtige Liebesformeln einschmuggeln sollten [incanatmenta quaedam anilia uel ludibriosa subderent amatoria], die dazu hergerichtet waren, Unschuldige ins Verderben zu stürzen. Wenn diese dann vor Gericht vorgelesen wurden, wo kein Gesetz, keine Gewissenhaftigkeit, keine Billigkeit Wahrheit und Lüge unterschied, wurde jenen ohne jede Möglichkeit einer Verteidigung ihr Vermögen abgenommen. Sie selbst, die sich nichts hatten zuschulden kommen lassen, wurden ohne Rücksicht auf Jugend oder Alter, an allen Gliedern gelähmt, auf Tragsesseln zur Hinrichtung abgeführt.

So kam es in den östlichen Provinzen so weit, daß die Hausherren aus Furcht vor einem ähnlichen Schicksal ihre ganzen Büchersammlungen verbrannten [inde effectum est per orientales prouincias, ut a dominis metu similium exu-rerentur libraria omnia]. Ein solcher Schrecken hatte alle befallen. Denn, um mich kurz zu fassen, wir alle krochen in jener Zeit wie in kimmerischer Dunkelheit (1) einher und befürchteten Gleiches wie die Gäste des Tyrannen von Sizilien Dionysius; während sie sich bei einem Mahle, das betrüblicher war als Hunger, voll aßen, hingen von der Höhe der Decke in den Gemächern, in denen sie zu Tisch lagen, über ihrem Genick, an Pferdehaaren angebunden, Schwerter und hielten sie in ständiger Furcht.[/quote]
(Ammianus Marcellinus: Römische Geschichte. Herausgegeben von Wolfgang Seyfarth. 4 Teile, Darmstadt 1970; Teil 4, S. 156 f.; 158-161)

(1) Kimmerier: ein mythisches Volk im äußersten Nordwesten, eingehüllt in Finsternis und Nebel

Man nimmt an, daß 90 % der antiken Textbestände derartigen "Säuberungen" zum Opfer gefallen sind.
Re: Bücherverbrennungen durch Christen
Γραικύλος schrieb am 19.11.2022 um 13:45 Uhr (Zitieren)
[...]
Deinde congesti innumeri codices et acerui uoluminum multi sub concpectu iudicum concremati sunt ex domibus eruti uariis ut illiciti ad leniendam caesorum inuidiam, cum essent plerique liberalium disciplinarum indices uariarum et iuris.

Darauf brachte man unzählige Bücher und ganze Haufen von Schriftrollen zusammen und verbrannte sie vor den Augen der Richter. Als ob es verbotene Schriften gewesen wären, hatte man sie aus verschiedenen Häusern hervorgeholt, und doch handelte es sich zum größten Teil um Abhandlungen der freien Wissenschaften und der Rechtskunde.


[...]
Darum wurden eilends Leute ausgesandt, die die Häuser versiegeln und bei der Durchsuchung des Hausrats des verurteilten Hausvaters Zaubersprüche alter Weiber und nichtige Liebesformeln einschmuggeln sollten [incanatmenta quaedam anilia uel ludibriosa subderent amatoria], die dazu hergerichtet waren, Unschuldige ins Verderben zu stürzen. Wenn diese dann vor Gericht vorgelesen wurden, wo kein Gesetz, keine Gewissenhaftigkeit, keine Billigkeit Wahrheit und Lüge unterschied, wurde jenen ohne jede Möglichkeit einer Verteidigung ihr Vermögen abgenommen. Sie selbst, die sich nichts hatten zuschulden kommen lassen, wurden ohne Rücksicht auf Jugend oder Alter, an allen Gliedern gelähmt, auf Tragsesseln zur Hinrichtung abgeführt.

So kam es in den östlichen Provinzen so weit, daß die Hausherren aus Furcht vor einem ähnlichen Schicksal ihre ganzen Büchersammlungen verbrannten [inde effectum est per orientales prouincias, ut a dominis metu similium exu-rerentur libraria omnia]. Ein solcher Schrecken hatte alle befallen. Denn, um mich kurz zu fassen, wir alle krochen in jener Zeit wie in kimmerischer Dunkelheit (1) einher und befürchteten Gleiches wie die Gäste des Tyrannen von Sizilien Dionysius; während sie sich bei einem Mahle, das betrüblicher war als Hunger, voll aßen, hingen von der Höhe der Decke in den Gemächern, in denen sie zu Tisch lagen, über ihrem Genick, an Pferdehaaren angebunden, Schwerter und hielten sie in ständiger Furcht.
Re: Bücherverbrennungen durch Christen
Marcella schrieb am 20.11.2022 um 14:30 Uhr (Zitieren)
Dieser eines Preises für wert erachtete Artikel von Wikipedia hält ebenfalls die Christen für die Haupturheber - die üblichen Verdächtigen bei der Kulturvernichtung. Andere Christen haben sie über die dunklen Jahrhunderte gerettet, was möglich war. Die rabiate Bildungsfeiudlichkeit ist dem frühen Christentum immanent, man sehe u.a.den späten Augustinus.

https://de.wikipedia.org › wiki › Bücherverluste_in_der_Spätantike
Re: Bücherverbrennungen durch Christen
Γραικύλος schrieb am 20.11.2022 um 22:37 Uhr (Zitieren)
Wenn die ganze Literatur von einem heidnischen Weltbild ausging, ist sie der Vernichtung würdig. Einzelne Christen haben das zum Glück anders gesehen.

Es gibt ja in der chinesischen Geschichte eine auffallende Parallele beim dem Kaiser Qin Shi Huang-di. Das hatte freilich, soweit ich weiß, kein religiöses Motiv.
Re: Bücherverbrennungen durch Christen
Aurora schrieb am 21.11.2022 um 06:51 Uhr (Zitieren)
Über andere Zerstörungen:

Catherine Nixey,
Heiliger Zorn: Wie die frühen Christen die Antike zerstörten, 2019, bei DVA
(Mit zahlreichen farbigen Abbildungen)

Re: Bücherverbrennungen durch Christen
Γραικύλος schrieb am 27.11.2022 um 17:40 Uhr (Zitieren)
Dieses Buch kann auch ich empfehlen. Übrigens war hier im August 2020 schon mehrfach die Rede davon.
Re: Bücherverbrennungen durch Christen
Johannes schrieb am 19.12.2023 um 16:00 Uhr (Zitieren)
Aus einer Rezension:


nsgesamt gesehen greift der monokausale Ansatz der Autorin zu kurz. Den Nachweis für ihre These, wonach die Christen die Antike zerstört hätten, bleibt sie schuldig. Statt gebotener Reflexion und tiefgründiger Analyse ergeht sie sich in Verallgemeinerungen, spricht von »den Christen« und »der Kirche« und blendet aus, dass es unter den Christen unterschiedliche Gruppierungen und durchaus auch tolerante Geister gab. Männer wie den Philosophen Boethius, den weltoffenen Dichter Ausonius oder den Bischof Synesios von Kyrene, der christliches und platonisches Gedankengut miteinander in Einklang zu bringen suchte. Hinzu gesellt sich ein selektives Quellenstudium der Althistorikerin, das eine ausgewogene Sichtweise verhindert.


Nixey, Tochter einer ehemaligen katholischen Nonne und eines früheren Mönchs, hat mit ihrem Buch ein heißes Eisen angepackt, das viele Leser und Leserinnen ansprechen wird, wissenschaftlichen Ansprüchen jedoch nicht genügt. Die Autorin fühlt sich der antiken Kultur verbunden, doch ausgerechnet einer ihrer Repräsentanten, der römische Historiker Tacitus, hat als Maxime ausgegeben, was Nixey gerade nicht tut: Geschichte »sine ira et studio«, ohne Zorn und Eifer, also objektiv und sachlich zu schreiben.


https://www.spektrum.de/rezension/buchkritik-zu-heiliger-zorn/1670018
Re: Bücherverbrennungen durch Christen
Γραικύλος schrieb am 19.12.2023 um 17:49 Uhr (Zitieren)
Kürzlich habe ich gelesen, daß durch die römischen Christenverfolgungen in drei Jahrhunderten 2000 bis 10000 Menschen umgebracht worden seien, von den Christen des 4. und 5. Jahrhunderts mehr als diese Zahl ... pro Jahr, und zwar Heiden wie (für heterodox erklärte) Christen.
Leider weiß ich nicht mehr, wo das stand. Aber stelle Dir einmal vor, daß das immerhin annähernd wahr ist.
Wo ist denn christlicherseits von der Heidenverfolgung die Rede?

Was die Autorin bewegt, ist etwas, das ich die "Palladas-Stimmung" nennen möchte: die Trauer, der Schmerz darüber, wie da etwas Großes zerstört wird ... im Namen der Nächstenliebe.
"Ist unwissenschaftlich", das kann auch eine Vernebelungsstrategie für die bedenkliche Seite des Christentums sein.

Und an sein "sine ira et studio" hat Tacitus sich ja "gut" gehalten.
Re: Bücherverbrennungen durch Christen
Γραικύλος schrieb am 19.12.2023 um 19:59 Uhr (Zitieren)
Wie erheblich ist der Umstand, daß christliche Theologen und Philosophen sich bei Platon & Co. bedient haben, wenn man bedenkt, daß das gesamte religiöse und kultische pagane Leben verboten wurde?
Re: Bücherverbrennungen durch Christen
Aurora schrieb am 20.12.2023 um 10:57 Uhr (Zitieren)
Jesus fühlte rein und dachte
Nur den Einen Gott im Stillen;
Wer ihn selbst zum Gotte machte
kränkte seinen heil’gen Willen.

Und so muß das Rechte scheinen
Was auch Mahomet gelungen:
Nur durch den Begriff des Einen
Hat er alle Welt bezwungen.


Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)

Manche halten seine Dogmatisierung mittels der griech. Philosophie für einen weiteren Sündenfall. Jesus dachte jüdisch-hebräisch und war kein Logo-, sondern eine Sozio-Philosoph, dem es um die Praxis, nicht um die Theorie ging. Er hat das Doppelgebot nicht abgeschafft, sondern erfüllt wie keiner vor ihm, sagen die Christen, deren Vorgehen gegen Andersgläubige er sicher ablehnen würde.
Die Vollmachten gehen kaum auf den historischen Jesus zurück, genauso wenig wie das Papsttum nach Mt. 16,18, auch wenn es hier zusammentheologisiert wird .

http://www.kath-info.de/primat.html

Dass es um starke Machtinteressen geht, ist für mich offensichtlich. Man beansprucht Exklusivrechte
mit maximalen Zugriff auf die Anhänger.

Das Beichten vor Ostern war früher geradezu grotesk: Massenabfertigung von Schlange stehenden Gläubigen im 5-Minutentakt bis in die 80er Jahre hinein. Auch eine Form der Überwachung mit Parallelen zur Stasi. Der Pfarrer war immer auf den neuesten Stand und regierte in Familien hinein.



 
Antwort
Titel:
Name:
E-Mail:
Eintrag:
Spamschutz - klicken Sie auf folgendes Bild: Akropolis (Athen)

Aktivieren Sie JavaScript, falls Sie kein Bild auswählen können.