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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die defizitäre Staatlichkeit des Imperium Romanum (365 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 20.11.2022 um 14:26 Uhr (Zitieren)
Wir sind gewohnt, das römische Imperium, das aus dem Krieg gegen Karthago siegreich hervorging, als „Staat“ zu betrachten. Max Weber versteht darunter einen territorial begrenzten „Anstaltsbetrieb“, der „erfolgreich das Monopol legitimen physischen Zwanges“ beansprucht. Ein Staat setzt also institutionalisierte Herrschaft und ein Gewaltmonopol voraus. Beides ist erst im Absolutismus der frühen Neuzeit zur Vollendung gereift. In Rom schritt die Institutionalisierung von Herrschaft bis zur Spätantike immer weiter voran, ohne ja das Niveau der Moderne zu erreichen. Ein staatliches Gewaltmonopol gab es auch in 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. nicht. Außerdem war das Imperium weniger ein Territorialstaat als ein durch Bindungen persönlicher Loyalität zusammengehaltenes Netzwerk.

Das heißt nicht, dass es völlig abwegig wäre, von Rom als einem „Staat“ zu sprechen, aber die Staatlichkeit des Antike war nach unseren modernen Begriffen defizitär. Es gab keine Polizei, in der Stadt Rom zur Zeit der Kaiser aber immerhin die cohortes urbani, einen Wachkörper, der dem Stadtpräfekten unterstand und auch polizeiliche Aufgaben wahrnahm. Ihnen zur Seite standen die vigiles, die Feuerwehr. Es gab keine Staatsanwaltschaft, keinen Gerichtsvollzieher, keine Strafprozessordnung und keine eigentlichen Gefängnisse, wohl aber eine mit geradezu wissenschaftlicher Akribie immer weiter entwickelte Rechtsordnung, in deren Rahmen sämtliche Magistrate, auch der Kaiser, operierten. Es gab keine staatliche Daseinsfürsorge, kein öffentliches Gesundheitswesen, keine öffentlichen Schulen. Was es gab, waren die „Wohltaten“, die reiche Bürger, auch und vor allem der Kaiser, in Form von Nahrungsspenden oder Gutscheinen regelmäßig unters Volk brachten.

Auch die staatliche Bürokratie war defizitär. Eine „Regierung“ im engeren Sinne gab es nicht. In der Republik führten jährlich wechselnde Magistrate mit eher unspezifischen Aufgaben die Geschäfte, eine Verwaltung stand ihnen nur in Form weniger Gehilfen zur Verfügung, die sie aus privaten Mitteln finanzieren mussten. Die Kaiser bedienten sich anfangs ihrer Sklaven und Freigelassenen, später professioneller Juristen, um Aufgaben zu delegieren. Die Statthalter in den Provinzen verfügten lediglich über minimalistische Stäbe, die sie aus den Garnisonen vor Ort rekrutierten. Botschaften und einen ständigen diplomatischen Dienst gab es nicht. Für den diplomatischen Verkehrt engagierte man ad hoc Gesandte, die nicht einmal römische Bürger sein mussten.

Inmitten dieser rudimentären Staatlichkeit gab es eine Institution, die schon früh, ab dem 2. Jahrhundert v. Chr., einen hohen Grad an Professionalität entwickelte und Spezialisten für die Wahrnehmung aller möglichen Funktionen heranbildete: das Militär. [...]

(Michael Sommer: Dark Rome. Das geheime Leben der Römer. München 2022, S. 83 f.)

Sommer ist kein Spezialist für dieses Thema, aber er faßt hier den Forschungsstand zusammen.
 
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