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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Sichere Erkenntnisse (792 Aufrufe)
ανδρέας schrieb am 30.04.2010 um 22:02 Uhr (Zitieren)

Was ist wirklich als sichere Erkenntnis anzusehen?

Einstein sagte dazu:

"Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit." - Festvortrag vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin über Geometrie und Erfahrung, 1921, zitiert in: "Mein Weltbild", hgg. v. Carl Seelig, 1991, S. 196ff.
Re: Sichere Erkenntnisse
Γραικίσκος schrieb am 30.04.2010 um 23:27 Uhr (Zitieren)
Es gibt seit Aristoteles ein Konzept zur Ermittlung sicherer (unbestreitbarer) Erkenntnisse: Es sind solche, deren Wahrheit zu ihrer Bestreitung vorausgesetzt werden muß.
Einige Kandidaten dafür:
- der Satz vom zu vermeidenden Widerspruch (Aristoteles), denn wer ihn für falsch erklärt, unterscheidet zwischen Wahr und Falsch, gemäß dem Satz vom zu vermeidenden Widerspruch;
- Ich denke (Descartes), wenn wer dies bestreitet, kann es nur denkend tun;
- die Regeln der Sprache (Wittgenstein), denn wer sie bestreiten will, kann dies sinnvoll nur in einem den Regeln der Sprache gemäß gebildeten Satz tun.
usw.
Re: Sichere Erkenntnisse
ανδρέας schrieb am 01.05.2010 um 09:22 Uhr (Zitieren)

Das ist aber m.E. genau der Knackpunkt: "... deren Wahrheit zu ihrer Bestreitung vorausgesetzt werden muß."

Es handelt sich um die Frage des Wissens und speziell des sicheren Wissens.
Es ist den Vorsokratikern (Aristophanes z.B.) eine Selbstverständlichkeit gewesen, dass Menschen nur unsicheres Wissen oder Meinungen (δόξα) haben können und allenfalls die Götter allein richtiges Wissen oder sicheres Wissen haben könnten.
Ein Beweis nach einer speziellen Methode (Aristoteles) durchgeführt, könnte die Sicherheit des Wissens garantieren. Fragt sich, inwieweit die Beweismethode selbst eines Beweises bedarf.
Wenn wir etwas beweisen, z.B., mittels der Logik, innerhalb derer es nur wahre und falsche Sätze gibt, dann benutzen wir ein verabredetes System, dass selbst unbeweisbar ist. Wir gehen also immer zurück auf ein System von anscheinend gültigen Sätzen und messen daran, was uns neue Sätze sagen. Diese Rekursion ist unsere einzige Möglichkeit wahr von falsch zu trennen. Das hier auftauchende Problem, die Frage nach der sicheren Gewissheit solcher Sätze (Axiome in der Wissenschaft), verschiebt sich also wieder, wenn wir die Basissätze selbst in Frage stellen, z.B. die Logik selbst.
Dieses Beispiel zeigt, dass wir sogenannte Quellen oder Autoritäten des Wissens oder ganz einfach Basissätzen, die uns zum Beweis anderer Sachverhalte dienen, nicht blind vertrauen können.
Die Bestätigung unserer Warheitsvermutung auf sogenannte sichere Sätze mündet in einen unendlichen Regress, da wir diese Sätze immer selbst in Frage stellen müssen. Diese Methode führt also nicht zu sicherem Wissen.
Was ist aber mit der Beobachtung? Unsere Sinnesorgane können uns täuschen, denn sie wurden unter der evolutionären Massgabe , unser Überleben zu sichern, entwickelt, nicht aber um die Wahrheit zu erfahren. Im Allgemeinen kommen wir mit diesen Sinneserfahrungen gut zu Recht, aber wir können niemals sicher sein, dass sie uns die Wahrheit über die Welt erzählen. Ich sehe - also weiss ich- ist darum falsch und das trifft für jedes andere Sinnesorgan genauso zu. Es kann richtig sein, aber wir können es nicht sicher wissen. Wie können wir es sicher wissen?
Gar nicht!
Wir können uns der Wahrheit nur annähern, in dem wir unsere Hypothesen kritisch untersuchen und Voraussagen machen, die eintreffend, unsere Hypothese stützen. Eintreffende Voraussagen stützen eine Hypothese und bestärken sie, machen sie aber nicht richtig oder falsch.

Oder ist dieser Gedankengang unvollständig?

Re: Sichere Erkenntnisse
Γραικίσκος schrieb am 01.05.2010 um 11:35 Uhr (Zitieren)
Unvollständig in einem Punkt meine ich: Kann es Grundannahmen (sagen wir: Axiome) geben, deren Gültigkeit man nur so bestreiten kann, daß man sie voraussetzt?
"Wer an allem zweifeln wollte, käme nicht einmal bis zum Zweifel", heißt es bei Wittgenstein. Soll sagen: Wir können nicht an der Umgangssprache zweifeln, ohne sie vorauszusetzen - denn ohne diese Sprache könnten wir nicht zweifeln, nicht den Satz "Ich zweifle an der Sprache" formulieren.

Ich halte dieses Argumentationsstruktur für eine interessante Alternative zu der gängigen Einstellung, wir müßten von unbewiesenen Grundannahmen ausgehen. Manche Annahmen mögen unbewiesen, können aber doch unbestreitbar sein. Und ist Unbestreitbarkeit nicht fast so etwas wie ein Beweis?

"Über Gewißheit" von Ludwig Wittgenstein ist ein schmales, aber sehr gehaltvolles Werk.

[Was ich auch bemerkenswert finde: Der Krebs war bereits dabei, ihn zu töten, als Wittgenstein diese letzten Aphorismen geschrieben hat. Aber man wird in ihnen kein Wort über Sterben und Tod finden. "Der Tod", hatte er früher einmal gesagt, "ist kein Teil unseres Lebens." Das Sterben aber doch ...]
Re: Sichere Erkenntnisse
ανδρέας schrieb am 02.05.2010 um 10:53 Uhr (Zitieren)

Tja, die Frage ist immer, wo man den Anfangspunkt setzt. Was nehme ich als sicheres Wissen an?

Ich sehe das Problem vereinfacht so: Sind Grundannahmen gesichert und können wir damit zu gewissen Schlussfolgerungen kommen? Also im Sinne des Aristoteles, der von Einzelfällen auf allgemeine Erkenntnisse folgert (Induktion).
Diese Erkenntnismethode beruht auf dem Prinzip von Ursache und Wirkung, aus der Mustererkennung aus der Wiederholung. . Doch die Verbindung von Ursache und Wirkung setzt voraus, dass dies auch in Zukunft gelten wird. Was bewiesen werden soll, wird vorausgesetzt, wodurch diese Erkenntnisart doch eigentlich ausscheidet.

Dazu ein ioculus:
In einer abgelegenen Provinz fragen die Indianer ihren Häuptling, wie kalt der Winter werden wird. Der ist aber in die alten Riten seiner Vorfahren nicht eingewiesen und befiehlt daher, man solle erst einmal tüchtig Feuerholz sammeln. Vorsichtshalber ruft er den Wetterdienst an:
„Wie kalt wird der Winter?“ “Sehr kalt“, antwortet der Wetterdienst.
Der Häuptling befiehlt also seinen Stammesbrüdern weiter viel Feuerholz zu sammeln.
Eine Woche später ruft er erneut den Wetterdienst an: „Seid ihr sicher, dass der Winter sehr kalt wird?“ Der Wetterdienst antwortet: „Ja, es wird ein sehr kalter Winter, ganz sicher!“
Also befiehlt der Häuptling die Suche nach Feuerholz zu intensivieren. Eine weitere Woche später fragt er den Wetterdienst erneut. Der antwortet: „Wir sind 100 % sicher, dass der Winter sehr, sehr kalt werden wird.“
„Und warum seid ihr so sicher?“ fragt der Häuptling darauf.
Antwort: „Weil die Indianer wie verrückt Feuerholz sammeln“.

So verlässt sicher jeder darauf, dass der andere mehr wisse, als er selbst!
 
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