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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Totengespräche #2 (353 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 21.10.2023 um 10:48 Uhr (Zitieren)
DIOGENES L.: Du weilst doch schon an die 400 Jahre hier, mein lieber Diogenes, während ich ganz frisch hinzugekommen bin ... sofern man von einem Toten sagen kann, er sei frisch. Magst du mir ein paar Empfehlungen geben, wie man sich hier am besten zurechtfindet?

DIOGENES S.: Wer könnte bessere Empfehlungen geben als ich, den Toten ebenso wie den Lebenden? Den Toten allerdings leichter, denn mit dem Rat, auf alle Besitztümer zu verzichten, bringt man hier ja wohl Eulen nach Athen oder Dunkelheit in die Finsternis. Die ihr hier eintretet, laßt alle Hoffnung fahren!, sage ich dir, und du wirst noch sehen, daß dies als Zitat einst zur Weltliteratur gehören wird, auch wenn ein künftiger Schuft den Einfall für sich selbst reklamieren wird. Dir aber danke ich immerhin, daß du mir die Ehre gegeben und zu meinem Ruhm beigetragen hast.

DIOGENES L.: Das ist gern geschehen, denn ich war zeitlebens nur ein Sammler von Weisheiten. Aber sag‘ an, wie steht es hier mit den Behausungen? Oder muß man etwa auf nackter Erde ...

DIOGENES S.: „Nächtigen“, wolltest du sagen? Wir haben nichts anderes als Nacht, und eine Behausung könnten wir nur dazu nutzen, wenigstens auf kurze Zeit der Aufmerksamkeit der anderen Schatten zu entfliehen. Aber nein, auch Behausungen gibt es hier nicht. Denk‘ dir nur, man hat mit sogar mein Faß genommen!

DIOGENES L.: Dein Faß genommen? Unfaßbar! Auch auf diese kleine Freude muß man hier also verzichten. Und keinen Alexander kannst du auffordern, dir aus der Sonne zu gehen?

DIOGENES S.: Den Alexander gibt es hier schon – langweilig übrigens, denn er phantasiert immer noch davon, welche Länder er alles erobert hätte, wenn er nicht vergiftet worden wäre. Den Alexander schon, jedoch keine Sonne. Auch keine Teppiche, auf denen man herumtrampeln und sagen kann: Ich trete deine anmaßende Hohlheit mit Füßen. Keinen Markt und keine Laterne, um einen Menschen zu suchen. Nichts von dem, was mir Freude gemacht hat, so daß ich mich besser fühlen konnte als die anderen. Ich sage dir was: Die ihr hier eintretet, laßt alle Hoffnung fahren! Ach, jetzt zitiere ich mich schon selber.

DIOGENES L.: Darf ich mich dir anbieten, geschätzter Meister, daß du dich wenigstens besser als ich fühlen kannst? Ich bin bereit, dir zu dienen.

DIOGENES S.: Aha. So daß ich immerhin einen Sklaven hätte? Aber du weißt ja, was ich einst in dieser Situation gesagt habe?

DIOGENES L.: Selbstverständlich weiß ich das. Ich habe es der Nachwelt überliefert. „Das einzige, was ich als Sklave kann, ist Menschen beherrschen.“

DIOGENES S.: So war es. Aber ich glaube nicht, daß du mir als Diener nützlich wärest. Die einzige Dienstleistung, die ich bräuchte, kannst du hier nicht mehr erbringen.

DIOGENES L.: Welche wäre das?

DIOGENES S.: Es wäre schön, wenn du aus deinem Werk eine meiner damals leichthin geäußerten Bemerkungen löschen könntest: „Gefragt, ob der Tod ein Übel sei, sagte er: ‚Wieso ein Übel? Wenn er da ist, merken wir ja doch nichts von ihm.‘“

Re: Totengespräche #2
Γραικύλος schrieb am 22.10.2023 um 15:24 Uhr (Zitieren)
Ich weiß nicht, ob es klar ist, daß es hier um Diogenes von Sinope und Diogenes Laërtios geht.
Re: Totengespräche #2
Aurora schrieb am 23.10.2023 um 08:43 Uhr (Zitieren)
Vor gut 30 Jahren erschien dieses Buch über Diogenes:

Michel Onfray
Der Philosoph als Hund, Campus-Verlag, 1991
Re: Totengespräche #2
Γραικύλος schrieb am 23.10.2023 um 10:38 Uhr (Zitieren)
Danke für den Hinweis.

Momentan stelle ich gerade fest, wie häufig sich Lukian auf die Kyniker bezieht. Und zwar meistens positiv.
Re: Totengespräche #2
filix schrieb am 23.10.2023 um 12:54 Uhr (Zitieren)
Ohne den Zoilus spielen zu wollen, müsste es nicht heißen »... schon über 500 Jahre hier«?
Re: Totengespräche #2
Γραικύλος schrieb am 23.10.2023 um 13:16 Uhr (Zitieren)
Diogenes von Sinope: gestorben um 323 v.uZ.
Diogenes Laërtios: 3. Jhdt. u.Z., genaue Lebensdaten unbekannt.
So habe ich es gefunden. Da da dürfte man mit "an die 500 Jahre" wohl besser fahren. Danke für den Hinweis.
Re: Totengespräche #2
Γραικύλος schrieb am 23.10.2023 um 13:21 Uhr (Zitieren)
P.S.: Hat der Webmaster auf Deine Bitte, eine Editierfunktion einzurichten, geantwortet?
Re: Totengespräche #2
filix schrieb am 23.10.2023 um 15:41 Uhr (Zitieren)
Albert hat bisher nicht reagiert.

Mit den verlorenen hundert Jahren stellt sich mir jetzt die Frage, wie lange so eine Hadesfahrt nach antiken Vorstellungen dauern konnte und ob es Beispiele für außerplanmäßige Irrfahrten wie die von Kafkas Jäger Gracchus gibt.
Re: Totengespräche #2
Γραικύλος schrieb am 23.10.2023 um 15:45 Uhr (Zitieren)
Da kann es zu Komplikationen kommen, wenn man - wie Lukian es von Menippos berichtet - nicht über den nötigen Obulus für die Überfahrt verfügt. Sehr schön die Antwort des Menippos: "Dann schick mich doch zurück!"
Re: Totengespräche #2
filix schrieb am 23.10.2023 um 16:51 Uhr (Zitieren)
Wobei offen bleibt, wie der Streit um den Fährlohn letztlich ausgeht. Die gegenseitigen Todesdrohungen auf dem Weg ins Totenreich (Beim Pluto, ich schnüre dir die Kehle zu, wenn du mich nicht bezahlst! So schlag' ich dir mit meinem Stecken den Schädel ein.) gehören jedenfalls in den Paradoxiethread.
Re: Totengespräche #2
Aurora schrieb am 24.10.2023 um 07:31 Uhr (Zitieren)
Dann schick mich doch zurück!
"
Das erinnert an diese Geschichte:

https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Brandner_Kaspar
Re: Totengespräche #2
Γραικύλος schrieb am 24.10.2023 um 12:47 Uhr (Zitieren)
Mit dem Tod wird ja in der christlichen Tradition häufig gefeilscht ... und, sieh an, auch gespielt.

Tritt der Tod eigentlich in der antiken Tradition einmal als Person auf?
Re: Totengespräche #2
Andreas schrieb am 24.10.2023 um 14:32 Uhr (Zitieren)
wikipedia hat diese Artikel dazu:

https://de.wikipedia.org/wiki/Tod_in_der_Antike

https://de.wikipedia.org/wiki/Thanatos_(Mythologie)

Außerdem fand ich:
In der griechischen Mythologie wurde der Tod durch den Gott Thanatos verkörpert, den vaterlosen Sohn der Nacht (Nyx) und Zwillingsbruder des Schlafes (Hypnos)[12]. Er nimmt die Toten mit sich fort, spielt sonst aber eine geringe Rolle und muß eher als eine Personifikation gesehen werden, denn als Gottheit mit religiösem Kult. In seiner Funktion ist er sogar mit anderen Unterweltsgestalten austauschbar (Hermes, Charon u.a.)[13]. Als Mörder oder Agent in eigener Mission wurde Thanatos nie charakterisiert, ebensowenig als Verbündeter des Hades, dem Herrscher der Unterwelt. Er verbildlichte das Abstrakte, Unvermeidliche, das erbarmungslose Prinzip. Darstellungen der bildenden Kunst zeigen ihn als schönen, geflügelten Jüngling, doch kann er auch bedrohlich mit gierigen Zähnen und wirrem Haar ausgestaltet werden[14].

Krankheit und Sterblichkeit war den Menschen im Mythos von allem Anfang an auferlegt, seit ihrer Erschaffung durch Prometheus. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang noch die Sage von der Pandora, die aus ihrer Büchse allerlei Übel in die Welt entweichen ließ und so Krankheit und Tod unter den Menschen vermehrte[
Re: Totengespräche #2
Γραικύλος schrieb am 24.10.2023 um 15:54 Uhr (Zitieren)
Anscheinend wird er schon manchmal aktiv und auch hereingelegt:
https://en.wikipedia.org/wiki/Thanatos?wprov=sfti1#

Ich muß mich mal damit befassen.
Re: Totengespräche #2
Marcella schrieb am 27.10.2023 um 20:32 Uhr (Zitieren)
In der "Alkestis" des Euripdes tritt Thanatos kurz auf.
In diesem interessieren sich die Grufties für ihn: https://schadel-welt.de › thanatos-gott-des-todes-in-der-mythologie
Re: Totengespräche #2
Marcella schrieb am 27.10.2023 um 20:46 Uhr (Zitieren)
Thanatos bei Euripides ist wirklich letztlich der Betrogene.

(Der Tod tritt auf)

Tod:
Hah! hah!
Du hier? Am Palast? Was weilest du hier?
Wie? Phoibos, du willst wohl wieder zum Leid
Uns Untern die Ehre verkürzen, entziehn?
Admets Hintritt zu verhindern war
Dir nimmer genug und die Moiren mit List
Zu berücken? Du hast jetzt wieder die Hand
Für diese bewehrt, wachst mit dem Geschoß,
Die, ihren Gemahl zu erlösen, sich selbst
In den Tod gibt, Pelias Tochter?

Apollon:
Nur Recht und ehrlich Handeln biet ich, sei getrost!

Tod:
Was soll beim Weg des Rechtes dann die Waffe tun?

Apollon:
Ich trage sie beständig: meine Sitte ist das.

Tod:
Und diesem Hause widerrechtlich beizustehn!

Apollon:
Des teuren Mannes Leiden geht mir freilich nah.

Tod:
Und willst mir diese Leich entwenden abermals?

Apollon:
Ich nahm dir doch auch jenen selbst nicht mit Gewalt!

Tod:
Wie weilt er dann auf Erden, ruht im Grabe nicht?

Apollon:
Nun, durch den Tausch der Gattin, die du holen willst.

Tod:
Und führen werd ins unterirdische Reich hinab!

Apollon:
So nimm sie hin! Denn schwerlich wohl beweg ich dich –

Tod:
Zu töten, ja! Die's ziemet! dazu komm ich her!

Apollon:
Nein, die mit Tod zu treffen, welche zaudern hier.

Tod:
Wohl! Deine Meinung, dein Begehren kenn ich jetzt!

Apollon:
Und geht es, daß Alkestis hohe Jahr erreicht?

Tod:
Geht nicht! Bedenke, daß auch mich die Ehre freut.

Apollon:
Nicht mehr denn eine Seele empfängst du immer doch!

Tod:
Wenn blühndes Leben schwindet, ernt ich höhern Preis.

Apollon:
Die Greisin auch wird reich bestattet, wenn sie stirbt.

Tod:
Dem Geld zugunsten, Phoibos, gibst du dies Gesetz!

Apollon:
Wie meinst du? Bist du Denker auch? Wer glaubte das?

Tod:
Wer's könnte, ließ Betagte sterben für sein Geld.

Apollon:
Mir also diese Gunst zu geben liebt dir nicht?

Tod:
Mitnichten! Meine Art ist dir ja wohlbekannt.

Apollon:
Eine Göttern widerwärtge, Menschen feindlich Art!

Tod:
Verlange nur nicht alles, was dir nicht gehört.

Apollon:
Fürwahr, du wirst abstehen, fühllos wie du bist!
Ein solcher Held kehrt bald im Haus des Pheres ein,
Gesendet nach dem Roßgespanne von Eurysth
Hin nach der winterrauhen Gegend Thrakiens,
Der, gastlich aufgenommen hier im Haus Admets,
Dir mit Gewalt dies Frauensbild entreißen wird.
So geht der Dank dir meinerseits verloren, und
Du tust es trotzdem und behältst dir meinen Haß.

Tod:
Und magst du reden noch soviel, es frommt dir nicht!
Denn kurz: das Weib geht mit hinab ins Höllenreich!
Ich geh zu ihr, sie einzuweihen mit dem Schwert:
Den unterirdischen Mächten ist der Mensch geweiht,
Des Hauptes Locken dieses Schwert geopfert hat.

(Der Tod und Apollon ab. Der Chor zieht ein)
Re: Totengespräche #2
Γραικύλος schrieb am 29.10.2023 um 19:54 Uhr (Zitieren)
Anscheinend gibt es da ein Mißverständnis: Dieses Totengespräch stammt nicht von Lukian, sondern von mir (Wolfgang Weimer). Einige Beispiele Lukians möchte ich demnächst vorstellen.

Danke, Marcella, für das Zitat.
 
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