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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Der Traum eines Bibliophilen (194 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 13.12.2023 um 17:57 Uhr (Zitieren)
Die größte Bibliothek der Antike war die in der von Alexander dem Großen gegründeten Stadt Alexandria am Westrand des Nildeltas. Errichtet worden ist diese Bibliothek von demjenigen Nachfolger Alexanders, dem Ägypten zufiel: Ptolemaios, der bis 282 v.u.Z. regierte. Auf ihn geht die Dynastie der Ptolemäer zurück, welche das Land bis zur Eroberung durch die Römer (Cäsar, Octavian Augustus) beherrschten und deren Herrscher allesamt Ptolemaios hießen, zur Unterscheidung in der Antike mit einem Beinamen und später mit einer Ordinalzahl versehen. Ptolemaios I. Sotēr (der Erlöser, Erretter), Ptolemaios II. Philadelphos (der Geschwisterliebende: er hat seine Schwester geheiratet), Ptolemaios III. Euergetes (der Wohltäter) usw.

Vor allem Ptolemaios II. und III. waren geradezu fanatische Büchersammler. Sämtliche in Alexandria ankommenden Schiffe wurden auf vorhandene Bücher durchsucht, und die Agenten des Königs durchstreiften die damals bekannte Welt. Um die Bibliothek herum erbauten sie das sog. Museion (dem Platz der Musen, wonach heute unsere Museen heißen), in dem sie allen berühmten Wissenschaftlern ihrer Zeit eine Stätte zum Wohnen und Forschen, auch zum Lehren boten; das Museion war also die erste eigentliche Universität mit allen dafür üblichen Fächern.

Um den Umfang der in dieser Bibliothek versammelten Werke anzugeben: Der antike Autor Aulus Gellius spricht von 700000 Schriftrollen. Dazu gehörten, um einige Kostbarkeiten zu nennen: der gesamte Troische Epenkreis (von dem heute nur noch die Ilias und die Odyssee erhalten sind), sämtliche Werke des Persers Zarathustra (heute verloren) sowie eine eigens angefertigte Übersetzung der Heiligen Schrift der Juden ins Griechische: die Septuaginta. Zu den dort tätigen Forschern gehörten Eratosthenes (der als erster den Erdumfang berechnete), Heron (der Erfinder der Dampfmaschine) und zeitweilig sogar Archimedes. Daneben gab es auch viele Philologen und Dichter.

Wie weit die Sammelleidenschaft ging, verdeutlicht die folgende Anekdote: In Athen existierte eine offizielle, sorgfältig überprüfte Ausgabe sämtlicher Dramen von Aischylos, Sophokles und Euripides (also nicht nur die heute noch erhaltenen), welche die Grundlage für jede Aufführung der Dramen in Athen bildete. An diesem kostbaren Werk zeigte sich Ptolemaios III. hoch interessiert; er beantragte seine Ausleihe, um eine Abschrift anfertigen zu lassen. Die Athe-ner waren vorsichtig und verlangten 15 Talente als Pfand – wobei ein Talent ca. 26 kg Silber ausmachte. Ptolemaios hinterlegte den Betrag, ließ das Werk abschreiben, gab den Athenern die Kopie zurück, behielt das Original und ließ das Pfand verfallen.

Sämtliche Dramen des Aischylos, Sophokles und Euripides, von denen wir heute allenfalls ein Zehntel noch haben! Gäbe es eine Zeitmaschine, ich führe nach Alexandria und liehe mir dieses Werk aus – selbstverständlich gegen Hinterlegung eines angemessenen Pfandes. Damit in die Gegenwart zurückzukehren, das brächte mehr als einen Theaterregisseur um den Verstand.

Was aber könnte ich als Pfand hinterlegen? 390 kg Silber habe ich gerade nicht zur Hand. Ich könnte die zehn wichtigsten Bücher aus den verschiedenen Fachgebieten mitnehmen und anbieten, die seit damals erschienen sind. Bücher freilich, mit denen sie damals auch etwas hätten anfangen können.

Welche wären das?

Aber ... bitte gnädigerweise keine historische Darstellung über das spätere traurige Schicksal der Bibliothek von Alexandria. Von zwischenzeitlichen Bränden abgesehen, hat sie ihr Ende gefunden bei der Eroberung Alexandrias durch die Moslems unter Amr ibn al-As im Jahre 640. Dieser fragte den Kalifen Omar brieflich, was er mit den gefundenen Büchern machen solle, und erhielt die Antwort: „Was die Bücher der Bibliothek betrifft, so lautet meine Weisung: Wenn ihr Inhalt mit dem Koran übereinstimmt, sind sie überflüssig; wenn nicht, Frevelei. Geh also und zerstöre sie.“

So wird der Traum zum Albtraum.

(Wolfgang Weimer)
 
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