Wer weint denn da? Bei dem Satz bin ich nicht sicher, worauf sich „multis cum lacrimis“ bezieht, (das sollte ein modaler Ablsativ sein) ... welche Übersetzung ist korrekt?
Amicos naves multis cum lacrimis ascendentes iussit bono animo esse.
Weil/Obwohl seine Freunde die Schiffe unter vielen Tränen bestiegen, befahl er, guten Mutes zu sein.
Unter vielen Tränen befahl er seinen Freunden die Schiffe zu besteigen und guten Mutes zu sein.
Gasti hat recht - aber ein Hyperbaton sehe ich hier nicht; selbiges muss immer etwas Gewolltes, Künstliches haben, und hier gibt es zur Wortstellung keine „normalere“ Alternative
„multis cum lacrimis“ ist das Hyperbaton (auch Traiectio genannt), das hat mit der Stellung zwischen„amicos“ und „ascendentes“ nichts zu tun,
sondern mit Aufbauschema „Adjektiv/Präposition/Nomen“.
Nun, ohne das unnötig vertiefen zu wollen, Quintillian war es jedenfalls nicht abwegig genug, um es in seiner „Institutio Oratoria“ als Anastrophe noch vom Hyperbaton als Subkategorie zu unterscheiden:
„Verum id cum in duobus verbis fit, anastrophe dicitur, reversio quaedam, qualia sunt vulgo “mecum„, “secum„, apud oratores et historicos “quibus de rebus„. “
Salve filix,
Ja, und wenn wir die Quellenangabe noch betrachten: Die Anastrophe ist eine Art „Umkehrung“ ἀναστροφή ... Quintilian, Buch VIII,65. Ausbildung eines Redners, WBG, Helmut Rahn
;-)
...und dann im weiteren Verlauf von 65: At cum decoris gratia traicitur longius verbum, [i]proprie hyperbati tenet nomen: „animadverti, iudices, omnem accusatoris orationem in duas divisam esse partis“[/i]
Inwiefern stellt die Differenzierung von rhetorischen Figuren eine Unterstützung für die Behauptung dar, dass „hier“ überhaupt „eine rhetorische Figur“ zu sehen, abwegig sei, wo doch die Quinitilian-Passage gerade die Anastrophe diskutiert und mit Beispielen ihrer alltagssprachlichen Verwendung („vulgo“) und ihres speziellen Gebrauchs („apud oratores et historicos“) belegt, wobei das von Quintilian gebrachte Beispiel für letzteren Einsatz „quibus de rebus“ genau dem entspricht, worüber wir hier debattieren (ebenso wie „qua de causa“)?
Lateinhelfer am 23.2.11 um 20:11 Uhr (Zitieren) II
Für mich ist auch Quintilian, ein Vertereter der Zeit damals ein Zeuge und authentisch:
Es ist eine Untergruppierung des Hyperbatons. Wenn man solche Aussagen, wie „arbiter“ macht, sollte man die Quellen gelesen haben. Was mich stört, sind Festellungen ohne Quelle und einfach willkührlich.....
@filix
Du kannst - wie Lateinhelfer - oder willst nicht wirklich verstehen/zur Kenntnis nehmen, was ich gesagt habe: 1. wie ich bereits Gelegenheit hatte zu bemerken: ein Hyperbaton ist hier nicht zu erkennen, auch nicht mit und nach Quintilian. 2. Ich habe unterschieden zwischen rhetorischer Figur - d.h. einer Wendung, die zur Aufhübschung/Verdeutlichung der Aussage verwendet wird - und einfachen, z.T. anders erklärbaren syntaktischen Phänomenen. Eine argumentative Zurückweisung dieser Unterscheidung würde ich akzeptieren, eine Wiederholung von argumentativ Irrelevantem ist schülerhaft („steht aber im Wörterbuch!“) und naseweis 3. Den Begriff Anastrophe habe ich weder eingeführt noch kommentiert - war ja auch nicht Thema (übrigens wird der von ja von Menge - sonst als unhintergehbare Autorität angeführt - anders definiert). 4. Für mich ist sehr zweifehaft, ob man Lernende mit dem Problem belästigen sollte, ob eine Subsumption der Anastrophe unter die Kategorie Hyperbaton zulässig oder sinnvoll ist.
diese Ferndiagnose ist hoffentlich nicht kostenpflichtig...
tatsächlich gibt es in meinem Haushalt nur deswegen 15000 Bücher (darunter eine 3stellige Zahl in lateinischer Sprache), weil ich zu faul zum Tapezieren bin
die Frage von Lateinhelfer wird gewöhnlich in diesem Zusammenhang von Leuten gestellt - manchmal sogar in korrektem Deutsch - , die als Nichtbetroffene keine Vorstellung davon haben, wie lange man durchschnittlich braucht, um ein durchschnittliches Buch zu lesen;
die Anschlussfrage wäre dann: was hast Du davon verstanden?
ich brauche eine Nacht pro Buch....
B-)
manchmal mache ich Pause und treibe mich dann im lateinforum rum...
B-)
Re: Amicos naves multis cum lacrimis
Lateinhelfer am 23.2.11 um 23:36 Uhr (Zitieren) II
Manchmal sind Fragestellungen, arbiter, nicht von Qualifikationen abhängig ...oder wieviele Bücher ich habe, sondern davon ...ob ich mich mit der Fragestellung wirkich beschäftige..
nö..
muß nicht sein.
Ich empfinde dieses Forum immer noch als ein Freizeitforum, ohne wissenschaftlichen Anspruch.
Ich bin und bleibe Laie, mit der Liebe zur Antike und ihrer Sprachen, Kultur etc..
Wobei, das Griechische muß ich, Zeitmangel, ein wenig in den Hintergrund stellen.
Zur Eingangsfrage der Anbindung des adverbialen Satzteiles „multis cum lacrimis“:
Es bieten sich einem AdVERBial nur VERBformen zur Anbindung an.
[Die Formulierung „Köln am Rhein“ wurde im Forum schon mal hinreichend abgehandelt.]
Einzige Verbformen in diesem Satz: das infinite „ascendentes“ und das finite „iussit“.
Das Satzgerüst „amicos iussit bono animo esse“ ist unmittelbar klar.
Und „amicos ascendentes iussit bono amico esse“ auch.
Und „amicos ... ascendentes iussit bono animo esse“ auch.
What else is there to say?
[Außer, aus meiner Sicht: Der Aspekt der Gleichzeitigkeit des „ascendentes“ reicht mir aus; er kann bereits in einem schlichten Relativsatz eingefangen werden, oder mit temporalem „als“ oder „während“...]
Und sehen wir in den „amicos ... ascendentes“ nicht eine mit Akk.-Obj. und Adverbial sauber ausgestopfte prop’re Gans da? [Okay, hab' da gerade mal bei James Thurber den Guttapercha gemacht...]
PS1 Stimmt, arbiter, bei „in medias res“ zucke ich regelmäßig zusammen und schweige fein still. (Könnte ja eine klassische Wendung sein, und was soll dann ich kleines Licht...)
PS2 Lesegeschwindigkeit? Eine Frage, die sich eher weniger bis gar nicht stellt im Umgang mit Fachbüchern der - Mathematik...
Nicht „multis cum lacrimis“, sondern mit Staunen lese ich, welche Diskussion dieser Lehrbuchsatz entfesselt hat ...
Ich wollte gestern eigentlich nur noch wissen, was genau ein Hyperbaton ist und fand drei verschiedene Erklärungen ... inzwischen haben sich die Widersprüche aufgelöst; und ich habe beschlossen, mir Stilfiguren mal genauer anzuschauen.
Von daher: Keine Verwirrung meinerseits, sondern Neugier ... ;-)
Wer sich zu einer rabulistischen Tirade, die in Rücksicht auf den Anlass jedes Maß aus den Augen verliert,
versteigt, bei der er zahlreiche „Kunstgriffe“ gebraucht, die sich in der Abhandlung Schopenhauers
„Eristische Dialektik, gewidmet “der Kunst zu disputieren, und zwar so zu disputieren, daß man Recht behält, also per fas et nefas", vorwiegend
im Umkreis des „Letzten Kunstgriffs“, argumentum ad personam , wiederfinden,
ehe er mit einem Satz vom Schlage „ tatsächlich gibt es in meinem Haushalt nur deswegen 15000 Bücher (darunter eine 3stellige Zahl in lateinischer Sprache), weil ich zu faul zum Tapezieren bin“auffährt wie andere mit ihrer Limousine, erntet, was er verdient: Kopfschütteln und Gelächter.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
In der Sache bloß kurz, um das Forenpublikum nicht weiter zu erzürnen:
a) Das Quintilian-Zitat war vorwiegend gegen die Behauptung in Stellung gebracht, es handle sich bei der diskutierten Anordnung
in jeder Hinsicht um nichts, was einer Beachtung als, den schließlich einsichtigen Ausdruck ex post aufgreifend, „syntaktisches Phänomen“ überhaupt würdig wäre und zwar im Vergleich zur „Alltagssprache“ (im Übrigen: welcher Epoche? gewonnen aus welchen Quellen?).
Mir schien die Passage zu zeigen geeignet, dass dem nicht so ist, da hier ein antiker Autor, der anzunehmenderweise die tatsächliche Alltagssprache seiner Zeit „im Ohr“ hat, sich in einem Abschnitt seiner „Institutio Oratoria“ eben dieser Frage widmet. Quintilian ist dabei nicht so engstirnig ist und billigt selbst „ vulgo“ solche Umstellungen („mecum“ ) zu, veortet aber definitiv die Stellungswechsel vom Typ „quibus de rebus“ „"apud oratores et historicos“. Wir wollen die Sophisterei nicht so weit treiben, Quintilian zu unterstellen, er handle davon, dass die genannten Berufsgruppen dies nur tun, wenn sie außer Dienst sind und „latine“ schwatzen, oder?
b) Dass „hyperbaton“ durchaus ein Oberbegriff ist unter dem eine Vielzahl von „Umstellungsphänomen“ diskutiert wurde
wird , u.a.die Anastrophe, lässt sich leicht belegen:
Despauterius (16.Jhdt.): Grammatica, vemutlich in Anlehnung an Donatus: „Hyberbati species sunt quinque: Hysterologia sive Hysteron proteron, Anastrophe, Paranthesis, Synchesis, Tmesis.“,
(20 Jhdt:.) Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik, S.358: „Für manche Theoretiker ist das Hyperbaton der Anastrophe übergeordnet, so daß die Anastrophe nur eine Art des Hyperbaton ist.“,
anno 2006 Devine/Stephens in ihrem über 600 Seiten umfassenden Buch zur „latin word order“ auf Seite 570:„ Premodifier hyperbaton with adjectives is well established in prose for prepositional heads (see Figure 6.23): compluribus aliis de causis (BG 5.54) reliquis in locis (BG 6.25) suis ex finibus (BG 4.1: app. crit.) maximo cum fletu (Ad Fam 14.2.2)....“ usw.
Bei Quintilian geschieht diese Differenzierung loco citato in Abhebung von einer allgemeinen Definition „Hyperbaton quoque, id est verbi transgressionem“, weshalb sich dann auch im weiteren Text, nach der einschränkenden Behandlung der Anastrophe, der definitorische Zusatz, „proprie“ findet, englische Ausgaben übersetzen knapp: „strictly“. Die Frage allerdings ob es sich hier um eine Trope oder „bloß“ um eine „figura verborum“ handelt, war schon für Q. strittig.(„At id quidem proprie dici tropos possit, quia componendus est e duobus intellectus: alioqui, ubi nihil ex significatione mutatum est et structura sola variatur, figura potius verborum dici potest, sicut multi existimarunt.“)
Das ändert jedoch nichts daran, dass es sich so oder so um rhetorische Stilmittel handelt: auch als „figurae verborum“ dienen sie dem„ornatus“, wobei ich annehmen darf, dass der gefallene Ausdruck „Aufhübschung“ dem entsprechen soll.
Dass die Begriffe allesamt - welche nicht? - einem Diskussionprozess unterliegen, die Kriterien der Unterscheidung problematisiert wurden (Zählt die Distanz in der Verrückung? Zählt dabei die Durchkreuzung anderer grammatikalischer Strukturen? Zählt der semantische Effekt, der dabei erreicht wird? usf.): geschenkt - ich habe nie das Gegenteil vertreten.In der Tat hat es zahlreiche Versuche gegeben,
diese Ordnung anders aufzubauen: etwa Hyperbaton und Anastrophe beide unter dem Oberbegriff „figurae per ordinem vel transmutationem“ zu erfassen et cetera, die Komplexität solcher Fragestellungen wächst mit der Entwicklung der Sprachwissenschaften.
Zu behaupten aber, dass die Zurechnung der Anastrophe zum Hyperbaton niemals stattgefunden hat oder stattfindet, dass selbst wenn man diese Zuordnung bestreitet, die Anastrophe per se als Wortfigur wenigstens überhaupt keinen funktionalen Platz in der Rhetorik gefunden hat und immer noch nicht findet, ist, um dem durch den Thread irrlichternden Wort endlich dem ihm gebührenden Platz einzuräumen, bestenfalls eines: abwegig.
Ich wünsche allen, auch dir arbiter, die hier mit Freude und Eifer unentgeltlich hilfreich bei der Sache waren und sind, noch viele vergnügliche Stunden im Forum.