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pro gloria habita.... — 1284 Aufrufe
Frederic am 9.5.11 um 12:15 Uhr (
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INon descripsit [...] pro gloria habita quae, quam diu opprimi possunt, scelera sunt, raptus ac stupra et ne os quidem libindini exceptum.
Er beschreibt nicht die für den Ruhm gehaltenen Dinge, die, solange sie unterdrückt werden können, Verbrechen sind: Raub, Vergewaltigung und nicht einmal der Mund ist von der Willkür ausgenommen.
Versteh ich nicht! Habe ich i-etwas Wesentliches übersehen, bzw. falsch übersetzt?
Re: pro gloria habita....
Graeculus am 9.5.11 um 13:00 Uhr (
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IDe ira II, 9, 3
Manfred Rosenbach übersetzt: „... und daß für rühmlich gehalten, was, solange man es unterdrücken kann, Verbrechen ist: Raub, Unzucht, und daß nicht einmal der Mund ausgenommen von Unzucht.“
Abgesehen davon, daß er „stupra“ und „libido“ mit demselben Wort übersetzt, scheint mir der Sinn der zu sein, daß manche Verhaltensweisen, solange sie unterdrückt werden können, als Verbrechen gelten, in anderen Fällen - wenn nämlich von Machthabern begangen - als rühmlich. Beispiel: „Raub“ heißt im Krieg „Beute machen“, und wenn der Krieg gewonnen wird, gilt das als Ruhmestat.
So meine Auffassung.
Re: pro gloria habita....
Radix am 9.5.11 um 13:06 Uhr (
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Idescripsit Tempus , stupra Plural
Ich denke, er „beschreibt die Dinge, die Verbrechen sind, nicht als zum Ruhme gereichend, solange sie unterdrückt werden können“ - ein Verbrechen unterdrücken zu können, ist nicht besonders ehrenvoll.
Und bei os fiele mir da schon nicht Jugendfreies ein.
(üble Nachrede oder Beleidigungen oder so...)
Re: pro gloria habita....
Graeculus am 9.5.11 um 13:09 Uhr (
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Ioder so ... [Lächeln]
Re: pro gloria habita....
Graeculus am 9.5.11 um 13:11 Uhr (
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IJedenfalls: wenn sie nicht unterdrückt werden können, gelten sie als rühmlich.
Dazu habe ich mir dann einen Fall ausgedacht.
Re: pro gloria habita....
Radix am 9.5.11 um 13:17 Uhr (
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IDazu müsste man den Kontext studieren. Ich dachte, es geht darum, dass ein Verbrechen nicht zu begehen eine Selbstverständlichkeit sein sollte und dass (zu Recht) jemand nicht rühmt, dass etwas unterdrückt werden konnte.
Re: pro gloria habita....
Frederic am 9.5.11 um 13:19 Uhr (
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Ies geht (im kapitel) darum, dass man nicht jedem verbrechen zürnen kann / sollte, sonst müsste man ja wahsinnig werden. und dann kommt dieser satz....
seneca... a penny for your thoughts!
Re: pro gloria habita....
Graeculus am 9.5.11 um 13:32 Uhr (
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INochmals: Ich meine, daß es eine ganze Reihe von (Un-)Taten gibt, die bloß deshalb nicht als Verbrechen angesehen werden, weil der große Alexander oder der nicht minder große Caesar sie begangen haben und deshalb gerühmt werden.
Wollte man sich darüber auch noch aufregen (weil man es in einer anderen Perspektive als Raub ansehen kann), „müsste man ja wahnsinnig werden“.
Re: pro gloria habita....
Graeculus am 9.5.11 um 13:34 Uhr (
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ISo hat etwa Schopenhauer den großen (?) Napoléon, der doch immerhin in Paris im Invalidendom aufgebahrt ist, als „Räuberhauptmann“ bezeichnet.
Er hat sich über ihn aufgeregt.
Re: pro gloria habita....
Frederic am 9.5.11 um 13:40 Uhr (
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Ihmm... okay.... also wirklich befriedigt bin ich dadurch nicht. aber na gut.
gerade wenn man mal weiter liest, und die sprache wieder sehr klar wird, wirkt die textstelle einfach seltsam.
aber es wird wohl so sein.
Re: pro gloria habita....
Frederic am 9.5.11 um 13:41 Uhr (
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Iund vergewaltigung ist ja ein übel, egal wer der vergewaltiger ist. und das mit dem mund... da fällt mir jetzt auch nur schlechtes ein....
Re: pro gloria habita....
Graeculus am 9.5.11 um 13:49 Uhr (
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I„Vergewaltigung ist ein Übel, egal wer der Vergewaltiger ist“?
Dschingis Khan: „Es gibt keinen größeren Genuß, als seine Feinde zu töten und mit ihren Frauen zu schlafen.“
Und dann schau Dir einmal an, wie die Leute, die in Den Haag vor Gericht stehen, in ihrer serbischen oder kroatischen Heimat eingeschätzt werden - auch wenn sie freie Bahn für Vergewaltigungen geschaffen haben.
Und ob bei Alexanders Massenhochzeit zu Susa die Frauen nach ihrer Meinung gefragt wurden?
Re: pro gloria habita....
Graeculus am 9.5.11 um 13:50 Uhr (
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IFür den Mund ist es ja noch am einfachsten: lügnerische Staatspropaganda.
Re: pro gloria habita....
Radix am 9.5.11 um 15:49 Uhr (
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IDer Punkt ist, ob >Seneca< meinte, das gewisse Taten keine Verbrechen sind, wenn man sie nicht unterdrücken muss - oder ob er viel „zahmer“ sagt, dass man wenigstens sich nicht rühmen sollte, etwas nicht getan zu haben (als ob das eine Leistung wäre). - Beispiele für die von Graeculus vorgestellte Haltung gibt es wahrlich genug.
Re: pro gloria habita....
Seneca zitiert zunächst Ovid, der in den Metamorphosen einen kurzen Abriss von der Schlechtigkeit der Welt gibt, um anschließend all die Dinge, die der Dichter in seinen Augen zu erwähnen vergaß („Et quota ista pars scelerum est? Non descripsit...“ „Und was für ein kleiner Teil der Schandtaten sind diese (von Ovid aufgeführten). Er beschrieb nicht...“) aufzubieten, dies zum Beweis, welchem ungeheuerlichen Ausmaß an und welchem Grad von Perversion im Verbrechen sich der Weise gegenüber sieht - in diese Aufzählung fällt die zitierte Passage. Seneca diskutiert diese Phänomene oder deren Rechtmäßigkeit nicht für sich, sondern zeichnet dieses Tableau der Greuel, das - wenig zimperlich - Bluttaten des Bürgerkriegs, Willkürakte der politischen Verfolgung, den Einsatz chemischer und biologischer Waffen , Brandstiftung, Vergehen gegen die sexuelle Integrität (raptus)ebenso wie in den Augen seiner Zeit verwerfliches Partnerwahlverhalten (stupra) und unehrenhafte Sexualpraktiken (ne os quidem libidini exceptum = Fellatio) vermengt, um zunächst Intensität und Allgegenwart des Verbrechens als Grund für die Enthaltung des Weisen von Zorn anzugeben (da er schlicht daran verrückt werden würde), später aber um all dies auf die Natur des Menschen zurückzuführen, der zu zürnen schlechterdings unvernünftig und für den Weisen nicht angemessen ist.(„Intellegit quam et iniquum sit et periculosum irasci publico vitio.“ Er (der Weise) erkennt, wie ungerecht/unbillig und gefährlich es wäre, der universellen Schuld zu zürnen...„). Wie dieser stattdessen damit umgehen sollte, behandeln die nachfolgenden Kapitel. Das “pro gloria habita quae, quam diu opprimi possunt, scelera sunt„ lese ich in dieser Aufzählung als eigenen Punkt und nicht “raptus ac stupra„ erklärend vorangestellt, als allgemeine Formel, die beschreibt, dass, geht die “Verworfenheit "der Massen so weit, dass die Unterdrückung ihrer Verhaltensweise nicht mehr möglich ist, dieselben (faktisch) zur Norm aufsteigen und zur Ehre gereichen - nicht so sehr, dass einzelnen Individuen unter speziellen Bedingungen in einer Art Ausnahmeregelung, das, was gemeinhin verboten ist und als verwerflich betrachtet wird, plötzlich als ruhmreicheTat ausgelegt wird.
Re: pro gloria habita....
Frederic am 10.5.11 um 21:24 Uhr (
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IVielen Dank für die Mühe felix. Ja, ich habe das auch als eigenen Punkt gesehen, aber so ganz klar hat er sich nicht ausgedrückt, wie ich finde (im Vergleich zu der restlichen Schrift, die sich eig. sehr schön und flüssig liest).