Latein Wörterbuch - Forum
Latein und Integration — 2372 Aufrufe
Arborius am 1.5.12 um 14:58 Uhr (Zitieren)
Der Altphilologenverband hat auf seiner Site einen Radiobeitrag verlinkt, in dem es um den Zusammenhang von Lateinunterricht und Integration von Immigranten geht.
Stefan Kipf wagt dort die These, ein „spezieller Lateinunterricht“ könne die Deutschfähigkeiten von Schülern mit Migrationshintergrund verbessern. Seine Lösung klingt so banal wie simpel: Die deutschen Artikel werden einfach mitgelernt.
Es geht noch um kulturelle Integration (Erkenntnis, dass der türkische Raum ein Teil des römischen Reichs war)
und letztendlich, und da wirds interessant, darum, dass das Latinum den Integrations- und Bildungswillen zeigt. „Latein ist die Sprache des sozialen Aufstiegs“, meint ein Lehrer des Pforzheimer Reuchlingymnasiums.

Latein als neutrale Vermittlungsinstanz wird hervorgehoben und das Prestige, das durch das Latinum erworben werden kann.

Wens interessiert: http://www.altphilologenverband.de/index.php?option=com_content&view=article&id=76:von-wegen-tote-sprache-wie-latein-die-integration-foerdert-swr&catid=3:aktuelles&Itemid=29
Re: Latein und Integration
arbiter am 1.5.12 um 16:00 Uhr (Zitieren)
das Türkische ist eine agglutinierende Sprache (und ohne Artikel, mit vielfacher Verwendung von Nominalformen der Verben) - insofern kommen den Lernern bestimmte Phänomene des LAt. nicht so fremd vor. Für Lerner ohne Kenntnis von westeuropäischen Sprachen ist aber die Lexik ein größeres Problem als für Deutsche
Re: Latein und Integration
Arborius am 1.5.12 um 21:10 Uhr (Zitieren)
Das würde die Theorie, dass der Lateinunterricht der sprachlichen Integration nützen kann ... vollkommen ad absurdum führen.
So sicher bin ich mir da aber nicht. Einige türkische Schüler beherrschen ihre Sprache nur intuitiv (wie ein unbedarfter Deutscher seine Sprache auch nur intuitiv beherrscht). Wenn man denen mit Nominalformen des Verbs ankommt und damit, dass da ja eine tolle Parallele zum Lateinischen besteht, gucken die nur groß.

Wenn ich andererseits mit lexikalischen Parallelen zwischen dem Lateinischen und Deutschen/Englischen ankomme, gucken die türkischen und die deutschen Schüler groß.
Für einen sprachlich nicht allzu Versierten, das muss man bedenken, helfen solche Dinge manchmal nicht, wenn da ein Wort plötzlich anders geschrieben wird.

Aber sonst, arbiter, sind das natürlich Standardargumente.
Re: Latein und Integration
filix am 1.5.12 um 21:24 Uhr (Zitieren)
Das Finale, in dem es nach buchhalterischen Phrasen à la „lebenslanger Aktivposten“ u.a. kokett heißt „Wenn dereinst die Kinder türkischer Gemüsehändler, thailändischer Köche oder russischer Putzfrauen besser Latein können als die Sprösslinge deutscher Akademiker, dürfte Latein eine Renaissance erleben...“ muss man sich allerdings in seiner abgeschmackten Verkettung von Klischees und Angstlustszenarien, erst einmal in der Ohrmuschel zergehen lassen.
Re: Latein und Integration
andreas am 1.5.12 um 21:26 Uhr (Zitieren) I

Ein Schüler, der beim Eintritt in ein Gymnasium die deutsche Sprache noch nicht genügend beherrscht, dürfte sie über Latein (oder eine anderes Vehikel) doch kaum besser erlernen. Da sollte die Grundlage, wenigstens über den Kindergarten, schon längst gelegt sein, denke ich.
Wenn das nicht vorhanden ist, kann Latein diese Schüler doch nur noch überfordern und es stellt sich die Frage, ob dies überhaupt die richtige Schulform für diese Schüler ist. Sicher trägt Latein sehr zum sprachlogischen Verständnis bei. Aber wird das Pferd da nicht von der falschen Seite aufgezäumt? Latein als Nachhilfe für schwache Deutschsprecher?
Re: Latein und Integration
Arborius am 1.5.12 um 21:47 Uhr (Zitieren)
Die Erfahrung, andreas, habe ich auch schon gemacht. Aber vielleicht ist sie nicht allgemeingültig.
Re: Latein und Integration
arbiter am 1.5.12 um 22:01 Uhr (Zitieren)
jedenfalls kenne ich einige Fälle, in denen türkische bzw. iranische Schüler (mit begrenzten Deutsch-Kenntnissen) in Englisch auf keinen grünen Zweig kamen, in Latein aber einigermaßen reüssierten
Re: Latein und Integration
matthias am 2.5.12 um 12:28 Uhr (Zitieren)
zuerst einmal danke für den link :)

ich sehe ein weiteres problem bei folgendem sacherverhalt, dass die schülerinnen und schüler im lateinischen häufig die tempora, modi, etc. gut bestimmen können, aber keine adäquate übersetzung des verbums ins deutsche (ohne satzzusammenhang und besonderheiten) für sie möglich ist.
insofern steht hierbei der großteil der lernenden - unabhängig der nationalität- auf derselben stufe...
insofern kann dadurch schon integration betrieben werden, da wegfall der differenzierung
Re: Latein und Integration
filix am 2.5.12 um 14:08 Uhr (Zitieren)
Das ist doch eine Farce: die Mehrheit der hier dem Latein strukturell zugeschlagenen Vorteile ergeben sich aus der spezifischen Lernsituation: wer in der gleichsam buchstabierenden, verschriftlichenden Übersetzung mit gelegentlicher Musikbegleitung in die Zielsprache gezwungen wird, sich Sprache quasi unter dem Mikroskop zu nähern, erwirbt mehr Sprachkompetenz, insbesondere dann, wenn die diesen Prozess begleitende Sprache auch noch die Zielsprache ist; dass sich dabei Parallelen zu den Schwierigkeiten zwischen Erstsprache und Zielsprache in der Brückensprache Latein ergeben, steht m.E. in keinem Verhältnis zu anderen Effekten : nicht umsonst kommt die Erörterung in dieser Rücksicht über die Artikelfrage kaum hinaus und behandelt Indizien als Beweise - ob sich Ähnliches nicht auch ergibt oder sogar stärker wirkt, wenn Sanskrit, Japanisch oder Wolof Gegenstand sind, wird erst gar nicht diskutiert: weil diese sich nicht dafür eignen als unverdächtiges Element des Leitkulturstransfers zu fungieren: man beachte nur, in welch hilfloser Weise im Beitrag von wechselweise „unserer“, „europäischer“, „abendländ.“ Kultur die Rede ist. Dass virtuelle Chancengleichheit im Klassenzimmer für, um diese müden Klischees aufzugreifen, die Tochter des türkischen Gemüsehändlers und den Sohnemann des im Ruhestand schriftstellernder Bankiers deutscher Muttersprache durch annähernd gleich schlechte Startbedingungen eine ganz andere Lernbereitschaft erzeugt, wiegt mehr, bedeutet aber gleichzeitig, dass in Summe sich diese strukturellen Unterschiede in psychosozialer Wahrnehmung anscheinend nivellieren: alle haben Schwierigkeiten, aber nicht alle dieselben, profitieren alle auf verschiedene Weise und werden durch Cicero & Co hoffentlich zu Verfassungspatrioten. Besonders die anderen.Die durch unzählige Studien belegte soziale Erblichkeit von Bildung und das fundamentale Hindernis beim Zweit-, Drittspracherwerb, dass zunehmend gar keine optimale Erstsprachkompetenz gegeben ist, spielen eine weitaus überragende Rolle. Ernüchternd auch wie ganz allgemeine Ansprüche an den Unterricht, nämlich dass dieser die grundsätzliche Bereitschaft jedes Kindes, sich lernend die Welt zu erschließen, fördern nicht nachhaltig stören soll, bei Teilerfüllung hier als spezifischer Erfolg eines Faches verbucht werden. Hinzu kommt, dass ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass dem als Ballast aus der abgestorbenen Welt des Bildungsbürgertums unter Druck geratenen Lateinunterricht eine dubiose Mischung an ihn rechtfertigenden Aufgaben zugemutet werden soll, um ihn überhaupt zu retten und so dem Zombie von Integrationskatalysator, lebenslangem Aktivposten kognitiver Superkompetenz, Prestigeobjekt für die Massen (sic!) den weiteren Gang wenigstens durch die Geschichte des deutschsprachigen Bildungssystems geebnet werden soll.
Re: Latein und Integration
filix am 2.5.12 um 14:11 Uhr (Zitieren)
den weiteren Gang ... der weitere Gang...
Re: Latein und Integration
filix am 2.5.12 um 14:12 Uhr (Zitieren)
ergeben ergibt

Re: Latein und Integration
filix am 2.5.12 um 14:18 Uhr (Zitieren) I
à propos Prestigeobjekt für alle: ceterum censeo instrumentum commune corrigendi inducendum esse - wie und aufgrund welcher Verdienste erhält man, Bibulus, doch gleich dieses Privileg?
Re: Latein und Integration
Clavileo am 2.5.12 um 14:39 Uhr (Zitieren)
Hinzu kommt, dass ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass dem als Ballast aus der abgestorbenen Welt des Bildungsbürgertums unter Druck geratenen Lateinunterricht eine dubiose Mischung an ihn rechtfertigenden Aufgaben zugemutet werden soll, um ihn überhaupt zu retten und so dem Zombie von Integrationskatalysator, lebenslangem Aktivposten kognitiver Superkompetenz, Prestigeobjekt für die Massen (sic!) den weiteren Gang wenigstens durch die Geschichte des deutschsprachigen Bildungssystems geebnet werden soll.


Warum auch nicht? Würde man nach dem Sinn des Lateinunterrichts fragen, so käme doch in erster Linie eine „dubiose Mischung an ihn rechtfertigenden Aufgaben“ als nicht ganz Unsinnig daher. Was sagen ich denn jemandem, der nicht wie ich selbst am Lernen jeglicher Sprachen Freude hat, der sich nicht über das auch kulturelle Hintergrundwissen freut, dass beim Lateinlernen vermittelt wird, sondern der eben pragmatisch denkt - ich kenne immerhin genug Leute, die von Latein keine Ahnung haben, aber die eloquent mit Fremdwörtern umgehen und deren Bedeutung kennen (wobei ohnehin ja die ursprünglichen Bedeutungen von Fremdwörtern gerne durch das Sprachstadium aus dem Übernommen wird komisch verzerrt sind, durch innersprachliche Entwicklungen der entlehnenden Sprache zu neuen Bezügen kommen.)?

Der Ansatz „Sprache erklärt die Welt“ ist zwar nett - aber Sprache erklärt die Welt eben nicht, sondern übermittelt gegebenenfalls aus der Etymologie herleitbare Wertevorstellungen und historisches Wissen aus und über alte(n) Zeiten.

Was sage ich nun also jemandem - warum lerne ich Latein, wenn m.E. die Bedeutung, die früher das Lateinische innehatte, ohnehin in nicht allzulanger Zeit dem Englischen zukommen wird? Ohne natürlich, dass die Einflüsse der lat. Sprache und Kultur auf die gesamte europäische dabei verkannt werden soll. Aber auch das Medium, durch das Latein heute viermittelt wird, ist doch das Englische. Und ob ich nun eine Briefmarkenkollektion oder eine -collection habe, das stiehlt sich ja nun wirklich nichts...
Re: Latein und Integration
Clavileo am 2.5.12 um 14:41 Uhr (Zitieren)
sagen ich ...sage ich...
Re: Latein und Integration
Bibulus am 2.5.12 um 14:53 Uhr (Zitieren)
@filix?
Warum sprichst Du mich an?
Ich habe mich in diesem Thread zum Thema doch gar nicht geäussert.
(Und werde es auch nicht,
da ich mir dazu keine Meinung bilden kann,
weil ich keine direkte Verbindung zum
Schulunterricht habe,
meine Kinder sind aus der Schule raus.)
Re: Latein und Integration
Graeculus am 2.5.12 um 14:59 Uhr (Zitieren)
à propos Prestigeobjekt für alle: ceterum censeo instrumentum commune corrigendi inducendum esse - wie und aufgrund welcher Verdienste erhält man, Bibulus, doch gleich dieses Privileg?

Albert Martin hat vor Jahren einmal den Stammhelfern angeboten, sich um das Recht/die Möglichkeit, Administratorenfunktionen auszuüben, zu bewerben. Davon haben damals einige - ich nicht - Gebrauch gemacht.
Möglicherweise hat Albert Martin für solche Anträge auch heute noch ein offenes Ohr.
Re: Latein und Integration
Bibulus am 2.5.12 um 14:59 Uhr (Zitieren)
Vielleicht doch.
Sprache und Integration:
Natürlich ist Sprache ein Instrument der Integration.
Bis ca. 1800 war das Instrument eben Latein.
Jeder, der Latein konnte, konnte an jeder beliebigen
Universität Europas studieren,
weil eben Latein die Sprache der Vorlesungen war.
Latein war in vielen Ländern die Verwaltungssprache,
jeder, der Latein konnte, konnte in fast jedem Land
in den Verwaltungsapparaten Karriere machen.
Nationalität (die eh vor 1800 keine Rolle spielte) war völlig unwichtig.
Wichtig war vielmehr die Konfession.
Re: Latein und Integration
filix am 2.5.12 um 15:00 Uhr (Zitieren)
Weil du hier die Möglichkeit hast, Beiträge zu editieren, Bibulus, darum ging es. :)
Re: Latein und Integration
Graeculus am 2.5.12 um 15:01 Uhr (Zitieren) I
Ich hab’s oben erklärt, gelt?
Re: Latein und Integration
filix am 2.5.12 um 15:03 Uhr (Zitieren)
Pardon, Graeculus - deinen Beitrag von 14:59 habe ich, als ich um 15:00 meinen tippte, noch nicht angezeigt bekommen.
Re: Latein und Integration
Bibulus am 2.5.12 um 15:08 Uhr (Zitieren)
filix schrieb am 02.05.2012 um 15:00 Uhr:
Weil du hier die Möglichkeit hast, Beiträge zu editieren, Bibulus, darum ging es. :)


ach so, jetzt habe ich es verstanden,
was Du mit „instrumentum commune“ gemeint hast.

Zur Ergänzung von Graeculus' Beitrag:
Damals wurde eine Zeitlang dieses Form zugespammt.

Darunter auch einige strafbewehrte Äusserungen.
(rassistisches, gewaltverherrlichendes, beleidigendes, etc.)

Da aber der Forenbetreiber dafür verantwortlich ist
(jedenfalls Stand damaliger Rechtssprechung),
hat albertmartin einigen „Stammnutzern“ das Recht eingeräumt, eben solches zu löschen.

Die Betonung liegt auf „löschen“, nicht editieren.
d.h.: ich kann einen Betrag nur als Ganzes löschen.
(Ein Editieren wäre m.M. eine Verfälschung.)
Re: Latein und Integration
filix am 2.5.12 um 15:11 Uhr (Zitieren) I
Hast du nicht, oder narrt mich Mnemosyne, gelegentlich eigene Beiträge zunächst als ganzes gelöscht und in der verbesserten Version erneut gepostet, Bibulus? :)
Re: Latein und Integration
Bibulus am 2.5.12 um 15:18 Uhr (Zitieren)
ja, dieses kleine „Privileg“ nehme ich mir ab und zu heraus.
Aber nur, wenn der ursprüngliche Beitrag schwere Verständnisfehler aufweist.
(Das passiert, wenn ich mit der Laptop-Tastatur schreibe.)

Re: Latein und Integration
arbiter am 2.5.12 um 16:02 Uhr (Zitieren)
ad rem:
Die oft gestellte Frage nach der Relevanz für die Praxis wird erstaunlicherweise den anderen Schulfächern ja nicht gestellt, obwohl - wie jeder an sich selbst überprüfen kann - das Schulwissen aller Fächer, sofern nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der jeweiligen Profession oder wenigstens den lebensweltlichen Bezügen, zu 90 % sich verflüchtigt. Auch von denjenigen, die eine andere 2. Fremdsprache erlernen mussten, hat nur eine Minderheit später auch nur einfachste Konversationskompetenz; und dies trifft sogar in hohem Maße auf das Englische zu.

Die früher oft angeführten pro-Latein-Argumente, die letztlich auf Latein als Voraussetzung einer soliden Allgemeinbildung abstellten, sind obsolet geworden: weder die Förderung des „logischen Denkens“ noch die angeblichen Transfer-Vorteile ließen sich belegen.
Die praktische Relevanz liegt also - wie bei den anderen Schulfächern auch - darin, dass für bestimmte Professionen die Kenntnis von Latein (und antiker Kultur) unabdingbar und für noch einige andere hilfreich ist.

Was die Frage der Integration angeht: Man integriert sich (oder wird integriert) nicht in die Gesellschaft als solche, sondern immer nur in bestimmte Segmente derselben, und die Grenzen dieser Segmente fallen durchaus mit den Grenzen der Sprachkompetenzen (meinetwegen: -gewohnheiten) zusammen. Dies ist keine neue Erkenntnis und entspricht auch vielfältiger Lebenserfahrung, wird aber durch das anschwellende Integrationsgeschwätz verdunkelt.

Und zu guter Letzt: filix, auch wenn Du „nur“ den Ballast von Goethe, Kleist etc. geschleppt hättest, wäre Dein Sprachduktus ohne Cicero nicht denkbar.
Re: Latein und Integration
filix am 2.5.12 um 16:03 Uhr (Zitieren)
Was sage ich nun also jemandem - warum lerne ich Latein...

Die Antwort, die Proponenten der Bildungsidee, aus der das diskutierte
Bildungssystem historisch erwachsen ist, fiel in etwa so aus: zwecks
„Beförderung rein menschlicher Bildung und Erhöhung aller Geistes- und Gemütskräfte zu einer schönen Harmonie des inneren und äußeren Menschen“.
Diese Antwort war in meinen Augen schon zu der Zeit, da sie in Umlauf war, sentimental und
wie all diese Phänomene, die eine edlere Welt in der Tiefe der Geschichte beschwören, handelt es sich um eine Dekadenzerscheinung (wohlgemerkt nicht im
moralisierenden Sinn): der lebendigen Gegenwart in bestimmten Eliten, gleich wie weit weg sie von Idealen der
seit dem Humanismus herausgearbeiteten Klassik gewesen mag, folgte nach dem Ersterben die
Rekonstruktion und Reanimation als eigene Lebensform qua Bildung.Seither lernt man Latein an humanistischen Gymnasien. Wenn das 19.Jahrhundert das Geheimnis der Genese der modernen Welt und ihrer Wissensgesellschaft, ökonomischen Erschließung im globalen Maßstab zwischen Industrialisierung
und Kolonisierung, dem Durchbruch des Nationalstaats und des bürgerlichen Prinzips birgt, wundert es nicht, dass dieses
Ideal von jeher aus der Defensive gedacht war. Die Aufarbeitung der tatsächlich darin mitverarbeiteten Einflüsse ist dennoch komplex - aber man erkennt , dass auf so definiertem Schauplatz Latein von der Seite der Weiterentwicklungen
dieser Kräfte unter Druck gerät und die Suche nach neuen Rechtfertigungen in der so von der Geschichte
definierten Fragestellung erfolgt. Eine Frage nach dem Schicksal des Lateinunterrichts, die sich nicht
ernsthaft nach dem Schicksal solcher Bildungsideen in der Gegenwart fragt und der Entzifferung ihrer Entstehung
widmet, kann gar nichts anderes tun als, darin das im Fundament angelegte Problem radikalisierend, im Reich „rein menschlicher Bildung“ die „Erhöhung aller Geistes- und Gemütskräfte“ zu kognitiven und sozialen Superkompetenzen mit Reinvestitionspotenzial umzudeuten und die „schöne Harmonie des inneren und äußeren Menschen“ als integrative Befriedung über ethnische Differenzen ausgetragener sozialer Spannungen in der europäischen Gesellschaft bei gleichzeitiger Sicherung des Fortbestehens der „eigenen“ Kultur zu proklamieren. Man mag diese Vorgänge für unabänderlich halten, dann aber sollte man sich keinen rationalistischen Illusionen hingeben, die geschichtliches Verhängnis als bloß im weitesten Sinn „kognitionstechnisches“ Problem wegerklären.


Re: Latein und Integration
filix am 2.5.12 um 16:06 Uhr (Zitieren)
@arbiter: Die Kennzeichnung als „Ballast“ meinerseits war nicht mein Credo, sondern die Wiedergabe der in dem Beitrag zirkulierenden Begründungslogik.
Re: Latein und Integration
Bibulus am 2.5.12 um 16:39 Uhr (Zitieren)
@filix, sag einmal?
Du bist nicht zufällig die Inkarnation von M.Tullius Cicero?
B-)
Re: Latein und Integration
seker am 2.5.12 um 16:43 Uhr (Zitieren) I
Du bist nicht zufällig die Inkarnation von M.Tullius Cicero?

Dann hätte ich aber mal ein paar Fragen an den guten Mann ;-)
Re: Latein und Integration
filix am 2.5.12 um 19:04 Uhr (Zitieren)
utrum olim in rostris manus frigidae Philippicas scriptae mihi fuerint an eas illuc spectandas duci iusserim an iocans praeterierim, quis scit? Mnemosyne silet et laetor
 
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