Albrecht Blank am 27.1.13 um 6:52 Uhr (Zitieren) V
Folgendes Gedicht meines Ur-Ur-Ur-Ur-Großvaters mag ich im Sinn noch verstehen, eine Übersetzung fällt mir aber schwer.
Vivite felices, mea gaudia, vivite, Libri;
Attica quos tingit, quosque Latina Venus.
Omne reservavit quos provida Cura per aevum,
Conspicuos senii relligione sui.
Innumerabilium series quos nulla dierum,
Quos potuit nullum tollere tempus edax;
Quos suus a turpis tenebroso gurgite Lethes
Securos genius praestitit, atque styge.
Ipsa licet caries inventa volumina tristis
Roserit haud raro, pulvereusque situs,
Mirificas propter dotes tamen aequa pepercit,
Annuit & vestris Anna Perenna bonis.
Vivite felices, mea gaudia, vivite, Libri,
Nata scatet quorum fonte perennis aqua,
Et puri latices, & amabilis unda susurrat,
Quae nihil externae limpida faecis habet.
In quibus aurotos crystallinus ipse lapillos
Prodit, & eximias indicat humor opes.
Hybla tuas dotes retine tibi, tuque Venafrum,
Quique ferax censu mellis, Hymette, tumes:
Tu quoque vicinae serves tua munera terrae,
Floribus & blandis culte Timave thymis!
Hic apis ad morem per pascua laeta Matinae,
Hic vaga per pictos turba volamus agros.
Hic Latii flores, Graejaque papavera Suadae
Carpimus in nostros digerimusque favos.
Vivite felices, mea gaudia, vivite, Libri,
Ditius immensus quis nihil orbis habet.
Unde sibi tantas celebri cum nomine gazas,
Unde penum summi tot peperere Viri.
Unde gradum certo didicerunt ponere nisu
Rite, nec in tenebris usque micare nigris.
Intima Doctrinae castis penetralia mystis
Omnibus excussa sic patuere sera.
Sic via munitur superandi culmina quaevis,
Et juga subsidunt aspera visa diu.
Sic gravis erigitur spatiosa per aequora lucem
Quolibet ingressis exhibitura Pharos.
Sic operi reliquo fundamina rite locantur,
Collapsa moles ne strue tota ruat.
Vivite felices mea gaudia, vivite, Libri,
Attica quos tingit, quosque latina Venus.
Es stammt aus einer Arbeit „De immodico allegandi inter eruditos abusu“
Vielen Dank
filix am 27.1.13 um 11:36 Uhr, überarbeitet am 2.2.14 um 0:22 Uhr (Zitieren) III
Dies ist kein Prosatext und es ist, mit Verlaub, Latein.
Man sollte in diesem Forum mehr Verständnis für bibliophiles Schmachten erwarten können.
Der Anfang:
"Lebt glücklich, meine Freude, lebt, ihr Bücher,
die Attika euch tränkt und auch die lat. Venus,
die hervorstechend durch die Heiligkeit eures Alters
durch alle Zeit hindurch bewahrte fürsorgliche Pflege.
Die keine Reihe von Tagen, die keine
verzehrende Zeit zu vernichten vermochte;
die sicher vor der reißenden Strömung der garstigen Lethe
und dem Styx wohl bewahrte ihr Schutzgeist.
Mag die traurige Fäulnis die entdeckten Bände
auch nicht selten angenagt haben und der Staub,
der sich absetzte, so schonte doch wegen der wunderbaren
Gaben die geneigte Anna Perenna und bestätigte eure Reichtümer.
..."
Pulvereus situs scheint eher der staubige Schimmel zu sein.
Noch ein paar Verse:
Lebt glückreich, ihr meine Freude, lebt, ihr Bücher,
aus deren Quell fortwährend frisches Wasser entspringen möge
und reine Gewässer. Und die liebliche Welle murmle,
die eine Reinheit besitzt, die nicht von äußerer Trübung eingeschränkt werde.
[Ihr Bücher, ] in denen das kristallene Wasser selbst goldene Kiesel hervorbringt und außergewöhnliche Schätze offenbart.
Behalte deine Gaben, Hybla, und du, Venafrum,
und du, fruchtbarer Hymettus, der du vom Reichtum an Honig überquillst,
auch du mögest deine Geschenke für die eigene Umgebung schonen, mit Blumen und angenehmen Thymian geschmückter Timavus
Re: Gedicht
Albrecht Blank am 27.1.13 um 12:07 Uhr (Zitieren) IV
Schon einmal vielen Dank! Ich bin beeindruckt! Der Autor war ein berühmter Philologe des 18. Jahrhunderts.
Eine Beschäftigung mit den Versen, Muße vorausgesetzt, wäre sicherlich der Mühe wert. Schade, dass ich sie nicht habe! Es geht ja nicht nur um die Übersetzung, sondern um das ganze Hintergrundswissen.
Hic apis ad morem per pascua laeta Matinae,
hier (fliegt) die Biene fröhlich über die Matinischen Weiden
Hic vaga per pictos turba volamus agros.
hier eilen wir über die bunten Felder als unsteter Haufen
Hic Latii flores, Graejaque papavera Suadae
hier pflücken wir die Blüten Latiums und den Griechischen Pfeffer der Beredsamkeit
Carpimus in nostros digerimusque favos.
und verteilen ihn auf unsere Waben
Vivite felices, mea gaudia, vivite, Libri,
lebt glücklich, lebt, meine Freude, ihr Bücher
Ditius immensus quis nihil orbis habet.
nichts Reicheres als euch hat der unermessliche Erdkreis.
Unde sibi tantas celebri cum nomine gazas,
Daraus haben soviele Schätze mit berühmtem Namen,
Unde penum summi tot peperere Viri.
soviel Mundvorrat sich die höchsten Männer geschaffen.
Unde gradum certo didicerunt ponere nisu
Daraus lernten sie, mit sicherem Anlauf den Schritt richtig zus etzen
Rite, nec in tenebris usque micare nigris.
und nicht in einem fort in schwarzer Nacht umherzustolpern
Intima Doctrinae castis penetralia mystis
das innerste Heilgtum der Gelehrsamkeit
Omnibus excussa sic patuere sera.
stand so allen reinen Priestern offen<nach langer Erforschung> (?)
Sic via munitur superandi culmina quaevis,
so wird der Weg, jeden Gipfel zu bezwingen, gangbar gemacht,
Et juga subsidunt aspera visa diu.
und sie besetzen die schwierigen Höhen, die sie schon lange im Blick hatten.
Sic gravis erigitur spatiosa per aequora lucem
so wird aufgerichtet ein gewaltiger Pharos,
Quolibet ingressis exhibitura Pharos.
der den Anfängern aller Art Licht über das weite Meer bringen soll
Sic operi reliquo fundamina rite locantur,
So werden die Grundlagen für das übrige Werk richtig gelegt
Collapsa moles ne strue tota ruat.
damit der ganze Bau nicht in einen zusammengefallenen Haufen einstürzt.
heißt also svw. „nachdem der (Tür)Riegel weggerissen worden ist“
*
Nur zur Erläuterung - auch wenn’s wohl bekannt ist: Pharos war ein Leuchtturm. Ein Bild, das auch ein Jahrhundert später noch erscheint:
C’est un cri répété par mille sentinelles,
Un ordre renvoyé par mille porte-voix ;
C’est un phare allumé sur mille citadelles,
Un appel de chasseurs perdus dans les grands bois !
Car c’est vraiment, Seigneur, le meilleur témoignage
Que nous puissions donner de notre dignité
Que cet ardent sanglot qui roule d’âge en âge
Et vient mourir au bord de votre éternité !
Albrecht Blank am 27.1.13 um 16:58 Uhr (Zitieren) IV
Hier eine kleine Lebensbeschreibung des Dichters von mir. http://www.albrecht-blank.de/ahnenblan/withof.pdf
Vielleicht interessiert es jemanden.
Vielen Dank für die Übersetzung, die wirklich toll sind.
, und zwar der Turm aller Türme, eins der sieben Weltwunder (cf. den Wikipedia-Artikel, wo der Name qua Volksetymologie erläutert wird); wieso der aber im Frz. - wo er für alle Leuchttürme steht - maskulin ist, kann Kuli vielleicht erklären
in der oratio, die ja unter aktuellem Bezug gelesen werden kann ( dank des dankenswerterweise mitgeteilten links), die hübsche Trouvaille
-logodaedalus-
ob der Autor diese selbst geschaffen hat ?
Tut mir leid, da kann ich nur raten und auf Irreführung durch die maskulin wirkende Endung tippen. Solche sprachübergreifenden Geschlechtsumwandlungen sind ja gar nicht so selten, auf dt. heißt es z. B. das Debakel, auf frz. la débâcle.
Egon Friedell schwadroniert übrigens anlässlich der/des Peloponnes' in seiner Kulturgesch. Griechenlands (S. 19 in der Beck-Ausg.) über den Snobismus überkorrekter Geschlechtszuweisung.
„Immo quod maius est, iam plus trecentis annis tot uniuersitates, tot in illis acutissima ingenia, tot ingeniorum pertinacissima studia in uno Aristotele laborant, et tamen adhuc non solum Aristotelem non intelligunt, uerum etiam errorem et fictam intelligentiam per uniuersam pene ecclesiam spargunt, quanquam, si etiam intelligerent eum, nihil egregiae sapientiae adepti essent, presertim in eis libris Aristotelis, quos usitatores habent, in quibus uel ipsiusmet testimonio apud Aulum Gellium li. xx. c. iiii. Et Gregorium Nazanzenum in ser. aduersus Arianos non nisi merus logodaedalus et logomachus deprehenditur. “ (WA 1, 611)
Der ewig ungnädige Johann Philipp Krebs vermerkt dazu: „Logodaedalus, ein Wortkünstler, kommt erst im N. L. vor, ist aber unnötig aus dem Griechischen genommen, für verborum artifex, architectus verborum (Cic. Brut. 118), ebenso logomachia, der Wortstreit, für verbi oder verborum discordia.“