ich bin über ein Zitat von Justus Lipsius gestolpert, und würde sehr gerne wissen was es auf Deutsch heißt. Ich hab versucht mir das selber zusammenzureimen, aber da ich leider nie Latein hatte, bin ich kläglich gescheitert. Vielleicht kann mir jemand weiterhelfen?
„In isto vario et diffuse scribendi genere alius alio plura invenire potest, nemo omnia.“
In isto vario et diffuso scribendi genere alius alio plura invenire potest, nemo omnia."
In dieser vielseitigen und weitschweifigen Art des Schreibens kann einer mehr schaffen/bewerkstelligen als der andere, niemand alles.
Auch im Zusammenhang des Textes erscheint Ondits Übersetzung passend. Allerdings erweist sich das invenire als janusköpfig: zurückweisend kann man es auf die aufzufindenden Fehler beziehen, vorausweisend auf die zu entdeckenden Gedanken.
Geleitwort von Justus Lipsius.
Es schien angemessen, verehrter Leser, zu meinem Text noch das Folgende kurz anzumerken. - Warum nicht innerhalb desselben? Weil derartiges nicht nach jedermanns Geschmack ist, und es für die meisten genügt, dass darin das Wesentliche zum Thema erörtert worden ist. Ein Grund ist auch: weil ich es für richtig hielt, gewisse Dinge ausführlicher und gründlicher zu wiederholen. Das musste ich durchaus tun - so, wie unsere Zeit beschaffen ist. In ihr gedeiht die Krittelei, ganz wie es der Redensart nach heißt: Gleich bewässertem Unkraut, sprießt sie höchst fruchtbar hervor.
Schuldig bin ich in jedem Fall: entweder durch das, was ich getan, oder durch das, was ich unterlassen habe. Und den meisten gefällt es, bloß die Disteln in den Büchern aufzustöbern. Ich aber weiß, dass niemand so glückreich ist, dass er der Fehlbarkeit entginge, und dass dies nicht bloß ein Charakteristikum des Wirrkopfes, sondern des Menschen selbst ist. Also nicht einmal jetzt, da ich mich in acht nehme, werde ich mich genug in acht genommen haben: zumal auf diesem vielfältigen und weiten literarischen Gebiet, auf dem zwar einer mehr als der andere entdecken kann, aber niemand alles. Umso seltsamer ist es, dass manche über mich spotten: aber wie vieles gelänge ihnen selbst vielleicht nicht einmal zu denken, wenn sie es auf eigene Faust versuchten.
zweifellos gefällig eingebettet und mit „entdecken“ adäquat übersetzt. das leerformelhafte des gedankens („... auf dem zwar einer mehr als der andere entdecken kann, aber niemand alles ...“) bleibt.
Keine tiefsinnige Botschaft, bloß eine Bescheidenheitsfloskel. Übernommen hat sie Lipsius aus Ausonius' Vorrede zu seinem Griphus ternarii numeri (ebenso den anderen unterstrichenen Satz):
Und ich bin sicher, dass jemand kommen wird und diese meine Spielerei mit krauser Nase und Stirnrunzeln verwirft und sagt, dass ich nicht alles, was zur Drei- und zur Neunzahl zu sagen wäre, behandelt hätte. Ich werde ihm zugeben, dass er die Wahrheit gesagt, - dass er gerecht geredet hat, nicht. Wenn er wohlgesonnen ist, wird er freilich annehmen, dass ich das, was ich nicht behandelt habe, nicht vergessen, sondern bewusst übergangen habe. Weiterhin: wie auch immer sein Sinn steht, er möge bedenken, wie vieles davon er nicht gefunden hätte, wenn er selbst es gesucht hätte. Er soll auch wissen, dass ich nicht alles, was ich aufgestöbert habe, verwendet und nur einiges, was sich anbot, ausgiebig benutzt habe. Wie vieles nämlich, was ich von der Dreizahl weiß, lasse ich links liegen: die Zeitstufen und die Personen, die Geschlechter und die Komparationsstufen, die neun natürlichen Metren zusammen mit den Trimetern, die ganze Grammatik und Musik und die medizinischen Fachbücher, den Dreimalgroßen Hermes und den ersten Freund der Philosophie und die Zahlen des Varro und alles, was das gemeine Volk nicht kennt. Schließlich, wenn jener vieles gefunden hat, was leicht möglich ist, möge er sich und mich vergleichen, den Packesel und den Mann mit Muße, den Bücherfresser und den Mäßigen, mein Scherz-und-Spiel, sein Streben-und-Verleumden. Der eine kann nämlich mehr als der andere finden, niemand alles.