Vergils Pyrotechnik ist doch etwas opulenter. Der Dichter nimmt hier gewisse Anleihen bei Homer - http://books.google.de/books?id=Pv5dMPnYwE4C&pg=PA235 - aber er erklärt das Bild, das er zu zeichnen sucht, freundlicherweise in den folgenden Versen selbst: „Non secus ac liquida si quando nocte cometae Sanguinei lugubre rubent aut Sirius ardor“ - vom Helm ergießt sich also ein Leuchten in der Art eines Gestirns oder Kometen (in der Antike: Haarstern). Man stelle sich den Helmbusch wie einen aus dem vertex sich ergießenden Kometenschweif vor; beim sogenannten Montefortino-Helmtyp, der bis zu Augustus verbreitet war, wird das besonders anschaulich: „Der rund zwei Kilogramm schwere Montefortinohelm hat eine weitgehend halbkugelförmig wirkende Kalotte, die nach oben hin in einen leicht konisch sich verjüngenden Knauf ausläuft. Dieser aus einem Stück mit der Kalotte getriebene Knauf diente zur Aufnahme eines Helmbuschs.“ - http://de.wikipedia.org/wiki/Montefortino
„Es glüht (ardet) am Haupt ( capiti - cf. Georges: Lexikon der lat.Wortformen: caput Abl. gew. capite, aber poet. auch capiti ... - es gibt noch andere Erklärungen, die über einen Dativ mit der Funktion eines Lokativs laufen, so oder so ist es ziemlich sicher eine Ortsangabe) der Helm (apex - pars pro toto) und (-que) eine Flamme (flamma) ergießt sich (funditur - wörtlich: wird ausgegossen) von der Spitze (a vertice) in (der Art von) kammartigen Auswüchsen/in einem Schweif (cristis - wie z.B. der Abl. modi: versibus).“
Wie immer beeindruckend, aber CRISTA ist doch der Helmbusch an sich. Wie kann sich eine Flamme wie ein Helmbusch ergießen, wenn die Flamme doch der Helmbusch IST?
Andersherum würde ich es noch verstehen: Der Helmbusch ergießt sich wie eine Flamme ...
So hast du nur noch einen schlappen Vergleich, der auch grammatisch nicht wirklich aufgeht, Vergil malt jedoch ein Bild, das er hinterher erklärt.
Da gehe ich zunächst lieber von der Primärbedeutung aus, da crista auf crinis und damit auch auf die „stella crinata = Haarstern/Komet“ verweist.
crista, ae, f. (vgl. crīnis aus *crisnis, crispus), I) der kammartige Auswuchs am Kopfe der Tiere, der Kamm, die Raupe, bes. des Haushahns, Varro: des Wiedehopfs, Ov. u. Plin.: der Schlange, Plin. – Sprichw., cristae alci surgunt, ihm schwillt der Kamm, Iuven. 4, 70. – II) der Kamm (= gezackte Rand) des Blattes, foliorum, Plin. 22, 86. – III) der Helmbusch, die Helmraupe, Verg., Liv. u.a. – IV) der Kitzler in der weibl. Scham, Iuven. 6, 422. – V) der Kamm des Gebirges, cristae sunt montium altiores, Cypr. de spect. 9."
Re: VERGIL - Vers
filix am 20.11.13 um 14:23 Uhr, überarbeitet am 30.12.13 um 20:17 Uhr (Zitieren)
Im Übrigen: Weshalb sollte Vergil einen weiteren Abl. loci setzen, wenn er doch schon in „a vertice“ den Ausgangspunkt der Flamme benannt hat? Machte dann mit „capiti“ drei Ortsangaben in einem Bild. Pretty overdone.
Ich war zunächst auch von einem lokativischen Ablativ ausgegangen. Die Ortsangabe würde so mehrfach präzisiert. Aber dem Effekt wäre das eher abträglich ...
„Schau dir den Äneas an: er leuchtet!“ - „Leuchtet?“ - „Ja, am Kopf. Sein Helm glüht ja förmlich.“ - „Sein Helm? Wo denn?“ - „Na, guck doch hin! Am Helmbusch.“ - „Helmbusch?“ - „Siehst du’s nicht? Ganz oben von der Spitze her ergießt sich eine Flamme.“ - „Jetzt, wo du’s sagst ... Ja, ich glaube, da ist was.“
Wir leben übrigens in Zeiten, die zwischen sprachlich vermitteltem Bild und physikalischem Effekt weniger Abstriche machen müssen als die dichtenden Ahnväter der Glasfaseroptik: http://tinyurl.com/kungsye