Latein Wörterbuch - Forum
Übereinstimmungen in der Mythologie — 1211 Aufrufe
quarens am 23.12.13 um 10:14 Uhr (Zitieren) II
Jupiter wurde von einer Ziege genährt - Romulus und Remus von einer Wölfin; Romulus und Remus wurden ausgesetzt wie Moses; Romulus erschlug Remus - Kain erschlug Abel. etc.

Wie lassen sich diese Gemeinsamkeiten erklären? Ist es so, wie es im Buch Caesar lässt grüßen, erklärt wird, dass die Gründungssage Roms bewusst gestaltet wurde?
Re: Übereinstimmungen in der Mythologie
Graeculus am 23.12.13 um 10:40 Uhr (Zitieren) I
M.E. sind das Standardmotive von Märchen bzw. Mythen - da muß man keine inhaltliche Abhängigkeit annehmen. Zumal die jüdischen Mythen wohl erst durch das (spätere) Christentum ihre Verbreitung im ganzen Mittelmeerraum erhalten haben.
Re: Übereinstimmungen in der Mythologie
quarens am 23.12.13 um 10:58 Uhr (Zitieren) I
also reiner zufall? Du meinst es gab sozusagen einen „Eimer“ voll verschiedener Motive, aus dem sich dann die Mythen entwickelt haben?
Re: Übereinstimmungen in der Mythologie
Graeculus am 23.12.13 um 11:10 Uhr (Zitieren)
Nennt man diesen Eimer nicht ‚Archetypen‘?
Re: Übereinstimmungen in der Mythologie
quarens am 23.12.13 um 11:14 Uhr (Zitieren)
kann man es sich so vorstellen, dass die Gründungssage bewusst gestaltet wurde?
Re: Übereinstimmungen in der Mythologie
filix am 23.12.13 um 11:31 Uhr, überarbeitet am 23.12.13 um 18:01 Uhr (Zitieren)
Kaum - was die Seite der tatsächlichen gesellschaftlichen Vorgänge angeht, die in diesen Mythen präsent ist, so ist z.B. an Kindesaussetzungen aus verschiedenen Gründen zu denken: wirtschaftliche Erwägungen, Familienplanung, Illegitimität des Nachkommen, Aberglauben ... Die gibt es wohl überall dort, wo solche Erzählungen auftauchen. Deren wirkliche - wie wir das heute in der Regel sehen: Opfer verschwinden als Individuen sonst spurlos in der Geschichte, sie sterben oder fristen als „Gerettete“ ein Dasein als Sklaven, Prostituierte usf., in der mythologischen Erzählung hingegen steigen sie an die Spitze von Ordnungen auf, werden zu Helden, Stiftern oder Gründern von Kulten, Städten usf.
In dieser vagen Abbildung gesellschaftlicher Realität erschöpft sich die Funktion der Mythen natürlich nicht - sie erfüllen verschiedene Zwecke: bei Romulus und Remus, die erst im 4./3. Jhdt. v.u.Z. ihren Platz unter den Gründungssagen erobern, fällt z.B. auf, dass sie ja überhaupt erst zu Zwillingen werden, als sich in Rom das Prinzip konsularischer Kollegialität an der Spitze des Gemeinwesens voll entfaltete.
Re: Übereinstimmungen in der Mythologie
quarens am 23.12.13 um 11:34 Uhr (Zitieren)
Wie sind deine Äüßerungen zu verstehen? Die Mythen als idealisiertes Abbild der Gesellschaft?
Re: Übereinstimmungen in der Mythologie
filix am 23.12.13 um 12:03 Uhr (Zitieren)
Nein, deine Frage war zunächst, wie diese Parallelen erklärt werden können - für das Mythologem der Aussetzung liegt m.E. die Annahme einer verbreiteten gesellschaftlichen Praktik nahe, die in diese Erzählungen eingespeist wird. Eine Idealisierung im Verhältnis zum tatsächlichen Schicksal der davon Betroffenen zu konstatieren, ist möglich, erklärt aber kaum die vielfältige Funktion von Mythen. Man muss sich dabei auch fragen, aus welchem Geist so eine Diagnose erstellt wird: dass wir in der westlichen Welt an diesem Punkt der Geschichte an solchen Praktiken fast ausnahmslos Verwerfliches finden, sollte nicht dazu verführen, in der Kopplung mit einem gemessen an der Realität unwahrscheinlichen Ausgang solcher Leben Verleugnung als die treibende psychologische Kraft der Narration zu identifizieren.

Re: Übereinstimmungen in der Mythologie
quarens am 23.12.13 um 12:10 Uhr (Zitieren)
Hmm. OK, Mythen als Abbild der gesellschaftlichen Umstände.
Aber wie hat man sich die Entwicklung der Gründungssage in etwa vorzustellen?
Es ist wenig bekannt über den Ursprung, es kursieren verschiedene Geschichten, nach und nach manifestiert sich eine Erzählung, die einzelne Elemente der verschiedenen Variationen in sich vereint?
Re: Übereinstimmungen in der Mythologie
filix am 23.12.13 um 18:52 Uhr, überarbeitet am 23.12.13 um 21:37 Uhr (Zitieren)
Ursprungsfragen werden selten nur einmal gestellt, an geschichtlichen Wendepunkten finden sich oft Revisionen der Erzählungen. Dass sie überhaupt gestellt werden und eine Art Geschichtsschreibung sich herausbildet, die mit dem, was wir heute darunter verstehen, wenig gemein hat, ist ein im Verhältnis zur Zeit, in der diese Geschichten angesiedelt werden, spätes Phänomen.
Einen ersten Überblick über die Gründungssagen Roms und ihre Entwicklung gibt Kurt A. Raaflaub „Romulus und die Wölfin“ in „Erinnerungsorte der Antike: die römische Welt“ S.18-39. Dass mit dem Mythos auch in der Gegenwart zu keinem Ende zu kommen ist, mag an der Interpretation deutlich werden, die Gunnar Heinsohn / Otto Steiger für das Auftauchen von Romulus und Remus geben: http://www.km21.org/capital/heinsohn-steigerB_1996.htm
 
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Nein, deine Frage war zunächst, wie diese Parallelen erklärt werden können - für das Mythologem der Aussetzung liegt m.E. die Annahme einer verbreiteten gesellschaftlichen Praktik nahe, die in diese Erzählungen eingespeist wird. Eine Idealisierung im Verhältnis zum tatsächlichen Schicksal der davon Betroffenen zu konstatieren, ist möglich, erklärt aber kaum die vielfältige Funktion von Mythen. Man muss sich dabei auch fragen, aus welchem Geist so eine Diagnose erstellt wird: dass wir in der westlichen Welt an diesem Punkt der Geschichte an solchen Praktiken fast ausnahmslos Verwerfliches finden, sollte nicht dazu verführen, in der Kopplung mit einem gemessen an der Realität unwahrscheinlichen Ausgang solcher Leben Verleugnung als die treibende psychologische Kraft der Narration zu identifizieren.

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