filix am 2.7.14 um 18:33 Uhr, überarbeitet am 2.7.14 um 19:14 Uhr (Zitieren)
Angelegentlich der bei der Lektüre untergekommenen Behauptung, bei der plautinischen Wortschöpfung „virgidemia“ = „Prügelernte“ handle es sich um ein portmanteau word (was ich für unzutreffend halte, da eigentlich keine Kontamination stattfindet), stellte sich mir die Frage nach weiteren/echten Beispielen. Der lat. Wikipedia-Artikel über diesen Wortbildungstyp nennt von neulateinischen Spielereien abgesehen keine, in der Diskussionsecke tauchen (das grenzwertige) „hocdie“ und „suovitaurilia“ auf. Mir kam noch das bis in unsere Gegenwart verbreitete „tragicomoedia“ (natürlich aus dem Gr., aber der Punkt hier ist die Kontamination der Lehnwörter) in den Sinn, das ebenfalls auf Plautus zurückgeht und der definitorischen Anforderung, dass die Verschmelzung einen neuen Sinn erzeugen soll, eigentlich noch am besten entspricht. Fallen euch weitere ein?
filix am 2.7.14 um 18:54 Uhr, überarbeitet am 2.7.14 um 20:13 Uhr (Zitieren)
ist das Vorbild zu „virgidemia“ - beide m.E. schlicht Komposita ohne Kontamination. Vgl. den Unterschied zwischen „Bücher-regal“ und „J(a)-(n)ein“ im Dt., auch wenn das im Lat. etwas anders funktioniert mit der Fusion ... Da fangen die Probleme an.
ich erlaube mir, bei dieser Gelegenheit eine von mir im politischen Kampf erfundene Wortbildung lateinischer Herkunft vorzustellen: alternaiv
ich bitte die Subsumptionsfähigkeit zu prüfen
Cicero konstruiert hier nach griechischen Muster parallel zu φιλοσοφητέον <-> facteon (entsprechen dem lateinischen Gerundiv). Im Griechischen bleibt die Kasusrektion (-> Akk. istos consulatus) bei unpersönlicher Konstruktion des Verbaladjektivs erhalten. Verbaladjektive der transitiven Verben können persönlich oder unpersönlich konstruiert werden.
Meinst Du Wortzentauren bzw. Chimären, Zusammensetzungen von Wörtern aus verschiedenen Sprachen?
Da gibt es doch viele. „Soziologie“ ist eines, „Homosexualität“ ein anderes. Und natürlich ist „Wortzentaur“ ein Wortzentaur.
Meinst Du sowas?
Ich bin müde und habe keine Lust nachzuschauen, was „Portmanteau-Wörter“ sind.
Re: Lateinische Portmanteau-Wörter
filix am 2.7.14 um 21:32 Uhr, überarbeitet am 2.7.14 um 23:49 Uhr (Zitieren)
Zunächst danke für das rege Interesse.
Nein, das ist für mich ein gewöhnliches Kompositum (vestis u. contubernium), es findet keine Kontamination statt.
Schöne Trouvaille. Im Original „quare, ut opinor, φιλοσοφητέον, ... et istos consulatus non flocci facteon “
Praktisch unübersetzbar. Der Kandidat für ein Portmanteau-Wort ist „fac-teon“ (noch dazu mit code-switching). M.E. entspricht „istos consulatus non flocci facteon“ aber ungefähr etwas wie „one should auf dieses ganze Konsulatszeug einen Scheißdreck/keinen Pfifferling given“. „(one should) giv-en“ ist dabei als aus engl. Wortstamm & dt. Flexionssuffix „-en“ in Analogie zu „fac-τέον“ (lat. Wortstamm & gr. Verbaladjektivsuffix) hervorgegangen gedacht. Folglich keines.
Interessanter Fall. Prima vista ist „alter-naiv“ wie „alter-nativ“ gebildet, es liegt keine Kontamination vor - aber eigentlich verständlich wird es nur in Anspielung auf das darin durch den Wegfall des „t“ untergegangene Wort „alternativ“.
Nein, der Punkt ist die Kontamination. „Jein“ ist ein dt. Wort in allen Bestandteilen, aber es verschmelzen in ihm „Ja“ und „Nein“ so, dass dabei die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten der beiden Teile nahezu unkenntlich werden (und die Neubildung einen neuen Sinn erhält).
Diesen strengen Kriterien wird allerdings auch die tragicomoedia nicht gerecht, denn der auch selbständig auftretende Bestandteil comoedia erfährt ja in der Kompostion keine Veränderung. Und da comoedia / κωμ-ῳδία in der Herkunftssprache selbst ein analog zu τραγ-ῳδία gebildetes Kompositum darstellt, halte ich tragi-com-oedia („Bocks-Reigen-Singspiel“) lediglich für ein dreigliedriges Kompositum wie Rot-Grün-Blindheit, Start-Stopp-Automatik oder su-ove-taurilia.
Rein aufs Bildungsprinzip bezogen, ließen sich malle und nolle hierherstellen, aber hier fehlt die über die Summe der Bestandteile hinausgehende neue Bedeutung des Ganzen.
Re: Lateinische Portmanteau-Wörter
filix am 3.7.14 um 14:19 Uhr, überarbeitet am 3.7.14 um 14:20 Uhr (Zitieren)
Stimmt letztlich. Bei „su(s)_ove ...“ könnte man noch die Frage aufwerfen, ob nicht wenigstens ein Bestandteil im anderen untergeht , also annähernd etwas wie „Schwafstierilien“ entsteht. Was passiert eigentlich mit der Länge („sūs“) in „suovetaurilia“?
filix am 9.8.14 um 20:09 Uhr, überarbeitet am 9.8.14 um 20:34 Uhr (Zitieren)
Bei „nuncupare“ http://www.zeno.org/Georges-1913/A/nuncupo?hl=nuncupo ist zumindest der Bestandteil „nomen“ völlig unkenntlich. Das führt, folgt man Peter Stotz, im Mittellat. womöglich zur Schreibweise „nunccupante“ (wie z.B in loco nunccupante Bercilinga - im Ort der <jetzt> B. heißt), da die Herkunft vergessen bzw. ignoriert wurde und sich die lautliche Assoziation mit „nunc“ einschleichen konnte. Ob allerdings dadurch ein wirklich neuer Begriff im Verhältnis zu „nomen capere“ entsteht, kann bezweifelt werden (obschon der Übergang von „heißen“ zu „nennen/bezeichnen“ erfolgt) - am ehesten ist dies noch bei den Spezialbedeutungen: „feierlich aussprechen/ankündigen, weihen, widmen ...“ der Fall.