Versuche mich gerade an einer Übersetzung von folgendem Satz:
Egrediatur ut splendor iustus Sion, et Salvator eius ut lampas accendatur (Jesaja 62)
aus dem Weihnachtsoratorium von Camille Saint-Saens.
Leider vertont er nicht den ganzen Satz, sondern fängt irgendwo in der Mitte an.
Originaltext: Propter Sion non tacebo, et propter Jerusalem non quiescam, donec egrediatur ut splendor justus ejus, et salvator ejus ut lampas accendatur.
Was macht man jetzt, wenn man für ein Konzertprogramm eigentlich nur das übersetzen will, was auch tatsächlich gesungen wird? Der Sinn ist ja dann ein bißchen anders, z.B. der Konjunktiv etc.
Die Einheitsübersetzung ist oft von dem lat. Text recht weit weg (sie übersetzt ja auch aus dem Hebräischen), deswegen möchte ich es auch nicht einfach abschreiben.
Hat jemand einen Vorschlag?
Danke!
Ach ja, man sollte einen Übersetzungsversuch angeben:
Wenn ich nur den vertonten Text übersetze:
Zion möge wie ein gerechter Glanz hervorgehen, und sein Erlöser möge wie eine Fackel entzündet werden.
(Nicht sehr sinnvoll, oder?)
Oder vielleicht: Der Gerechte möge wie ein Glanz aus Sion hervorgehen, und sein Erlöser möge wie eine Fackel entzündet werden.
(naja...) - weiß leider nicht mehr, ob die hebr. Wörter tatsächlich nicht dekliniert werden und man den Fall dann frei wählen kann - müßte aber eigentlich Ex Sion oder so dastehen... (?)
Den vollständigen Text würde ich so wiedergeben:
Wegen Zion werde ich nicht schweigen und wegen Jerusalem werde ich nicht still sein, bis endlich wie ein Glanz dessen Gerechter hervorgeht und sein Erlöser wie eine Fackel entzündet wird.
Besser, aber problematisch für meinen Zweck...
Die Einheitsübersetzung hat für Salvator „Heil“ - ist vllt. im lat. ein Fehler, müßte es salus heißen?
Sion wird (wie viele andere hebräische Eigennamen) im Lateinischen nicht dekliniert und steht hier im Genitiv.
Die volitiven Konjunktive egrediatur und accendatur können auch im Deutschen durch Konjunktiv wiedergegeben werden.
Egredi wird in diesem Zusammenhang von Luther mit „aufgehen“ (vgl. auch Jes. 11, 1) übersetzt.
Mit iustus und salvator weicht die Vulgata vielleicht tatsächlich vom hebräischen Text ab. (Das müsste jemand beurteilen, der das Hebräische lesen kann.) In der Septuaginta stehen hier jedenfalls Abstrakta.
Der Text des Librettos (Egrediatur ut splendor iustus Sion, et Salvator eius ut lampas accendatur.) lässt sich dann übersetzen mit: „Der Gerechte Zions gehe auf wie ein Glanz und ihr Heilland entbrenne wie eine Fackel!“
Statt „lobe“ wohl besser „preise“ oder „lobpreise“.
PS: Hab noch zwei andere problematische Stelle gefunden:
1. Tecum principium in die virtutis tuae, in splendoribus Sanctorum. (Ps. 109 (110), 3)
Mit dir ist ? am Tag deiner Macht, im Glanz (das kann man wohl kaum sinnvoll als Plural übersetzen) der Heiligen.
Principium als Gen. Pl. von Princeps = „der Fürsten“? oder kommt es von principium „Anfang“?
2. Domine, ego credidi, quia tu es Christus, Filius Dei vivi. (Joh 11, 27)
Herr, ich habe geglaubt, weil du Christus bist, der Sohn des lebendigen Gottes.
Die EÜ schreibt: ... ich glaube, daß du ...
steht. m.E: aber im lat. nicht da, oder?
In der Spätantike gerät der a.c.i. außer Gebrauch und wird zunehmend durch einen konjunktionalen Nebensatz ersetzt, eben der „dass-“Satz. Dazu wird zum Haaresträuben des Ciceronianers eben „quod“ oder „quia“ verwendet; aus dem letzteren ist meines Wissens die Konjunktion „que“, z.B. im Französischen entstanden. Isso, nimm´s hin
Ok, danke - gilt das grundsätzlich für quia? Also z.B. auch hier?:
Laudate coeli, et exsulta, terra, quia consolatus est Dominus populum suum, et pauperum suorum miserebitur.
Und gibt´s zufällig auch so eine Verschiebung für quoniam von kausal zu temporal?
Statt „da/weil“ liest man öfter „wenn“, z.B. hier:
exsultat terra a facie Domini, quoniam venit
PS: Ich finde dies Forum wirklich super - weiß jemand ein gutes Lexikon oder eine Grammatik speziell zu mittelalterlichem Latein? Ich bin Kirchenmusikerin und brauche das dauernd...
Das verstehe ich nicht. Denn und da/weil haben doch nahezu dieselbe Bedeutung (nur einmal mit HS und einmal mit NS).
Heißt quia hier nun „daß“ oder „Weil/da/denn“?
Lobpreiset, ihr Himmel, und juble, Erde, w e i l der Herr sein Volk getröstet hat, und sich seiner Armen erbarmen wird.
oder:
Lobpreiset, ihr Himmel, und juble, Erde, d a ß der Herr sein Volk getröstet hat, und sich seiner Armen erbarmen wird.
Es stört mich, wenn - gerade im kirchlichen Bereich - die Übersetzungen so ungenau sind...
Credo in unum Deum - wir glauben an den einen Gott - sowas nervt mich einfach...
Im deutschen „Missale romanum“ finden wir seit dem 2. Vatikanischen Konzil (um 1964) das „Credo“ in der „Wir-Form“, die dann auch von anderen Kirchen übernommen wurde. Diese ist aber nur für Gottesdienste in geschlossenen Gemeinschaften geeignet, wo jeder jeden kennt, denn ich kann nicht für einen mir unbekannten Menschen mit den Glauben bekennen.