als Nichtlateiner benötige ich Hilfe bei der Übersetzung eines Urkundentextes, es geht darin um die Einnahmen der Kirche. Der Textausschnitt lautet:
„... opidumque Schoenegk ac villarum Eschenbach, Schilbach, incole loco decime tricesimum manipulum, villa vero Guntzen et ejus incole medietatem ministrant.“
Ich deute: das Städtchen Schöneck und die Einwohner der Orte Eschenbach und Schilbach entrichten als Zehnten die dreißigste Garbe, das Dorf Gunzen aber mit seinen Einwohnern zur Hälfte.
Preisfrage an die Grammatikexperten: Worauf bezieht sich medietatem? Auf die Abgaben (d. h. mussten die Gunzener nur die Hälfte wie die anderen Dörfer entrichten) oder auf den Ort selbst (d. h. nur die Hälfte der Einwohner des Ortes waren abgabenpflichtig)?
Bitte keine inhaltlichen Interpretationen, es geht mir hier nur um die ganz konkrete Grammatik.
Eine kleine Hintergrundinfo behalte ich noch für mich, um niemanden zu beeinflussen.
das Dorf Gunzen und seine Einwohner Hälfte leisten die Hälfte (der Abgaben/des tricesimum manipulum der anderen genannten Orte)
Das müsste ganz anders lauten im Lateinischen. Logisch kann man nur tricesimi manipuli zu medietatem ergänzen.
Ansonsten liefe es darauf hinaus, dass die Einwohner die Hälfte der Einwohner, also von sich selbst, als Abgabe abliefern, wenn man incolarum ergänzen würde, was natürlich völliger Unsinn ist.
„loco decim<a>e“ meint hier m.E. „anstatt des Zehnten“, die genannten Ortschaften und ihre Einwohner müssen also ermäßigte Abgaben entrichten - die dreißigste bzw. (als Hälfte davon) sechzigste Garbe.
Re: Bitte um Übersetzungshilfe „medietatem“
Klaus am 22.6.15 um 9:57 Uhr, überarbeitet am 22.6.15 um 10:06 Uhr (Zitieren) II
@assinapians:
Quodam die Georgius pervenit in civitatem Silenam. Prope erat lacus specie maris, in quo draco latebat.
Cottidie cives, ut eius furorem sedarent,duas oves ei dabant.Cum autem oves paene deficerent,ovi hominem adiungebant. Quodam die filia regis sorte est deprehensa...................
Georgius draconem occidit. Rex vero in honorem Georgesi ecclesiam exstruit. Georgio autem ingentem pecuniam obtulit, quam ille accipere nolens pauperibus dari iussit.
@Arborius et Schoki: Das ist ein Text am Ende der 8. Klasse ( 3. Lateinjahr in Bayern).
@Klausum:
Ad illam fabulam non alluseram, sed Minotaurus mihi in mentem venerat. Cuius praeda „pinguior“ fuisse videtur.
„Alle neun Jahre mussten sie sieben Jünglinge und sieben Jungfrauen nach Kreta senden, wo sie in das Labyrinth des Minotauros geschickt und so diesem geopfert wurden.[3]“
Libenter scirem, cuius socrus tum illo in lacu latuerit.
Re: Bitte um Übersetzungshilfe „medietatem“
Klaus am 22.6.15 um 10:18 Uhr, überarbeitet am 22.6.15 um 10:56 Uhr (Zitieren)
Ne peccaveris, est fabula Christiana. Et ille Georgius non solitus est socrus necare.
Et ille Georgius erat proavus Georgesii nostri, qui se abdiderat et resurrexit.
Hm. Für Fragen wird da aber eine ganz andere Formulierung genommen: was meint er? quid sibi vult?: was meint er mit der Rede? quid sibi vult haec oratio? quid sibi volunt verba ista?
Das kommt mir auch komisch vor. Im Georges steht: wissen wollen, -mögen, zu wissen wün schen, a) zu erfahren wünschen: volo od. cupio od. concupisco scire; volo od. cupio discere (ich möchte lernen); volo od. cupio videre (ich möchte sehen); volo od. cupio audire (ich möchte hören); sciscitor, von jmd., ab oder ex alqo (ich forsche, frage nach, z.B. uter Porsenna sit: und ab alqo, cur etc.); miror (bei Fragen, deren Beantwortung Bewunderung erregen würde, z.B. se mirari, quā re etc.: u. miror, unde sit).
Dann musst du „miror“ nehmen. (Guck doch mal richtig hin!) Na ja, un d Neremiah Grew kenn ich nicht. (Ob der wirklich klassisches Latein geschrieben hat?) In dem Plautuszitat steht eine indirekte Frage. Du hast aber eine direkte Frage gestellt.
Das ist kein indirekter FS, sondern ein Relativsatz.
„Wo ist der Mensch, den du meinst ?“
Ob direkte Frage, indirekte Frage oder Rel.satz sollte hier zudem keine Rolle spielen.
Ersteinmal vielen Dank an alle, die sich an die Übersetzung gewagt haben.
Jetzt komme ich zu der oben genannten Hintergrundinfo, die ich bisher zurück gehalten habe. Vielleicht versteht ihr dann, warum ich bisher damit hinter dem Berg gehalten habe.
Gunzen liegt im Eisenbachtal, dieser Bach war früher die Grenze zwischen den Bistümern Naumburg und Regensburg. Folglich waren auch die am Bach gelegenen Orte in zwei Seiten geteilt, die jeweils verschiedenen Kirchspielen zugehörig waren (im Falle von Gunzen Schöneck und Markneukirchen).
Es spricht viel dafür, dass das auch bei Abfassung oben genannter Urkunde 1491 der Fall war. Im Visitationsprotokoll 1529 wird bei den Eingepfarrten genannt „Eschenbach, Schilpach Guntzen die helffte gehoren gen Schoneck“ und „In diesen dorfern vnd im marck soll mir die dreyssigste garb gefallen, auch den xxx. flax possenn.“ Auch von Markneukirchen ist bekannt, dass die Dörfer inkl. Gunzen die 30. Garbe zu entrichten hatten. http://archive.thulb.uni-jena.de/ThHStAW/rsc/viewer/ThHStAW_derivate_00062418/ThHSTAW_Regli_2_0079.tif
Aber gibt der lateinische Text eine entsprechende Übersetzung überhaupt her? Im Sinne von „halb Gunzen gehört nach Schöneck“?
Die Frage ist für mich deshalb wichtig, weil Zweifel darüber aufkamen, ob die o. g. Trennung schon immer in dieser Form vorlag oder erst später (nach 1491?).
Vielen Dank nochmal an alle Übersetzer!
Re: Bitte um Übersetzungshilfe „medietatem“
Klaus am 22.6.15 um 17:26 Uhr, überarbeitet am 22.6.15 um 17:27 Uhr (Zitieren)
Hast du den Beitrag von filix gelesen, der gibt dir eindeutig Auskunft!
Dei Link der Uni Jena zeigt nur ein leeres Blatt.
Hm, ok, dann wären wir bei folgender Übersetzung?
„Das Städtchen Schöneck und die Einwohner der Orte Eschenbach und Schilbach entrichten anstatt der zehnten die dreißigste Garbe, das Dorf Gunzen aber mit seinen Einwohnern die Hälfte.“
Habe ich das richtig interpretiert?
Du hast richtig verstanden. filix ist ein Experte.
Re: Bitte um Übersetzungshilfe „medietatem“
filix am 22.6.15 um 19:35 Uhr, überarbeitet am 22.6.15 um 19:36 Uhr (Zitieren)
Nein, ich bin kein Experte für Wirtschaftsgeschichte der frühen Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der Bistümer Naumburg und Regensburg - aber wie schon meine Vorposter sicher, dass sich „medietatem“ auf die Abgabe bezieht. Wenn Gun(t)zen mit der Hälfte des ohnehin ermäßigten Satzes davonkommt, liegt nahe, dass es kleiner bzw. weniger produktiv war.
Hallo filix,
danke für deinen Kommentar. Mittlerweile bin ich fast der Meinung, dass der damalige Urkundenschreiber bereits einen inhaltlichen Fehler in der Urkunde hatte. Wie bereits oben geschrieben ist die Teilung des Ortes an anderer Stelle mehrfach bezeugt, des Weiteren weisen die Visitationsprotokolle 1529 bzw. 1617 auch für Gunzen die Abgabe der 30. Garbe in beiden Kirchspielen aus.
Leider alles nicht so eindeutig, wie man es sich gerne wünscht...
Nicht ganz, wenn du es so formulierst.
Die Gunzener entrichteten nicht weniger wie die andern umliegenden Orte. Wie die anderen Dörfer wurde die 30. Garbe gegeben (nicht etwa die Hälfte davon = die 60., wie man meinen könnte).
Es gab keine absolute Anzahl an Getreide, das abzuliefern war, sondern man ließ bei der Ernte einfach jede 30. Garbe auf dem Feld zurück und ein Beauftragter des Pfarrers sammelte diese dann ein oder die Bauern behielten auch dieses und zahlten zum Ausgleich einen Geldbetrag.
Nur die Verteilung war anders, statt an eine Pfarre ging das Korn eben an zwei. Die Kirche in Schöneck erhielt jede 30. Garbe von den auf der Nordseite wohnenden Bauern, die Pfarre in Markneukirchen die der Südseiten-Höfe.
um die Sache abzuschließen bitte ich um kurzes Feedback, ob folgende Übersetzung soweit korrekt ist bzw. um Verbesserung:
„Das Städtchen Schöneck und die Bauern in Eschenbach und Schilbach entrichten anstatt der zehnten die dreißigste Garbe, das Dorf Gunzen aber mit seinen Einwohnern die Hälfte.“
Und eine kurze Bestätigung:
Der lateinische Text gibt so nicht her, dass nur halb Gunzen (d. h. nördlich des Baches) abgabepflichtig war, im Sinne von „...das Dorf Gunzen aber nur zur Hälfte.“
Evtl. ist filix so nett und nimmt noch einmal Stellung. Mag sein, dass der Schreiber sich unklar ausgedrückt hat
Re: Bitte um Übersetzungshilfe „medietatem“
filix am 23.6.15 um 20:18 Uhr, überarbeitet am 23.6.15 um 20:26 Uhr (Zitieren)
„... entrichten (ministrant) anstelle des Zehnten (loco decim<a>e)“ - obwohl der Zehnt so heißt, schwankt seine tatsächliche Höhe, auch wird er nicht ausschließlich auf Getreide erhoben - „decim<a>e“ kann sich zudem nicht auf „manipulum“ beziehen. Was „medietatem“ angeht, findet man bei kursorischer Recherche jede Menge Ausdrücke vom Typ „medietas decim<a>e“, „medietas tributi“ usf., wodurch die Hälfte der zu leistenden Abgabe bezeichnet wird.
Vielen Dank für die Ergänzung. Wenn ich das richtig verstanden haben wäre
„...entrichten anstatt DES Zehnten die dreißigste Garbe, das Dorf Gunzen aber und seine Einwohner die Hälfte.“
besser.
Nochmals Danke an alle für die Mithilfe.