Ich sitze gerade an einer Hausarbeit unter anderem über die Tageszeiten im alten Rom. Es ist ja bekannt, dass die Nacht in vier Nachtwachen zu je drei Stunden eingeteilt wurde. Doch wie wurden diese Stunden gemessen? Sonnenuhren funktionieren bekanntermaßen nachts nicht, Sanduhren gab es noch nicht. Haben sie sich vielleicht an abgebrannten Kerzen orientiert? Oder frei nach Gefühl? Ich konnte dazu bisher keine sinnvollen Angaben finden.
Nihil feci nisi paulum googlevi. Doleo me nihil aptius nec melius indagasse.
Harum rerum ipse imperitissimus sum.
Fortasse Graeculus noster aut aliud fori lumen nos certiores faciet/illuminabit.
Exspectemus !
Quod ergo ad tales res attinet, „apud fals(issim)um terravisti“. :)
Sollen wir annehmen, daß die römischen Soldaten, wenn sie in einem für die Nacht ausgehobenen Lager die Nachtwachen einteilten, eine transportable Wasseruhr mit sich geführt haben?
Re: Wie maß man die Nachtstunden?
Lateinhelfer am 13.1.16 um 17:43 Uhr (Zitieren) II
Vegetius berichtet darüber. Es waren mobile Wasseruhren. Mehr darüber vielleicht später...
Re: Wie maß man die Nachtstunden?
filix am 13.1.16 um 17:52 Uhr, überarbeitet am 13.1.16 um 18:02 Uhr (Zitieren)
„ideo in quattuor partes ad clepsydram sunt divisae vigiliae“ (Veg. Mil. 3)
Eine Klepsydra besteht ja aus nur zwei Behältern - https://de.wikipedia.org/wiki/Klepsydra -
und Wasser ist ohnehin unverzichtbar.
Die durch Temperaturschwankungen bedingte Ungenauigkeit wurde offensichtlich hingenommen.
@una-luce:
Für deine Hausarbeit: Es gibt auch eine zweisprachige Ausgabe mit der von filix genannten Stelle. Ebenfalls sind Erläuterungen enthalten. tinyurl.com/gszfmu4
Wie muss man es sich wohl praktisch vorstellen, wie die Zeitlänge der Nachtwachen an die Jahreszeit angeglichen wurden? Gab es wohl Eichstriche für das jeweilige Datum?
Bei Caesar (BG 5, 13) wird die Beobachtung mitgeteilt, dass die mittels Wasseruhr ermittelte Nachtlänge in Britannien sich von der auf dem Kontinent unterscheide. (Das Kapitel ist allerdings mglw. später eingefügt worden.)
Ich danke euch für die zahlreichen Antworten! Mit dem Prinzip einer Wasseruhr war ich bisher noch nicht vertraut, werde es mir aber jetzt genauer ansehen. Die Frage nach den Jahrezeiten bleibt natürlich bestehen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass eventuell grobe Daten festgelegt wurden, an denen dann die Uhren neu eingestellt wurden. Entsprechend musste man vorher und nachher Ungenauigkeiten hinnehmen.
Re: Wie maß man die Nachtstunden?
filix am 14.1.16 um 2:15 Uhr, überarbeitet am 14.1.16 um 12:45 Uhr (Zitieren)
Weißt du, worauf sich dieser Interpolationsverdacht gründet? Die dort mitgeteilte Beobachtung ist nicht besonders präzise:
„Hoc medio cursu est insula, quae appellatur Mona; complures praeterea minores obiectae insulae existimantur; de quibus insulis nonnulli scripserunt dies continuos XXX sub bruma(m) esse noctem. Nos nihil de eo percontationibus reperiebamus, nisi certis ex aqua mensuris breviores esse quam in continenti* noctes videbamus.“
„... wir sahen lediglich durch unzweifelhafte Messungen mittels (einer) Wasser(uhr), dass die Nächte kürzer sind als auf dem Festland.“
Das stimmt ja auf der Nordhalbkugel für historisch in Betracht kommende Breiten nur zwischen astronomischem Frühlings- und Herbstbeginn, wobei die maximale Differenz zur Sommersonnenwende erreicht wird. Da aus dem Text nicht klar hervorgeht, wann wo gemessen und mit welchem Ort in continenti zu welchem Zeitpunkt verglichen wurde, kann man nur ungefähr sagen, wie genau diese Instrumente gewesen sein müss(t)en. Vergleicht man Tageslängen in Rom und London um die Sommersonnenwende beträgt der Unterschied etwa 85 Minuten. Die Schilderung der Widerlegung der Behauptung, dass auf der Isle of Man um die Wintersonnenwende eine 30 Tage währende Polarnacht herrsche (Wie wäre deren Dauer eigentlich ermittelt worden?), an welche der „nisi“-Satz anschließt, lässt es aber ein wenig so erscheinen, als habe die Messung im Winter stattgefunden. Für diesen Fall ist das Ergebnis jedoch falsch.
Kuli am 14.1.16 um 13:40 Uhr, überarbeitet am 14.1.16 um 13:48 Uhr (Zitieren)
Alfred Klotz (RhM 83, 1934, S. 66-96, v. a. S. 77-86*) argumentiert gegen die Echtheit des Britannien-Exkurses damit,
- dass dieser die Erzählung (bis Kap. 11 und ab 15) völlig unvermittelt unterbricht,
- dass er in sich auffällig ungeordnet wirkt (so springt 14, 1 ex his omnibus ... gedanklich zurück zu 12, 6),
- dass Tacitus im Agricola (10, 3) bei der Umrissbeschreibung Britanniens zwar auf Livius' und Fabius Rusticus' Angaben verweist (formam ... oblongae scutulae vel bipenni), nicht aber auf die bei Caesar zu findende (insula natura triquetra), und Livius über diese ebenfalls schweigt, obwohl die Kenntnis Britanniens sich zu Livius' Lebzeiten gegenüber der Caesars noch nicht erweitert hatte.
Als weiteres Argument könnte man die Bemerkung über die 30tägige Polarnacht hinzunehmen. Um Kenntnis dieses Phänomens erhalten zu haben, musste man zumindest in die Nähe des Polarkreises gelangt sein. Die Orcades, wo derartige Beobachtungen möglich gewesen wären, scheint man aber erst seit Claudius gekannt zu haben. Bei den complures praeterea minores obiectae insulae, auf die sich die Angabe bezieht, muss es sich nicht um Inseln handeln, die der Isle of Man vorgelagert sind. Obiectae könnte auch auf Britannien als Ganzes bezogen sein.
Nicht zwingend. Der Autor gibt vor, Angaben aus eigener Beobachtung wiederzugeben. Da Caesar sich niemals während der Wintersonnenwende in Britannien aufgehalten hatte, konnte er sich nur zu im Sommerhalbjahr wahrgenommenen Phänomenen äußern. Dies hatte auch ein Interpolator zu berücksichtigen. Den Schluss, dass, wenn die Sommernächte kürzer, die Winternächte entsprechend länger zu sein haben, überlässt er dem Leser.
Bei vollständiger Polarnacht muss man wohl zählen, wie oft der Große Wagen um den Polarstern kreist. Vorstellbar wäre auch, dass Seefahrer, die um die Wintersonnenwende auf einer nördlichen Insel festgesessen hatten, bei ihrer Heimkehr erfuhren, wie lange sie fortgewesen waren, und daraus die Dauer ihres Aufenthalts errechneten.
_____ * http://www.rhm.uni-koeln.de/083/Klotz1.pdf[/sub]
Re: Wie maß man die Nachtstunden?
filix am 18.1.16 um 1:05 Uhr, überarbeitet am 18.1.16 um 1:07 Uhr (Zitieren)
Danke für Erläuterungen aus Klotz.
Die Vorstellung eines Landes am Ende der Welt, zumeist im Norden, das in völliger Finsternis liegt, existiert allerdings schon länger - so deuten viele die durch Seefahrergeschichten mündlich tradierte Kenntnis der Polarnacht als Voraussetzung für Homers kimmerische Finsternis (Od. XI, 14). Der Entdeckung der Orkneys in der Antike ging 2009 Elmar Seebold (Glotta Bd. 85 (2009), pp. 195-216) nach.
Dabei kommt er bei der Analyse der Quellen zwischen Mythos, Reisebericht und Phantasien, aus denen sich die widersprüchlichen Texte zu den Orcades speisen, auf den schon in der Antike umstrittenen Pytheas von Massalia zu sprechen, der im 4. Jhdt. v. u. Z. in einem verlorenen Werk über seine Reisen in diese Gegend, die ihn u.a. nach dem berühmten Thule nördlich von Britannien geführt haben sollen, und die dort herrschenden Tages- bzw. Nachtlängen schrieb*. Er betrachtet, ohne dass ich das jetzt im Detail nachzeichnen könnte, die Stelle aus Cäsar als „verballhorntes Stück Pytheasüberlieferung, das charakteristischerweise von Irland und Man, also vom Westen ausgeht.“ Dass die Interpolationsthese heute noch vertreten werde, bestreitet er übrigens, bleibt aber die Begründung bzw. Verweise auf eine solche schuldig.