Hallo :), undzwar bin ich gerade dabei carpe diem von Horaz zu übersetzten und dabei auf 2 Schwierigkeiten gestoßen:
Dum loquimur, fugerit invida aetas: carpe diem, quam minimum credula postero.
= Während wir sprechen, wird die neidische Zeit entflohen sein: Pflücke den Tag und vertraue möglichst wenig dem folgenden (Tag).
1) Müsste man nicht eigentlich loquimur im Futur überstzen, da die Konjunktion dum die Gleichzeitigkeit ausdrückt?
2) Warum kann man credula (Adjektiv) als Verb übersetzten? Gibt es da eine Regel hinter?
Erklärungsbedürftig ist das gewöhnlich als Futur II verstandene „fugerit“; bleibst du bei dessen Funktion, Vorzeitigkeit in der Zukunft auszudrücken, erreichst du auch keine Gleichzeitigkeit, wenn du „loquimur“ im Futur I wiedergibst.
MBS §134, 2 beschreibt Futur II u.a als Ausdruck für eine „bald und sicher eintretende Handlung“ (auch wenn hier die typische Korrelation zu einem Gliedsatz im Futur II fehlt). Man vgl. auch die Möglichkeit im Dt., Futur II zwecks Mitteilung einer bestimmten Vermutung, die eine in (unmittelbarer) Vergangenheit erfolgte, möglicherweise noch andauernde Handlung betrifft, zu gebrauchen. „Er wird <schon> losgefahren sein, während wir hier <noch> packen“.