Heute kam im Unterricht folgendes Problem vor:
Im Lateinischen gibt es das Wort foliolum (Blättchen).
Meine Frage: Kann man im Deutschen ein Diminitiv zu dem Fremdwort „Folie“ bilden?
„Foliechen/Folielein“ kann man schlecht sagen, nicht wahr?
Gibt es irgendeine Regel für solche Fälle?
Das Lateinische tut sich mit den Diminutiven leichter als das Deutsche:
Falls es dafür im Deutschen eine Regel gibt, wüßte ich sie gerne. Als in Schwaben lebender Nichtschwabe habe ich immer noch nicht kapiert, warum man (in der Sparkasse) „Kärtle“ sagt, aber auch bei geringem Geldbestand nicht „Kontole“, „Büchle“, aber selbst bei nur einem Billy-Regal nicht „Bibliothekle“, „Spätzle“, jedoch nicht „Rotkehlchenle“.
Meine aus dem Nichts gegriffene Hypothese lautet, dass man Diminutive vor allem bei ein- und zweisilbigen Wörtern bildet, wobei dies bei offensichtlichen Lehnwörtern eher vermieden wird. „Kontole“ klingt total unschwäbisch.
Re: Folie
classiculae praefectulus am 21.3.16 um 17:42 Uhr (Zitieren)
Wie wär’s mit:
Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänle :)
Nachdem ich im www keine Regel fand, hab ich versucht, mir selbst eine zu „stricken.“
Diminuitive gibt es bei Konkreta, die auch tatsächlich in kleiner oder niedlicher Version vorkommen. Wobei ich gleich auch Ausnahmen fand: die Welle, die Folie!
Also taugt meine Regel nix.
Da hilft wieder mal nur „warten auf filix“
An Klaus:
Die niedlich-Annahme scheitert m.E. daran, daß die Niedlichkeit ja erst durch das „le“ erzeugt wird und schon deshalb nicht erklären kann, welche Wörter dafür geeignet sind.
Wer Lothar Späth „'s Cleverle“ nannte, meinte damit übrigens nicht, der Herr Ministerpräsident sei niedlich.
Daß es nur bei ein- oder zweisilbigen Worten möglich ist, mag sein; aber gewiß nicht bei allen ein- oder zweisilbigen Wörtern: „Konto“ - nein; „Auto“ - nein; „Frost“ - nein.
Beim Wein muß ich es mal mit einem mehrsilbigen Wort versuchen: „a Viertele Haberschlachterle“. Bin gespannt.
Mir fällt gerade ein fünfsilbiges Wort ein: Maultaschen (oder Maultäschle) werden des verschleierten Fleischgehalts wegen, der sie sozusagen tauglich für die Fastenzeit machte, „Herrgottsverscheißerle“ genannt.
Re: Folie
Klaus am 21.3.16 um 18:31 Uhr, überarbeitet am 21.3.16 um 18:36 Uhr (Zitieren)
Bei „Konto“ funktioniert es nicht, da meine selbstgestricke Regel sagt, dass Diminuitive nur bei Konkreta vorkommen. P.S.Aber gerade sehe ich, dass filix mit „Histörchen“ schon ein Gegenbeispiel parat hat.
@Graeculus: Als Nichtschwabe hast du aber schon viel gelernt.
Re: Folie
filix am 21.3.16 um 18:32 Uhr, überarbeitet am 21.3.16 um 18:34 Uhr (Zitieren)
Der Bildung von Diminutiven sind vermutlich kaum Grenzen gesetzt - schon weil ihr Gebrauch u.a. dazu dient, Abwertung zu kommunizieren. Standardsprachlich haben sich nur -chen und -lein als Diminutivsuffixe durchgesetzt. Ich nehme an, dass ihr alle Histörchen als korrektes Diminutiv von Historie akzeptiert, das sich auch einer gewissen Verbreitung erfreut. Folglich heißt es wohl „Was haben wir denn da für ein buntes Fölchen für die Präsentation vorbereitet, Herr Kollege?“.
Die beste „Erklärung“ oder auch nicht;-) bieten die Muttersprachler des Dialekts. Ich stelle das auch immer in unserem Berchtesgadener Dialekt fest. Man hört es einfach raus. Eine Regel kann man da nicht aufstellen.
Daß alles dem Diminutiv zugänglich ist, kann ich nicht bestätigen. Bei manchen meiner halb-ironisch vorgenommenen Versuche fühlen Schwaben sich verarscht.
Die ein- bzw. zweisilbige Nomenthese könnte sogar hinhauen. Es gibt kaum (gar keine?) „deutsche“ Wörter, die mehr als zweisilbig und dabei kein Kompositum sind.
Nimmt man Maultasche, offenbar ein Kompositum, so ergibt sich daraus auch wieder Tasche - zweisilbig. Wer Gegenbeispiele für Nichtlehnwörter bzw. Nichtneologismen kennt, die mehr als zwei Silben aufweisen, nur her damit.
Es gibt dafür nur schwerlich eine Norm, was denn als anerkannte Diminutivform gilt und was nicht. Man kann theoretisch zu jedem Nomen eine entsprechende Form bilden, da zu entscheiden, was es „gibt“ oder nicht, ist schwer.
Oder *dreisilbig. Die meisten deutschen Grundwörter sind ein- oder zweisilbig, dazu eben Prä- respektive Suffix. Aber das erklärt wohl nichts hinsichtlich der Diminutivbildung.
? Nein, wollte ich sicher nicht. Meine Meinung war und ist nur, dass solche Formen aus der Sprache gebildet werden oder nicht. Eine theoretische Form, die keiner anwendet, bringt halt wenig. Es muß eine Art Gewohnheit werden, dass so etwas akzeptiert wird.
Re: Folie
filix am 21.3.16 um 19:55 Uhr, überarbeitet am 21.3.16 um 19:56 Uhr (Zitieren)
Das Diminutiv von Fohlen lautet Fohlchen, wobei Fohlen ja (m.E. selbst von einem ahd. Diminutiv abgeleitet) schon das (kleine) Jungtier bezeichnet. Derlei scheint aber z.B. auch bei Babylein kaum jemanden zu stören.
Die formale Regel für Historie, Folie & Co könnte also jenseits der Frage der Akzeptanz folgendermaßen lauten: Endet das weibl. Nomen auf -ie und wird dieses Suffix „-je“ (die korrekte Darstellung in Lautschrift funktioniert hier nicht) ausgesprochen, bildet man das Diminutiv unter Abspaltung desselben auf -chen, wobei es zur Umlautung eines Stammsilbenvokals kommen kann. Historie - Histörchen, Folie - Fölchen, Pinie - Pinchen, Kastanie - Kastanchen, Prämie - Prämchen usf.
Re: Folie
Klaus am 21.3.16 um 20:11 Uhr, überarbeitet am 21.3.16 um 20:20 Uhr (Zitieren)
@Lateinhelfer:
Durch die Zitiererei ist ein Mißverständnis aufgetreten. Ich wollte nicht sagen, du habest jemandem „eins reinwürgen“ wollen, sonern derjenige der den Satz spricht:„„Was haben wir denn da für ein buntes Fölchen für die Präsentation vorbereitet, Herr Kollege?“ , Er will dem Kollegen nämlich dann, wenn die Präsentation mit dem bunten Fölchen in die Hose gegangen war, “eins auswischen/reinwürgen,"indem er den Satz spricht.