Dieses Haus hat Bolfras für sich, seine Heimat und die Nachwelt errichtet unter göttlicher Vorsehung.
Er wünscht, weder für sich noch für seine Heimat noch für seine Nachfolger ewige, höhere Häuser zu haben/zu besitzen.
Ein einziges Haus ist erbaut als Burg, die anmutig ist (Poli macht mir Probleme)
Dieses Haus wurde von mir gegen die Stürme des Himmels erbaut.
Oder: Dieses Haus gehört dem Himmel, erbaut von mir gegen Stürme.
So ist es geeignet für meine Zwecke und (es ist geeignet) für das Gericht/als Gerichtsort.
Bis mich das gut geschützte Haus des Himmel aufnimmt,
Wenn du etwas Besseres hast, dann sei klug/überlege, wann du es errichtest
Kuli am 14.11.16 um 11:33 Uhr, überarbeitet am 14.11.16 um 11:38 Uhr (Zitieren) I
Ich denke, ja. Arx poli als „Himmelsburg“ ist nicht ungebräuchlich.
Bei den mit quas eingeleiteten Sätzen wird es sich wohl um Relativsätze handeln. Wären es mit relativischem Anschluss eingeleitete Hauptsätze, stellte sich ja die Frage, woran angeschlossen werden soll. Für „ARXQVAE“ sollten wir wohl einen Übertragungsfehler annehmen (recte: arxque). Den Anfang würde ich also so verstehen:
„Bolfrasius wünscht sich, dass das Haus, das er für sich, für seine Vaterstadt und für die Nachwelt unter der Fürsorge Gottes errichtet hat, weder von ihm noch von der Vaterstadt noch von den Erben für ein ewig auf Erden bestehendes Haus gehalten werde. *** [Nur] ein einziges Haus ist beständig und eine liebliche Himmelsburg: dieses Haus[, das ich meine,] ist das des Himmels, das für mich errichtet wurde gegen die Stürme.“
Problematisch ist der Text aufgrund seiner metrischen Struktur. Am Anfang haben wir zwei Distichen (mit Hiat nach Bolfrasius):
QVAS SIBI QVAS PATRIAE QVAS STRVXIT POSTERITATI
BOLFRASIVS AEDES PROSPICIENTE DEO
NEC SIBI NEC PATRIAE NEC SVCCESSORIBVS OPTAT
PERPETVAS SVPERAS OPTAT HABERE DOMVS.
Nun folgt ein Pentameter (der vorausgehende Hexameter fehlt offenbar):
VNA DOMVS FIXA EST ARXQVE VENVSTA POLI
Danach steht wieder ein Hexameter:
HAEC DOMVS EST COELI CONTRA MIHI STRVCTA PROCELLAS
Was danach kommt, fügt sich nicht ohne Weiteres in die Epigrammstruktur. Der folgende Vers ist offenbar wieder ein (korrupter) Hexameter.
VSIBVS APTA MEIS SIC ET EST *** JVDICIOQVE.
Dann folgt ein Pentameter:
DVM COELI CAPIAT ME BENE TVTA DOMVS
Und noch einmal ein Pentameter (mit kurzer Endsilbe bei quando und ohne längende Wirkung von str-):
SI QVID HABES MELIVS TVM SAPE QVANDO STRVES.
Re: Bolfras-Haus Frankfurt (Oder)
filix am 14.11.16 um 13:13 Uhr, überarbeitet am 14.11.16 um 13:19 Uhr (Zitieren)
Nicht „Bolfrasius aedes, quas ..., prospicente Deo nec sibi, nec patriae, nec succesoribus perpetuas <habere> optat, superas domus optat <perpetuas> habere.“ ~
„B. wünscht das Haus, welches ..., mit Gottes Vorsehung weder für sich noch die Vaterstadt noch seine Nachfolger als dauerhafte, er wünscht <vielmehr> eine höhere Wohnstatt <auf alle Zeit> zu bewohnen“?
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Leider nicht besonders detailreiche Abbildungen findet man unter: http://bolfras-kleist.eu/de/gallery/enthllter-erker/ - daraus geht einerseits hervor, dass es sich bei
„VNA DOMVS FIXA EST ARXQVE VENVSTA POLI“ um ein Chronogramm handelt, das die auch unten in arabischen Ziffern angeschriebene Jahreszahl 1597 ergibt. Andererseits könnte man noch einmal über die Anordnung bzw. die Leserichtung der Zeilen mit Blick auf die von Kuli dargelegten Unstimmigkeiten nachdenken.
filix am 19.11.16 um 12:54 Uhr, überarbeitet am 19.11.16 um 12:58 Uhr (Zitieren) I
Nimmt man an, dass - durch einen Pentameter getrennt - oben und unten jeweils zwei Distichen stehen sollten, so lautete die Anordnung:
QVAS SIBI QVAS PATRIAE QVAS STRVXIT POSTERITATI
BOLFRASIVS AEDES PROSPICIENTE DEO
NEC SIBI NEC PATRIAE NEC SVCCESSORIBVS OPTAT
PERPETVAS SVPERAS OPTAT HABERE DOMVS.
VNA DOMVS FIXA EST ARXQVE VENVSTA POLI:
HAEC DOMVS EST COELI CONTRA MIHI STRVCTA PROCELLAS
DVM COELI CAPIAT ME BENE TVTA DOMVS
VSIBVS APTA MEIS SIC EST. EST JVDICIOQVE.
SI QVID HABES MELIVS TVM SAPE QVANDO STRVES.
„Bolfras wünscht das Haus, welches er für sich, welches er für die Vaterstadt,
welches er für Nachwelt errichtet hat, mit Gottes Vorsehung weder für sich noch die Vaterstadt noch seine Nachfolger als dauerhafte, er wünscht <vielmehr> eine höhere Wohnstatt <auf alle Zeit> zu bewohnen.
Ein Haus nur ist beständig und eine liebliche Himmelsburg:
Dieses Haus <aber> ist für mich gegen des Himmels Stürme erbaut worden;
bis mich des Himmels gut geschütztes Haus aufnimmt,
ist es dergestalt für meine Bedürfnisse geeignet. Und auch als Gerichtsort.
Weißt du Besseres, so habe Einsicht, baust du <selbst einmal>."
M.E. drückt der letzte Satz aus, dass der, welcher glaubt, klüger zu sein, beim
eigenen künftigen Versuch, auf etwas anderes als diese religiöse Haltung zu bauen,
eines Besseren belehrt werden wird.
Danke für die Bilder, Werner! Interessanter Beitrag. Muß mich da erst mal einlesen. Filix und Kuli sind hier die geeigneten Leute, um deine Frage zu beantworten.
Re: Bolfras-Haus Frankfurt (Oder)
filix am 19.11.16 um 13:50 Uhr, überarbeitet am 19.11.16 um 14:02 Uhr (Zitieren)
Ein Bruder dürfte übrigens folgendes carmen gratulatorium zu Ehren Michael Bolfras' verfasst haben: http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN67878342X&PHYSID=PHYS_0017&DMDID=DMDLOG_0001
Weißt jemand Näheres über die beiden Porträtköpfe? Womöglich handelt es sich um die Darstellung derselben Person (die Ähnlichkeit scheint mir sehr groß) in zwei verschiedenen sozialen Funktionen, wobei die Kopfbedeckung die Differenz markierte.
Ich würde gern die Übersetzung von filix interessierten Besuchern und Bewohnern meiner Stadt zugänglich machen.
Deshalb meine Frage an filix: Würden Sie sie der Tourismusinformation zur Verfügung stellen?
Oder ich könnte ein Infoblatt zusammen mit meinen Fotos erstellen.
Welche Urheberangabe sollte es enthalten?
rauch-werner(at)gmx.de
Mit Gruß
Werner
Re: Bolfras-Haus Frankfurt (Oder)
filix am 1.12.16 um 21:47 Uhr, überarbeitet am 1.12.16 um 21:53 Uhr (Zitieren)
Für meine Übersetzung, die ja nur kleine Korrekturen an den vorangegangen vorgenommen hat, gebe ich meine Zustimmung zur kostenlosen Verwendung für besagten Zweck, eine Urheberangabe braucht es dafür nicht. Solltest Du noch etwas über den Verfasser bzw. die Porträtköpfe herausfinden, lass es das Forum nach Möglichkeit wissen.