Guten Tag. Ich habe eine Frage zum accusativus graecus bei indutus und würde mich freuen, wenn ihr als Kenner sie beantworten wolltet.
Als Beispiel nehme ich die Wendung: ...mit einem Mantel bekleidet. Mit acc. graec. hieße die Übersetzung pallium indutus, mit dem abl. instr. pallio indutus. Ich lese in meinen (alten) Schulgrammatiken ausschließlich, dass der acc. graec. nur in der dichterischen Sprache vorkomme. So legt sich auch z.B. die Grammatik-Unterweisung des FB Klass. Philologie der Uni Bochum fest (acc. graec. “steht nicht in klassischer Prosa, sondern nur dichterisch und nachklassisch”). Ein Beispiel aus Cicero, de or. 3, 127, lautet “socci, quibus indutus erat”. In den Beiträgen aus der Thesaurus-Arbeit (Heinz Haffter, S. 46) heißt es, der Typus induor aliquid (Körperteil) aliqua re (Kleidungsstück) sei “weitaus mehr verbreitet” als der acc. graec. Und bei Leumann-Hofmann-Szantyr, Bd. 2, 1997 (Nachdruck d. Ausg. 1972), S. 36, ist zu lesen, dass der Akk. der Beziehung bzw. Objektsakk. “im Lateinischen ... nach medialen Verben des Bekleidens und Entkleidens stehen KANN” (Hervorhebung von mir). In Georges’ Kleinem dt.-lat. Wörterbuch von 1910 finden sich im Zusammenhang mit Kleidungsstücken zahlreiche Wendungen mit Ablativ, etwa: bracis indutus, veste forensi indutus, veste muliebri indutus, tunicâ indutus
Andererseits gibt es ausgezeichnete Lateinkenner, die – unter Verweis auf viele Textstellen – allein den acc. graec. für passend halten. Ich zitiere hier bonifatius,
( http://www.albertmartin.de/latein/forum/?view=11770#6 )
der folgende Beispiele anführt:
Varro fr.: longam indutae virgines vestem, – Liv.: pallam inauratam indutus, – Cornif. rhet.: indutus chlamydem Tyriam, – Ov.: bracas indutus, – Tac.: thoracem indutus, – Curt.: tunica quam erat induta.
Meine Frage lautet:
Haltet ihr im eingangs genannten Beispiel den Abl. instr. (also: pallio indutus)
a) im umgangssprachlichen Prosastil allein für richtig?
b) als Möglichkeit neben dem acc. graec. für zulässig?
c) für unüblich?
d) rundweg für falsch bzw. barbaristisch?
Ich kann dazu die folgende Passage aus dem „neuen Menge“ beisteuern (§ 322,4):
Das Verb induere ... wird im Aktiv gewöhnlich mit alicui aliquid konstruiert, im Passiv mit aliqua re. ...
Intellegendum est duabus quasi nos a natura indutos esse personis (off. 1,107). Ferae forma hominum indutae (Sull. 76).
Ich bin heilfroh, dass die Herren Burkard und Schauer genau das schreiben, was meinem „Sprachgefühl“ entspricht, und halte den Akk. Graec. weiterhin für dichterisch, mindestens aber ungewöhnlich.
Meine Ansicht dazu entspricht dem, was du geschrieben hast. Der Akkusativus Graecus ist keine „Verpflichtung“, sondern eine Nachahmung des griechischen Akkusativs der Beziehung, die ich persönlich bei weitem am meisten bei den Dichtern (Vergil, Ovid) gesehen habe. Den Ablativ bei „indutus“ zu benutzen ist auf jeden Fall immer richtig (da gibt Georges auch genügend Beispiele). Die späteren Prosaiker haben ihn gelegentlich auch benutzt :
Zitat:
Die Dichter und späteren Prosaiker brauchen auch einen Accusativ der näheren Bestimmung (Accusativus graecus), namentlich bei Participien des Perfects im Passiv und in Verbindung mit einem Ablativ instrumenti, wie redimitus tempora lauro, die Schläfe mit Lorbeeren bekränzt. http://www.archive.org/stream/4769336#page/11/mode/2up
Einen alleinigen Anspruch auf Richtigkeit hat der Acc. Graecus nicht. Ich persönlich würde den Ablativ vorziehen und den Acc. Graecus den Dichtern überlassen........
Uiuiui. So komplexe Fragen. Die muss ich zitieren, um sie nicht zu vergessen:Darf ich dabei philologisch-pedantisch vorgehen?
zu a) Allein für in umgangssprachlichen Prosastil kann man den Acc. hier nicht halten, weil doch anscheinend die Beispiele für den Abl. zu häufig sind. Es gibt also keinen Grund, den Abl. rauszukicken.
b) hat die gleiche Antwort. c) auch. d) auch.
Jetzt im Nachdenken sehe ich, dass die Fragen gar nicht so komplex waren und schon beantwortet wurden.
Und jetzt wundere ich mich über die Fragen. Wenn viele Grammatiken und zahlreiche Autoren den Abl. als Mittel der Wahl darstellen, dem Acc. aber einen gewissen Raum zugestehen - warum sollte dann der Abl. irgendwie nicht zulässig sein?
Was ich eigentlich sagen wollte: Georges' Beispiele sehen alle irgendwie für die Frage komisch aus, weil sie entweder nachklassisch, poetisch oder generell „verdächtig“ sind: „chlamydem“ als griechisches Wort, „longam ... vestem“ im Hyperbaton - evtl. zielen auch die Prosastellen irgendwie auf eine poetische Wirkung.