Ich möchte meiner Hausarbeit einen kurzen Überblick über die römische Gesetzgebung voranstellen ... habe mich jetzt aber so in Literatur verstrickt, dass ich völlig den Überblick verloren habe und mich an irgendwelches Details aufhänge ... Was würdet ihr sagen, muss auf jeden Fall in diesen Überblick mit rein? leges publicae, plebiscitum, senatus consulta, edictum ... ?
Re: römische Gesetzgbung
Marius Sagax am 26.6.11 um 12:13 Uhr (
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ILeges publicae:
lex data: Dieser Gruppe gehörten vermutlich alle leges regiae an betreffend Familienrecht, Mord, Schuldrecht, Form der Sakralhandlung (gesammelt im ius Papirianum); im Prinzip alle vom Imperiumsträger, den das Staatsvolk (populus) und (oder) der Senat dazu ermäch-tigte, erlassenen Gesetze, meist mit konstituierender Gewalt (z. B. lex de provincia instau-randa).
lex rogata: Auf Antrag eines Magistrates mit Imperium im Einvernehmen mit dem Senat vom Staatsvolk (populus) in den Comitien beschlossenes Gesetz.
Der Vorgang:
legislatio: mündliche oder schriftliche Bekanntgabe des vorgesehenen Gesetzestextes durch den Antragsteller (lator) oder Urheber (auctor) in der ungegliederten Volksversammlung (contio).
promulgatio: öffentliche Bekanntgabe in der contio mit anschließender öffentlicher Aufstel-lung des Antragtextes auf weißen Holztafeln (libri dealbati, meist Lindenholz).
suasio - dissuasio: öffentliche Diskussion mit Empfehlung oder Ablehnung eines Antrages in der contio innerhalb von drei nundinae (3 x 8 Tage = trinundinum). Der Antragsteller begründet hier seinen Gesetzesantrag.
rogatio: Erneutes Verlesen des Antragtextes in der contio durch den die Versammlung lei-tenden Magistrat mit Antrag auf Zustimmung: Velitis iubeatis ut ... haec ita, ut dixi, ita vos, quirites, rogo = Um die Erfüllung des eben Vorgetragenen ersuche ich Euch alle, Quiriten.
[intercessio: zu diesem Zeitpunkt besitzt der Volkstribun nach einstimmigem Votum aller 10 Volkstribunen das Recht, den Vorgang abzubrechen].
Abstimmung in der militärisch geordneten Volksversammlung (comitia centuriata), jede centuria besitzt eine Stimme, seit Verlagerung der Abstimmung auf die nach Tribus geord-nete Versammlung (comitia tributa) eine Stimme pro Tribus. Die Abstimmung erfolgte zuerst mündlich, seit der lex Papiria tabellaria von 131 schriftlich durch zuvor ausgeteilte Stimmtäfelchen (tabellae), die in einer Urne (cista) geheim deponiert werden mußten. Die Täfelchen waren gekennzeichnet mit VR = uti rogas (so wie du beantragst), C = consentio (ich stimme dem Antrag zu), A = antiquo (ich stimme für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes).
renuntiatio: Verkündung des Abstimmungsergebnisses durch den die Versammlung leiten-den Magistrat.
publicatio: Aufnahme des Abstimmungsprotokolls; öffentliches Aufstellen des neuen Ge-setzestextes in dauerhaftem Material (Stein, Erz); das Protokoll mit dem Gesetzestext (lex) wird im Archiv (tabellarium, aerarium) niedergelegt.
Textprotokoll: (Name des Legislators) consul populum iure rogavit populusque iure scivit in foro pro rostris (genaue Ortsbezeichnung), ante diem ... consulibus (genaues Datum nach Tag und Jahr), tribus (Name) principium fuit, pro tribu primus scivit (Name des ersten ab-stimmenden Bürgers) = der Consul ... hat das Staatsvolk rechtens befragt, das Staatsvolk hat rechtens befunden auf dem Forum vor den Rostren, am Tage ... unter dem Consulat des ..., wobei als erster Tribus ... abstimmte, darin als erster Bürger ... .
Eine Lex konnte als (1) lex perfecta, d. h. mit Ausführungs- und Durchführungsbestim-mung mit entsprechender Strafandrohung bei Nichtbefolgung und Ungültigkeit der Zuwi-derhandlung (sanctio), als (2) lex imperfecta, d. h. ohne sanctio, als (3) lex minus quam perfecta, d. h. mit sanctio, aber ohne Nichtigkeitsfolge der Handlung, als (4) lex plus quam perfecta, d. h. mit Nichtigkeitsfolge und Strafandrohung konzipiert sein. Wichtiger Be-standteil war dabei die sanctio, die zumeist als Strafbestimmung bei Zuwiderhandlung auf-zufassen ist. Wichtig ist ferner, dass Gesetze normalerweise keine rückwirkende Kraft be-saßen; die sanctio konnte daher auch eine exemptio oder Amnestie festhalten.
Eine lex konnte ferner durch eine andere lex völlig (abrogatio) oder teilweise (derogatio) aufgehoben bzw. abgeändert (obrogatio) oder erweitert (subrogatio) werden, sofern sie nicht beschworen war oder der Text der lex dies nicht ausdrücklich verbot.
Plebiscitum
Neben dieser magistratischen (curulischen) Gesetzgebung standen die Plebiscite, die nicht vom gesamten, aus Patriziern und Plebejern bestehenden Staatsvolk, sondern nur vom ple-bejischen Teil beschlossen wurden. Ursprünglich nur für die Plebs bindend, erhielten sie in der Folgezeit durch die lex Valeria Horatia (449), lex Publilia (339) und lex Hortensia (287) Gültigkeit für den gesamten populus. Da die Durchführung von plebiscita weniger umständlich war, wurde diese Form der Gesetzgebung bevorzugt.
Der Volkstribun (tribunus plebis) besaß das ius agendi cum plebe, er konnte die Versamm-lung der Plebs (concilia plebis) einberufen. Dies erfolgte in vor-sullanischer Zeit ohne Er-mächigung durch den Senat (auctoritas patrum), ohne formelle Ladung durch die (curuli-schen) Magistrate und ohne Einholung der Auspizien (auspicia impetrativa). Die Abstim-mung über die Gesetzesvorlage fand in den Tribuscomitien (comitia tributa) statt.
Sulla beschränkte im J. 80 die Gesetzesinitiative der Volkstribunen: tribuni plebei de senatus sententia plebem ioure rogaverunt. Diese Beschränkung wurde im J. 70 durch die lex Pompeia Licinia wieder aufgehoben.
Plebiscita konnten Staats-, Straf- und reines Zivilrecht betreffen, niemals Sakralrecht, da die tribuni plebis nicht das Recht besaßen, Auspicien einzuholen (ius auspicii).
Genaue Angaben - auch über den Inhalt von Gesetzen - findest Du in
I. König, Der römische Staat. Ein Handbuch, Stuttgart (Reclam) 2007 S. 95 - 140
Re: römische Gesetzgbung
Marius Sagax am 26.6.11 um 13:15 Uhr (
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Ergänzung: Der einzige „erhaltene“ Gesetzgebungvorgang befindet sich in der sogenannten „Lex Tappula“ = Lex convivalis:
Lex Tappula, = lex convivalis: Spottgesetz einer Fressgemeinschaft. Das Gesetz ist angezeigt bei Festus 496,30 [Lindsay] Tappulam legem convivalem ficto nomine consc-ripsit iocoso carmine Valerius Velentinus. Cuius m[eminit] Lucilius hoc modo: Tappu-lam rident legem congerrae Opimi. = Das „Gelagegesetz“ Lex Tappula hat Valerius Maximus unter erdichtetem Namen in einem witzigen Gedicht niedergeschrieben. Die-ses erwähnt Lucilius wie folgt: Die Lex Tappula belachen die Zechgenossen des Opimi-us.
Der Wortlaut des Gesetzes ist auf einer bruchstückhaft erhaltenen Bronzetafel in Ver-celli gefunden worden (Dessau, ILS 8761):
[lex] Tappula | [L. Valer]ius Tapponis f(ilius) Tappo cis. . . | . . e]dicta conlegarum eoru[. . .| . .] M. Multivori, P. Properoc[ibi . . . | . . .] Me]ronis plebem Romana[m iure rogavit pl]ebesque Romana iure sci[vit . . . | . . . pro ae]de Herculis a(nte) d(iem) XI k(alendas) Unde[cembr(is) | primus pro trib]u Satureia principi[o scivit | P. Valerius Ta]pponis f(ilius) pane repeti[to . . .| . . . e qui quaeve - - -
Die darin enthaltenen Namen sind, wie etwa Multivorax = Fresssack, Mero = Gewürzweinsäufer, natürlich Spottnamen der Gelageteilnehmer