Latein Wörterbuch - Forum
praestat — 1463 Aufrufe
johanna am 11.3.12 um 18:16 Uhr (Zitieren) II
Noch eine weitere Frage: Im folgenden Satz versteh ich ‚fortunatum‘ und ‚praestat‘ nicht so richtig:

Si fortunatum species et gratia praestat ...
= Wenn Antlitz/Ansehen und Gunst den Reichen ausstattet ...

praestat heißt ja eigentlich
- voranstehen oder
- austatten.
So richtig versteh ich den Satz nicht. Vielleich habt ihr ja eine Idee?
Re: praestat
Bobibu! am 11.3.12 um 19:47 Uhr (Zitieren) I
praestare kann auch jdm voranstehen, also jdn in etw übertreffen ...
Re: praestat
johanna am 11.3.12 um 20:23 Uhr (Zitieren) I
praestare kann auch jdm voranstehen, also jdn in etw übertreffen ...


passt ja hier nicht.
Re: praestat
Kuli am 12.3.12 um 0:33 Uhr (Zitieren) I
vgl. Georges:
tr. (aus praes-sto, stehe als Bürge), für jmd. od. eine Sache stehen gewährleisten, einstehen, sich verbürgen, etw. auf sich nehmen, etw. vertreten, für etw. haften


Im Zusammenhang:
Wenn nur Besitz (si res sola) einen Menschen (ergänze: hominem) glücklich (beatum) machen und erhalten kann (potest facere et servare), | [dann] soll man von Anfang an (primus – wörtl.: als erster) dieser (hoc) Berufung (opus) nachgehen (repetas) [und] sie (hoc) erst am Ende (postremus – wörtl.: als letzter) aufgeben (omittas), | wenn aber (si) gefälliges Äußeres und angenehmes Auftreten (species et gratia) für sein Glück (fortunatum – wörtl.: für [ihn als] einen glücklichen) bürgen (praestat), | dann lass uns einen Sklaven kaufen (mercemur servum), der [uns] die Namen [der einflussreichen Persönlichkeiten, die uns begegnen] einflüstert (qui dictet nomina) ...
Re: praestat
johanna am 12.3.12 um 9:08 Uhr (Zitieren) II
wenn aber (si) gefälliges Äußeres und angenehmes Auftreten (species et gratia) für sein Glück (fortunatum – wörtl.: für [ihn als] einen glücklichen) bürgen (praestat)


Vielleicht liegt es ja an meinem Verständnis des deutschen Ausdrucks ‚sich verbürgen‘ welchen ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht verstehe. vielleicht ist ‚verbürgen‘ veraltet?

Eventuell im Sinne von ‚ausmachen‘:
Wenn Antlitz/Ansehen und Gunst den Reichen ausmachen.

fortunatum ist hier der Reiche, d.h. der, der Geld/Reichtum hat ist auch mit Ansehen und Gunst versehen.
Re: praestat
Kuli am 12.3.12 um 13:44 Uhr (Zitieren) II
fortunatum ist hier der Reiche, d.h. der, der Geld/Reichtum hat ist auch mit Ansehen und Gunst versehen.


Eben nicht. Die beiden si-Sätze stellen verschiedene Lebensentwürfe einander gegenüber. Der Zusammenhang macht dies deutlich. Ich will die Stelle einmal noch etwas prägnanter paraphrasieren:

Jemand, der Reichtum nötig hat, um sich sein Glück zu verschaffen, (weil er nämlich sonst keine Talente hat), für den ist es das Beste, er bemüht sich von morgens bis abends um nichts als um Gelderwerb.
Wer hingegen ein einnehmendes Wesen besitzt, der braucht kein Geld, denn seine Erscheinung wird ihm für sein Glück als Bürge (praes) einstehen, (indem es ihm wohlhabende Gönner zuführt, die ihn finanzieren), was er braucht, ist ein Nomenclator.

Du kannst Species et Gratia als Personifikation betrachten. So wie dem anderen Regina Pecunuia (Vers 37) eine Gattin, Freunde, Vertrauen, einen Stammbaum und Schönheit verschafft, so kann dieser sich auf seine Species et Gratia verlassen, von denen er alles für sein Lebensglück nötige bekommt.
Re: praestat
filix am 12.3.12 um 13:54 Uhr (Zitieren) I
Natürlich braucht der „fortunatus“ auch im zweiten Fall Geld, sonst kann er seine Klienten ja auch nicht bedienen und auch der Nomenclator hat seinen Preis: darum steht im Text zunächst auch „res sola“: Geld allein reicht nicht, will man mehr darstellen als den Tag und Nacht Geschäftstüchtigen. Der Unterschied liegt somit auf der Ebene der Repräsentation nicht der Ökonomie. „species et gratia“ kann man eventuell mit „Ansehen und Beliebtheit“ übersetzen.
Re: praestat
Kuli am 12.3.12 um 18:58 Uhr (Zitieren) I
Ich weiß nicht, ob hier eine hierarchische Wertung der verschiedenen Lebensformen ausgesprochen werden soll. Meiner Meinung nach stehen sie gleichwertig bzw. wertfrei nebeneinander. Mir erscheint die Aussage des Gedichts durchaus amoralisch. Insofern glaube ich, dass sola res in Analogie zu virtus una (30) nicht Beschränktheit, sondern Adäquatheit zu den betreffenden Lebensumständen ausdrückt.
Re: praestat
johanna am 12.3.12 um 20:05 Uhr (Zitieren) I
@ filix
Die beiden si-Sätze stellen verschiedene Lebensentwürfe einander gegenüber


Welche si-Sätze meinst du denn genau?
si virtus ...etc.
si res ...etc.
also stellt Horaz die Tugend dem Vermögen gegenüber, ist das richtig?
Re: praestat
filix am 12.3.12 um 20:14 Uhr (Zitieren) I
@Johanna: das war nicht mein Posting...

@Kuli:
Das sehe ich ähnlich; es sind verschiedene, nicht ohne Ironie vorgetragene Optionen, wie man sein Leben gestalten kann, um Glücksempfindungen zu generieren. Allerdings kann ich nicht herauslesen, dass für denjenigen, der sich nicht damit begnügt, Geld zu scheffeln und Besitz aufzuhäufen , weil es ihn nicht glücklich macht, Geld keine Voraussetzung ist, um „species et gratia“ als Glücksquelle zu erschließen. Es mögen „species et gratia“ in Folge auch ökonomische Zuwächse mit sich bringen, aber in meinen Augen werden sie im Text zunächst nicht als alternative Einkommensquellen vorgestellt. Manche übersetzen „species“ sogar mit „glänzende Stellung“ oder „Ansehen des Amts“, „species et gratia“ sind mithin nicht Eigenschaften, die
er als Subjekt mitbringt, sondern zu erringende Dinge, aus deren ‚Besitz‘ Glücksgefühl erwächst. Wie man den folgenden Versen entnehmen kann geht es vorrangig um politische Betätigung bzw. das Feedback, das man erhält, wenn man sich in Gesellschaft der Einflussreichen zu bewegen weiß und emporstrebt: dafür brauchte
es aber ganz sicher damals wie heute eine Menge Geld und der Nomenclator ist so eine Art unverzichtbarerpersonal assistent für den, der eine professionelle Karriere anstrebt, eben auf dem Weg zu „species et gratia“.
Re: praestat
johanna am 12.3.12 um 20:42 Uhr (Zitieren) I
Danke für eure interpretative Hilfe.

wie ist denn ‚fortunatum praestat‘ hier mit dem Akk, zu übersetzen?
bzw. bevor mir jemand wieder ‚verbürgen für jmd.‘
anbietet: Was heißt das, knapp, auf deutsch?
Re: praestat
arbiter am 12.3.12 um 21:24 Uhr (Zitieren) I
fortunatus mit glücklich zu übersetzen, ist naheliegend, nahe liegt dann aber auch das Mißverständnis, das damit ein Gefühls- oder Seelenzustand - was im Dt. als nächstliegend erscheint- gemeint ist
Re: praestat
filix am 12.3.12 um 21:28 Uhr (Zitieren) I
Es war „bürgen“ im Sinn von „garantieren, gewährleisten“ gemeint, es heißt hier einfach „einen Glücklichen/Glückspilz (da ist etwas Ironie im “fortunatus„) machen“, „glücklich machen“ So gebraucht es auch Seneca „etiam quae non est supervacua nihil in se momenti habet in hoc, ut possit fortunatum beatumque praestare“ (Epistulae morales XLV)
Re: praestat
johanna am 12.3.12 um 23:15 Uhr (Zitieren) II
Danke!
 
Um einen Text zu verfassen, müssen Sie zunächst über eine Plattform der Wahl Ihre Identität mit einem Klick bestätigen. Leider wurde durch das erhöhte Aufkommen von anonymen Spam und Beleidigungen diese Zusatzfunktion notwendig. Auf der Seite werden keine Informationen der sozialen Netzwerke für andere sichtbar oder weitergegeben. Bestätigung über Google Bestätigung über Facebook Bestätigung über AmazonBei dem Verfahren wird lediglich sichergestellt, dass wir eine eindeutige nicht zuordnebare Identität erhalten, um Forenmissbrauch vorzubeugen zu können.
Antwort
  • Titel:
  • Name:
  • E-Mail:
  • Bei freiwilliger Angabe der E-Mail-Adresse werden Sie über Antworten auf Ihren Beitrag informiert. Dies kann jederzeit beendet werden. Kontrollieren Sie ggf. den Spam-Ordner.
  • Eintrag:
  • Grundsätzliches: Wir sind ein freies Forum, d.h. jeder Beteiligte arbeitet hier unentgeltlich. Uns eint das Interesse an der Antike und der lateinischen Sprache. Wir gehen freundlich und höflich miteinander um.

    Hinweise an die Fragesteller:

    1. Bitte für jedes Anliegen einen neuen Beitrag erstellen!
    2. Bei Latein-Deutsch-Übersetzungen einen eigenen Übersetzungsversuch mit angeben. Das gilt vor allem dann, wenn es sich um Hausaufgaben oder Vergleichbares handelt.
      Eine übersichtliche Gliederung erleichtert den Helfern die Arbeit.
      Je kürzer die Anfrage ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass schnell geantwortet wird.
    3. Bei Deutsch-Latein-Übersetzungen bitte kurz fassen. Für die Übersetzung eines Sinnspruchs wird sich immer ein Helfer finden.