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Ovid Tipps für einen Liebesbrief — 2441 Aufrufe
Lukas am 16.12.12 um 14:01 Uhr (
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IIIwir sollten uns das durchlesen aber ich verstehe den sinn nicht:
Ergo eat et blandis peraretur littera verbis,
Exploretque animos, primaque temptet iter.
Disce bonas artes, moneo, Romana iuventus,
Non tantum trepidos ut tueare reos;
Quam populus iudexque gravis lectusque senatus,
Tam dabit eloquio victa puella manus.
Sit tibi credibilis sermo consuetaque verba,
Blanda tamen, praesens ut videare loqui.
Gehe darum ein Brief, mit schmeichelnden Worten geschrieben,
Und erforsche das Herz, prüfe die Straße zuerst!
Wissenschaften erlern', ich rat' es dir, römische Jugend,
Nicht nur, damit du Schutz bangen Beschuldigten leih’st!
Wie der erwählte Senat und das Volk und der Richter, der ernste,
Reicht, der Beredsamkeit weichend, die Hand ihr das Weib.
Führe glaubliche Red' im Mund und gewohnete Worte,
Zärtlich jedoch, so dass selber zu sprechen du scheinst.
vielen dank schonmal für die hilfe
Re: Ovid Tipps für einen Liebesbrief
„(Es) gehe darum ein Brief“ (ergo eat ... littera): Bevor du selbst dich auf den Weg zur Angebeten machst, schicke ihr - gleichsam als deinen Vortrupp und Späher - einen Liebesbrief.
„Mit schmeichelnden Worten geschrieben“, wörtl. „durchpflügt“ (blandis peraretur verbis): Briefe wurden auf wachsüberzogene Täfelchen geschrieben, in die der Stilus die Worte „hineinpflügte“.
„Und erforsche das Herz“ (exploretque animos): poetischer Plural. Animos meint hier die Stimmungslage der Geliebten. Ist sie der Werbung überhaupt zugänglich?
„Prüfe die Straße zuerst“ (temptet iter): Gemeint ist der Weg zu ihrem Herzen.
„Wissenschaften erlern', ich rat' es dir, römische Jugend, nicht nur, damit du Schutz bangen Beschuldigten leih’st!“ (disce bonas artes, moneo, Romana iuventus, non tantum trepidos ut tueare reos): Bonas artes sind die schönen (=geistigen) Künste (im Unterschied zum einfachen Handwerk), wozu eben auch die Redekunst gehört (im heutigen Sinne „Jura/Rechtswissenschaft“ - forense genus dicendi),
durch die den „zitternden Angeklagten“ (trepidos ... reos) Beistand gewährt werden kann,
die aber auch genutzt werden kann, um Menschen zu bereden (= in ihrer Meinung zu beeinflussen), nämlich zum einen das Volk, den strengen Richter, den erlesenen Senat (populus iudexque gravis lectusque senatus)
und zum anderen das geliebte Mädchen (puella), die gegenüber der Überredungskunst ihre prüde Haltung aufgibt (eloquio victa) und ihre Hände reicht (dabit manus), d. h. Bereitschaft zum Geschlechtsakt zeigt.
Der Überredungskünstler darf sich als solcher natürlich nicht verraten, die Absicht hinter den Worten darf nicht durchscheinen, damit das Opfer die Manipulation nicht durchschaut, darum soll der Liebhaber „glaubliche Red' im Mund und gewohnete Worte“ (credibilis sermo consuetaque verba) und nicht erkennbar eingeübte Rede gebrauchen, sondern scheinbar spontaner Eingebung folgen (praesens ut videare loqui).