Tibi , Kuli iterum - nescio quoties - gratulor. Ut longus sim:
Es handelt sich um einen Ausschnitt aus Joris-Karl Huysmans Buch „À rebours“ - „Gegen den Strich“, genauer gesagt um das dritte Kapitel, in welchem der Protagonist Jean Floressas Des Esseintes eine vernichtende Tour de Force durch einige Jahrhunderte lateinischer Literatur unternimmt. Die zitierte Abrechnung gilt dem lateinischen Stil der Klassik, der mit dem frz. der Epoche Ludwig des XIV. verglichen wird.
Die berüchtigte implizite Empfehlung des Werks stammt von Oscar Wilde, der es in seinem „The Picture of Dorian Gray“ als Gift bezeichnet ohne es beim Titel zu nennen: „It was a poisonous book. The heavy odour of incense seemed to cling about its pages and to trouble the brain“.
(Wer den [Cimetière du] Père-Lachaise durchwandert hat, kennt vermutlich die Wildes Grabstelle zierende Sphinx, die bis zum Einschreiten der Friedhofsverwaltung, die das Monument verglasen ließ, von aberhunderten lippenstiftroten Kussmündern übersät war.)
Während Vergil und „seine sauber gewaschenen und herausgeputzten Schäfer, die sich gegenseitig eimerweise sentenziöse und eiskalte Verse über dem Kopf ausleeren, sein Orpheus, den er mit einer tränenüberströmten Nachtigall vergleicht, sein Aristäus, der wegen Bienen flennt[...] und sein Äneas, diese unentschlossene und fließende, wie aus einem Schattenspiel stammende Gestalt mit hölzernen Gebärden [Des Esseintes] erbittern“, „die Redseligkeit, die langatmigen Metaphern und verworrenen Abschweifungen Ciceros [...]“ und „die Verweise, die er großsprecherisch erteilte, die Flut von abgedroschenen, patriotischen Lobliedern, die Emphase seiner feierlichen Ansprachen, die Schwergewichtigkeit seines fleischigen, reichen, doch eher schmalzigen und des Marks und der Knochen entbehrenden
Stils...ihn kaum verführen“, finden nur wenige Gnade: „Der Autor, den er wirklich liebte und der ihn auf immer die spektakuläre Gewandtheit des Lukanus aus seinem Lesestoff verbannen ließ, hieß Petronius. Hier war er, der scharfsinnige Beobachter, der feine Analytiker, der wunderbare Maler;ruhig, unvoreingenommen und ohne Haß beschrieb er den Alltag in Rom, schilderte er in den munteren kleinen Kapiteln des “Satyricon„ die Sitten.“
Petronius wird dabei in seiner Fähigkeit, der Vielfalt der Idiome gerecht zu werden und das wirkliche Leben einer Epoche zu zeichnen , gleichsam zum antiken Vorboten des modernen realistischen Romans, wobei die Schilderung dessen, was man gerne als Dekadenz bezeichnet, das Gravitationszentrum der Milieustudie bildet - so zwar, dass sich in ihm der Scheideweg, an dem Huysmans Roman steht, spiegelt: von Zola weg geht der Weg in die Richtung einer amoralischen Studie der Gegenwart in einer „wie vom Goldschmied bearbeiteten Sprache“.
Des Esseintes' unerbittlicher Rundgang endet schließlich im 10 Jahrhundert. „Tatsächlich waren nämlich die Kuriosität und komplizierte Naivität der christlichen Sprache zugrunde gegangen. Der Redeschwall der Philosophen und Scholasten, die Wortklauberei des Mittelalters sollten bald die Herrschaft ausüben.“