Hallo,
ich würde gerne wissen welchen Satzteil ein Dativus auctoris bildet. Ich weiß zwar wie man ihn übersetzt aber als unsere Lehrerin heute gefragt hat waren wir alle ziemlich ratlos...
Danke schon mal im Voraus :)
Im Grunde genommen sollte er auch nur da verwendet werden, da es sonst schnell zu Verwechslungen mit Dativ-Objekten kommen kann. Denn es gibt da ja auch noch das klassische „a/ab + Abl.“ für den Akteur im Passiv.
Was meinst du denn mit „Satzteil“? Soll das die „syntaktische Funktion“ sein? Dann macht aber die Frage kaum Sinn.
Hier wäre auch Discipulis einfach nur „Dativus auctoris“, also „der Dativ des Urhebers“. Fertig.
Interessante Frage nach dem Satzteil! Im Deutschen auf jeden Fall SUBJEKT. Im Lateinischen? Dativus auctoris hört sich ja eher nach Objekt an, könnte natürlich auch ein Adverbiale sein. Hoffen wir mal auf kompetente Antworten!
Wieso eigentlich?
Der Schüler ist doch Urheber von garnichts, weder grammatisch noch semantisch - er ist doch vielmehr patiens, er muss nämlich lernen. „Ihm ist zu lernen“, da hat er nix zu sagen ... !?
Doch doch, bei „der Schüler lern“ ist der Schüler schließlich auch Subjekt. Lernen ist sogar normal transitiv. Außerdem kannst du bei Gerundivkonstruktionen ja auch eindeutigere Beispiele nennen:
Liber mihi legendum est. Oder leide ich hier auch unter dem Lesen :-D
Schon, aber der Satz war nicht discipulus discit sondern disciuplo discendum est. Und gerade daduch, dass „Der Schüler lernt“ und „Der Schüler muss lernen“ im Deutschen zwar syntaktisch die gleiche Bildungsweise aufweist, im Lateinischen aber nicht - der Schüler ist einmal wirkliches Subjekt, einmal steht er im Dativ - zeigt sich schon das Problem, auf das ich hinaus will: „lernen“ ist eine Handlung. „lernen müssen“ ist KEINE Handlung.
„Der Schüler muss lernen“ ist dummerweise die einzige Möglichkeit, den Satz discipulo discendum est zu übertragen. Tatsächlich macht aber der lateinische Satz, wie das viele Sprachen tun, auch einen grammatischen Unterschied zwischen einem wirklich handelnden Subjekt und einem Subjekt, das nur scheinbar handelt.
Im lat. Satz discipulo discendum est ist nicht nur eindeutig der Schüler kein grammatisches Subjekt, sondern ich will auch bezweifeln, dass er überhaupt in irgendeiner Art handelt: Der Satz ist ja intransitiv konstruiert, analog zu mihi dormendum est. Auch in diesem Satz wird nicht gehandelt, den „schlafen müssen“ ist keine Handlung, aber ich will noch einen Schritt weiter gehen: Auch in discipulus dormit handelt der Schüler nicht , nisi im grammatischen Sinne (schlafen ist ja die Nicht-handlung schlechthin) oder gar im satz malus cadit oder malus iacet. Weder ist „fallen“ oder „daliegen“ etwas was man aktiv tun kann, noch kann ein Apfel überhaupt irgendetwas aktiv tun. Deshalb finde ich auch Ergativsprachen toll, aber das ganze geht jetzt wohl zu weit für die grammatischen Belange der ursprüngl. Diskussion. Um was es aber geht: Dein eigener Satz nun macht das noch deutlicher: liber mihi legendum est wäre wohl grammatisch kongruenter durch „Das Buch muss von mir gelesen werden“ wiedergegeben als durch „ich muss das Buch lesen“. Im Satz ist eindeutig das Buch Subjekt, und seine Handlung ist „müssen“. Ob „müssen“ eine „Handlung“ ist, darüber kann man nun grammatisch oder semantisch verschiedentlich Urteilen, aber was muss denn nun das Buch? Mit „lesen“ wäre ich noch einverstanden, aber das Buch muss gar gelesen werden! „Gelesen werden“ ist ja wohl die am wenigsten aktive Handlung, die man sich vorstellen könnte... :D
„Superman muß die Welt retten“, „Superman hat die Aufgabe, die Welt zu retten“ - wieso heißt das, daß Superman nicht handelt? Im Gegenteil: es ist sogar dringend nötig, daß Superman handelt. Er muß es tun, sonst sind wir verloren!
Unter welchen Umständen sagt man jemandem, daß er schlafen müsse? Doch nicht, wenn er schläft [= nichts tut], sondern wenn er sich ruheloser Geschäftigkeit hingibt. Man sagt ihm daher: Hör einmal auf damit, trink eine Tasse Tee zur Beruhigung [Handlung], zieh dich aus und den Schlafanzug an [Handlung], putz' dir die Zähne [Handlung]. leg' dich ins Bett [Handlung] und zähle zur Not Schäfchen [Handlung]!
So natürlich auch beim Lesen: Schalte den Computer aus [Handlung], nimm dir Caesars BG aus dem Regal [Handlung], schlag es auf [Handlung], lies [Handlung] und verarbeite die dortigen Informationen [Handlung]!
Ich glaube, Clavileo, Du verwechselst tun müssen mit vollständiger Passivität. In Wahrheit meint es aber einen dringenden Rat, äußerstenfalls das Fehlen einer freien Entscheidung. Nun, auch ein Sklave hat keine freie Entscheidung, in der Regel aber einen sehr harten Arbeitstag.
Clavileo ist zuzustimmen, insbesondere ist die Differenzierung zwischen grammatisch-syntaktischer Klassifizierung und semantischer Funktion zu beachten.
Das widerspricht sich allerdings. Wenn Du sagst es ist dringend nötig, dann bedeutet das sogar ganz explizit, dass er es noch nicht tut.
Wenn er „die Welt retten muss“, dann ist das für die Welt noch kein großer Vorteil - eher ein Nachteil. Wenn er sie allerdings rettet, ist das schon was anderes...
Ja, das hat was, allerdings. „Der Schüler muss schlafen“ bedeutet also: „Der Schüler ist gerade am sich überarbeiten“ oder „Der Schüler ist gerade am sich Zusaufen“. - Meintest Du das?
Das ist doch allerdings ein Befehl. Das ist dann ja was anderes. Ich kann aber tatsächlich niemandem befehlen „falle hinunter!“. Höchstens „springe!“.
Daß Müssen auf die Zukunft gerichtet ist: klar. Aber was, gemußt wird, ist eine Handlung. Nicht irgendeine, sondern eine unbedingt gesollte.
(Kant identifiziert den Inhalt seines kategorischen Imperativs [„Handle nur nach derjenigen Maxime, ...“] explizit mit einem Müssen, von dem er sagt, daß ihm auch ein Können entsprechen müsse.)
Ja, man kann das einen Befehl nennen. Aber worin liebt der Unterschied zwischen einem „Du mußt ...“ und einem Befehl.
Hinunterfallen kann man mit einem Befehl ausdrücken: „Laß los!“, aber dann muß man die sich festkrallenden Hände öffnen, d.h. etwas tun.
„Das Buch muß gelesen werden“ ergibt nur einen Sinn mit einem mindestens hinzugedachten „von dir“ = dir ist die Aufgabe, das Buch zu lesen.
Das ist gut, ja, das muß ich zugeben. Aber hinzuzudenken ist wiederum: von jedem verständigen Leser o.ä. - und der ist das Subjekt! Clavileo ist nicht das Subjekt der Zustimmung.
das mit MÜSSEN und HANDLUNG, kannst du , clavileo, nicht einfach von einander trennen. MÜSSEN ist ein Verb wie auch SCHLAGEN. Schau, die HABEN an. Ist das eine Handlung? Ich stimmt Graeculus zu, in Einklang darüber, dass der Dat. auct. natürliche eine Adverbiale ist. Dennoch ist und bleibt er Akteur der Handlung, ohne syntaktisch das Subjekt darzustellen.
Gut. Keiner. „Lies!“ bedeutet aber doch, dass noch niemand handelt, konkret: ließt, sonst würde ich es nicht befehlen, sondern mich freuen.
Nach Dir ist nun „Du musst lesen“ das gleiche (dem stimme ich auch zu), aber gleichwohl, willst Du, dass „du musst lesen“ eine Handlung ist, im Gegensatz zum Imperativ. Widerspricht sich das nicht?
Ja, für originelle Einfälle bin ich immer zu haben. Hier jedoch habe ich nichts dergleichen vor, sondern ich möchte (nur) zeigen, daß die Bedeutung von „müssen“ ein Handeln impliziert.
Gutes Beispiel! Denn „haben“ kann ich ebenfalls ersetzen: mihi librum est. Wenn „haben“ ein Verb wie „schlagen“ wäre, dann ersetze mal „schlagen“. Geht nicht, weil sonst ja die „handlung“ nicht bezeichnet würde.
Ach, Clavileo. Ob wirklich gerade jemand handelt oder erst später, ist doch hier egal. Es geht doch um die Syntax und Semantik.
Bei „ich muss“ bin ich Subjekt, ohne etwas zu tun. Jedes Modalverb kann seine Subjekte haben.
Das Buch muss von mir gelesen werden. Also werde ich lesen. Dein Argument, ich lese ja in dem Moment nicht, ist haltlos, betrachtet man mal das Tempus Zukunft.
Ich werde lesen. Tja, dann lese ich ja anscheinend gerade nicht.
und um die komische Argumentation zu brechen, probier dich mal an WOLLEN oder SOLLEN oder KÖNNEN oder MÖGEN. Aber wie gesagt, das hat nix mit unserem Problem zu tun.
Das ist egal ob es possessiv ist oder nicht, es geht ja nicht um den dativus auctoris es ging mir darum nahezulegen, dass haben ersetzbar ist, schlagen nicht.
Das hätte meinetwegen auch per Genitiv passieren können, oder was auch immer in den Sprachen der Welt abstruses funktioniert.
Das es nicht „ein Verb genau wie schlagen“ ist, wie behauptet. Es ging mir ja um den semantischen Aspekt.
Dass ich behauptet habe, hier würde niemand im eigentlichen Sinne „handeln“ habe ich damit versucht zu beweisen, dass man es unpersönlich ersetzen kann.
Dein Challenge nehme ich also an:
Ich soll lesen = ich muss lesen = mihi legendum est
ich kann lesen = mehr oder weniger mihi licet legere bzw eben es ist möglich, dass ich lese.
ich will lesen / ich mag lesen : Ok, wollen ist nun wirklich etwas, was von mir selbst ausgeht. Es geht hierbei, das ist wichtig, nicht um die Handlung des LESENS an sich! Es geht um überhaupt eine!
Es geht munter weiter durcheinander...
liber legendus est
gängige Übersetzung auch: das Buch ist lesenswert
das Buch ist zweifellos Subjekt im grammatischen Sinne, einem zusätzlichen dat. auct. Subjekt-Qualität zuzuweisen, aknn nur einem Philosphen einfallen: eine Handlung findet nicht statt - wie bei vielen anderen Sätzen auch (es schneit, wir haben schlechtes Wetter, ich werde mich erkälten, meine Kinder werden sich anstecken - keine Handlung weit und breit, aber jede Menge grammatische Subjekte).
Es gibt Sätze mit einem Subjekt, die keine Handlung implizieren. Klar.
Es gibt Sätze mit einem dativus auctoris, die keine Handlung implizieren - das ist die Frage. Nun, sie implizieren semantisch sehr wohl ein Subjekt, das handeln muß bzw. soll. Nähmen sie damit grammatisch nicht die Stellung eines Subjekts ein, dann hätten wir einen korrekten Satz ohne ein Subjekt. Das verstieße gegen eine ‚eiserne‘ Regel, der sich so seltsame Sätze wie „Es schneit“ verdanken. Wer schneit? Es. Klingt komisch, aber wir brauchen grammatisch halt ein Subjekt.
Wer muß das Buch lesen? Der, der lateinisch in Dativus auctoris steht.
Widersprichst Du damit nicht Deinem Standpunkt in „Kann Cicero irren“? Unterstellst Du damit nicht Kant in strikter Dichotomie von richtig und falsch einen grammatischen Fehler?
nein, ich stelle - ohne Wertung - fest, dass bei diesem Satz die an sich notwendige Ergänzung der Modal-Verben fehlt.
Womit nicht gesagt ist, dass der Satz per se unsinnig oder unzulässig ist.
ich kann den - irrigen - Gedankengang nachvollziehen, aber nicht verstehen.
„Du musst dein Leben ändern“: wer hier handelt, ist der Sprecher, der zu seinem Satz ja gerade durch das unterstellte Nicht-Handeln des Adressierten zu seiner Sprechhandlung motiviert wird. Ob dies dann eine Handlung des Angesprochenen zur Folge haben wird, steht in den Sternen
Ich entschuldige mich für meine Verwechslung von Hilfs- und Modalverben. Das mach ja jetzt aber auch keinen Unterschied mehr.
Ein paar Dinge:
Ein von der Grammatik losgelöstes Subjekt?
Ich glaube kaum, dass ein Subjekt mehr sein kann, als Variable einer grammatischen Theorie.
Ein subjekt auf rein semantischer Ebene zu definieren, scheint mir etwas viel vorgenommen für ein Internetforum, selbst in „Zusammenarbeit“.
Denkanstoß: Ich gleite dahin (auf Schlittschuhen) => Ich bin Subjekt und handle Ich rutsche aus => ich bin Subjekt, aber nicht Herr der Handlung. Aus semantischer Sicht „erleide“ ich die Handlung. Aus grammatischer sicht bin ich aber nicht Patiens. Ich werde geschlagen => Semantisch das gleiche wie „ich rutsche aus“, nur dass jemand anderer für die an mir ausgeführte Handlung verantworlich ist (*Ich werde gerutscht). Ich bin aber grammatisch gesehen Patiens.
Es gibt tatsächlich sprachen, die in der Konjugation „ich rutsche [+ freiwillig]“ und „ich rutsche [-freiwillig]“ unterscheiden.
Sie nehmen in der deutschen Übersetzung die Rolle des Subekts ein. Der lateinische Satz hingegen beweist gegenteiliges, nämlich, wie man ja kein Subjekt sehen kann, dass ein Subjektloser Satz (im Lat.) doch möglich ist. Deren gibt es mehrere: me putet eius - „mich schämt seiner“.
Auch im Deutschen bedingt: mich friert bzw. mir ist kalt.
Aber hat das jemand bestritten. Im Deutschen gibt’s noch mehr subjektlose Sätze. Alleine die Imperative und Hortative. Aber auch Konstruktionen mit den Modalverben, wie „Darf hier laut gelacht werden?“
Meines Erachtens wäre LIBER eher patiens, statt MIHI, oder?
Und die so genannten Ergativsprachen wählen des Subjektskasus danach, ob es sich um ein „transitives“ oder „intransitives“ Verb handelt. Der Objektskasus des einen ist der Subjektskasus des anderen.
Das lustige daran ist: Viele Sprachen sind „semi-ergativisch“, d.h. sie bilden den Ergativ nur in bestimmten Zeiten oder Modi. Ich finde die Idee hinter den Ergativsprachen äußerst interessant, vielleicht scheint sie, ohne von unseren Sprachen geprägt zu sein, gar intuitiver? Hm