Latein Wörterbuch - Forum
Frau — 565 Aufrufe
elke am 12.8.13 um 21:30 Uhr (Zitieren) I
Ich kenne bis jetzt nur die Regel, dass Vorzeitigkeit gilt , wenn der Infinitiv eines AcI ein Perfekt ist.
In einem Lateinbuch steht der Satz: „Servus viros filiam rapuisse viderat“. Da viderat Plusquamperfekt ist kann ich zu rapuisse keine Vorzeitigkeit bilden.
Wer kann mir das erklären?
Besten Dank
Re: Frau
paeda am 12.8.13 um 21:47 Uhr (Zitieren) I
Ich versuche es mal:

viderat ist vorzeitig zu einer anderen nachfolgenden Handlung, rapuisse dürfte ich in diesem Fall Gleichzeitigkeit zu viderat ausdrücken:

Der Sklave hatte gesehen, wie Männer das Mädchen raubten.

In diesem Fall liegt es auf der Hand, da er ja nicht sehen konnte, wie etwas zuvor geschah.
Re: Frau
elke am 12.8.13 um 22:08 Uhr (Zitieren) I
Danke
Re: Frau
paeda am 12.8.13 um 22:13 Uhr (Zitieren) II
Gerne, elke! Warte aber noch ab, falls noch ein anderer Beitrag kommt.
Re: Frau
Corydon am 13.8.13 um 0:47 Uhr (Zitieren) I
Wenn der Satz aber entsprechend mit Plusquamperfekt im Nebensatz übersetzt wird, also mit: „der Sklave hatte gesehen, dass die Männer das Mädchen geraubt hatten“ ergibt sich aus der doppelten Verwendung vom Plqupf im Deutschen (wie übrigens auch im Lateinischen), dass die Handlung des rapuisse vorzeitig zu der Handlung des viderat geschah. Und natürlich ist das viderat selbst vorzeitig zu einer anderen Handlung, die aber in diesem Satz nicht ausgedrückt ist, aber doch von der normalen Erzählzeit des Perfekts abweicht.

Die grundsätzliche Regelung Infinitiv Präsens für gleichzeitige Handlungen und Infinitiv Perfekt für vorzeitige ist also auch hier anwendbar, es ist eben nur zu beachten, dass das Plusquamperfekt in deutschen Nebensätzen ja auch für Vorzeitigkeit steht. Und somit ist auch im Deutschen eine Reihenfolge zwischen den Handlungen ausgedrückt, selbst wenn beide Handlungen für sich mit dem Plqupf. ausgedrückt werden. Zuerst geschieht der Raub, und danach hatte der Sklave das Ergebnis gesehen. [Würde der Sklave nicht das „geraubt Haben“, sondern das „Rauben“ selbst beobachten, sollte ja „rapere“ stehen.

Wie im Lateinischen stehen ja auch im Deutschen gleichzeitige Nebensätze grds. im Impf. oder Perfekt (wobei ich nicht auf die unterschiedliche Bedeutung von Impf. und Perfekt im Deutschen eingehen will, die ja u.a. auch aufgrund regionaler Gepflogenheiten variiert).

Natürlich (und das kann wohl nur der größere Kontext klären, aus dem der Satz genommen ist), ist es auch möglich, dass hier einmal ein Inf. Perfekt mit Präsensbedeutung gesetzt wurde. In diese Richtung gehend verstehe ich Paedas Ausführungen. Durchaus denkbar, da ja der abgeschlossene vorgang des Raubens wohl kaum zu beobachten ist, allenfalls eben nur sein ergebnis. All dies müsste also aus dem Kontext, nicht dem Satz selbst geschlossen werden.

Derartige Konstruktionen folgen, so weit ich das mitbekommen habe, griechischen Vorbildern, wo dort dann ein Inf. Aorist zu erwarten ist. Und dieser kann ja selbst manchmal als zeitlos bzw. eben gleichzeitig angesehen werden. So sind mir Sätze mit „voluisse fecisse“ im Sinne von „voluisse facere“ geläufig, v.a. bei Dichtern. Ob sich diese Regel auch auf „gewöhnliche AcIs“ anwenden laßt, müsste man noch in Grammatiken nachlsenen, wozu ich aber im Moment ehrlich gesagt nicht die Muße noch die Lust bzw. Ausdauer mehr habe. Als erstes Bauchgefühl glaube ich aber nicht, dass dies auch beim AcI anzuwenden ist, da hier ja die Setzung des Inf. Präs. bzw. Impf. gezielt in bestimmte zeitliche Richtungen deutet (eben gleichzeitig oder vorzeitig). Beim Modalverben wie velle steht aber idR. der Inf. Präsens, ein Inf. Pf. nach griechischen Vorbild ist dort also nicht sinnstörend, d.h. er verändert nicht die zeitliche Einordnung.

(Ich hoffe, diese Erklärung ist noch verständlich - angesichts des späten Zeipunkts der Abfassung!).
Re: Frau
paeda am 13.8.13 um 12:01 Uhr (Zitieren) I
@Corydon
Deinen Beitrag habe ich mit Interesse gelesen und freue mich, dass du mich trotz meines nicht-akademischen Beitrags ernstgenommen und verstanden hast.

Obwohl der Kontext fehlt, denke ich nach wie vor in Übereinstimmung mit deinen Ausführungen, dass das Ergebnis des Raubens nicht „gesehen“ werden kann. Stünde ein Verb wie „feststellen“ o. Ä. wäre es natürlich anders.
 
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