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Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen — 2639 Aufrufe
M. am 5.12.13 um 11:34 Uhr (Zitieren) I
Hallo, ich habe eine Frage zur Übersetzung.

Tunc iussit Apollonius revocari ad se senem . . .

Dann befahl Apollonius, daß der alte Mann zu ihm zurück gerufen werde/ oder würde/ oder wurde.

Was ist richtig, und warum?
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
ONDIT am 5.12.13 um 11:45 Uhr (Zitieren) I
daß der alte Mann zu ihm zurückgerufen werde
oder
den alten Mann zu ihm zurückzurufen
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
filix am 5.12.13 um 11:55 Uhr (Zitieren) I
Bei Befehlen, die eine indirekte Rede nach sich ziehen, setzt man im Dt. meist „sollen“ - „... dass der alte Mann zu ihm zurückgerufen werden solle“
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
ONDIT am 5.12.13 um 12:07 Uhr (Zitieren) I
Von R&H wird der Infinitiv bevorzugt.
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
Jonathan am 5.12.13 um 13:37 Uhr (Zitieren) I
Meine Schülererfahrungen beschränken sich auch auf ONDITs Auflösung. AcI kennt man eben - das ist einfacher.
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
M. am 5.12.13 um 14:31 Uhr (Zitieren) I
Dankeschön.

Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
arbiter am 5.12.13 um 15:39 Uhr (Zitieren) I
Bei Befehlen, die eine indirekte Rede nach sich ziehen, setzt man im Dt. meist „sollen“
- so? woher weiß Du das, bzw. wer behauptet das ?
M.E. ist die Formulierung nicht nur unschön, sondern auch mißverständlich.
Richtig wäre „werde“, zu bevorzugen ist - wie schon gesagt - die Infinitv-Konstruktion, alternativ die Übersetzung mit „lassen“.
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
filix am 5.12.13 um 18:51 Uhr (Zitieren) I
Zunächst entspricht das meiner Lektüreerfahrung von - sagen wir - „Der Graf befahl sogleich, daß alles in seiner Gegenwart zur möglichsten Bequemlichkeit der Gäste geordnet werden solle“ (Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre - Drittes Buch, Viertes Kapitel) bis zu „Sobald er nämlich in die Stadt kam, befahl er sofort, man solle das Bildnis losmachen und nach Messana bringen“ (Manfred Fuhrmann übersetzt Cicero: In Verrem II,4 - hier allerdings von „imperavit, ut“ - die Erstausgabe stammt m.W. aus den 1990er Jahren), von „Er befahl bestimmt, daß niemand, ohne Ausnahme, seinen Leib berühren solle“ (Heinrich Kleist: Mutwille des Himmels) bis „Als Hindeburg am 2. August 1934 starb, übernahm allerdings Hitler das Amt und befahl, daß die Wehrmacht fortan nicht mehr auf die Verfassung vereidigt werden solle, sondern auf ihn – den Führer.“ (Uwe Neumärker,Volker Knopf: Görings Revier: Jagd und Politik in der Rominter Heide, erschienen 2007, S.53).

Im Duden: Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 1998 liest sich das auf S.780 so:

„Ein in direkter Rede geäußerter Imperativ (“Geh!„, “Lauf"!) kann als solcher in der indirekten Rede weder beibehalten oder konjunktivisch umgesetzt werden.
Hier sind Umschreibungen notwendig, zu denen in erster Linie die Modalverben sollen, mögen und müssen herangezogen werden, dann aber auch , dann aber auch Gefüge aus haben/sein + Infinitiv (vgl. 186 ff.)"

Die 8.Auflage 2009 sieht das auf S. 527 wie folgt:

"Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen direkter und indirekter Redewiedergabe hat mit der Wiedergabe direkter Aufforderungen zu tun. Eine direkte Aufforderung an den Gesprächspartner kann durch verschiedene Mittel ausgedrückt werden, die bei der indirekten Redewiedergabe nicht zur Verfügung stehen: Imperativformen in Kombination mit Verberststellung, infinite Verbformen usw. (↑785–794).Als Ausdruck der Aufforderungsmodalität erscheinen in der indirekten Rede je nach der Stärke der Aufforderung sollen (müssen) oder mögen (freundliche Bitte) oder eventuell haben/sein + Infinitiv (↑ 818, 820).

f) Der Bäcker zum Mädchen:
»Nimm mir das bitte nicht übel!«

Der Bäcker bat das Mädchen,
sie möge ihm das (bitte) nicht übel nehmen.

(g) Die Mutter zur Tochter:
»Du machst erst mal deine Schularbeiten!«

Die Mutter verlangte von der Tochter, sie solle erst mal ihre Schularbeiten machen.

Aufforderungen werden in der abhängigen indirekten Rede meistens als Verbzweitsätze, manchmal aber auch in der Form eines dass-Satzes wiedergegeben. Im zweiten Fall kann auf das Modalverb verzichtet werden:
(h) Der Onkel verlangte nun, dass Jonathan sich unverzüglich vereheliche (...). (P. Süskind)"

Missverständliches sehe ich hier eigentlich nicht, über den stilistischen Aspekt kann man geteilter Ansicht sein, es liegt aber wohl eher am „dass“ in Verbindung mit „sollen“ als an Letzterem per se, diese Formulierung als unschön zu empfinden.
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
Kuli am 5.12.13 um 22:05 Uhr (Zitieren) I
Die strittige Frage scheint mir hier zu sein, ob ein Verb des Befehlens (Veranlassens, Forderns etc.) im Deutschen stets indirekte Rede nach sich ziehen müsse.

Der oben zit. Formulierung Der Graf befahl sogleich, daß alles in seiner Gegenwart zur möglichsten Bequemlichkeit der Gäste geordnet werden solle entspräche in direkter Rede ein: Der Graf befahl sogleich: „Ordnet alles in meiner Gegenwart zur möglichsten Bequemlichkeit der Gäste!“, so wie z. B. im Egmont (2. Aufz., Egmonts Wohnung): „Sei auf die Stunde da“, befahl er mir noch, ehe er wegging. Das Verb des Befehlens tritt hier erläuternd an die Stelle eines (neutralen) Verbs des Sagens.

Aber die Verwendung eines Verbs des Befehlens mit einem von ihm abhängigen erweiterten Infinitiv wie in

Er gab dem Alten das Kind und befahl ihm, die steinerne Wendeltreppe hinunter, die durch ein kleines Gartengewölbe in den Garten führte, zu eilen und mit den Kindern im Freien zu bleiben. [Wilhelm Meisters Lehrjahre, 5. Buch, 13. Kap.]

ist deshalb doch nicht ungewöhnlich. Der Inhalt des Befehls wird durch den erweiterten Infinitiv zwar wiedergegeben, aber frei, nicht im (rekonstruierbaren) Wortlaut wie in der indirekten Rede.
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
filix am 5.12.13 um 22:18 Uhr (Zitieren) I
Ich habe auch nicht behauptet, dass dies ungewöhnlich oder sogar falsch sei. Mein erstes Posting verstand sich als Bemerkung zur angebotenen Variante, die den bloßen Konjunktiv I ohne Modalverb setzt - eine, folgt man dem Duden Grammatik in der 8. Auflage, Option, kein Muss. Wie an den beigebrachten Zitaten zu sehen ist, ist das gemeinsame Auftreten jedoch weder exotisch noch bei Autoren zu finden, die Garanten für schlechten Stil sind.
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
filix am 5.12.13 um 22:24 Uhr (Zitieren) I
... noch ausschließlich bei Autoren ...
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
Kuli am 5.12.13 um 23:11 Uhr (Zitieren) I
Ach so, dann habe ich das falsch verstanden. (Ich dachte, die Diskussion drehte sich um beide von ONDIT vorgeschlagenen Varianten.)
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
arbiter am 5.12.13 um 23:35 Uhr (Zitieren) I
die zitierten Autoren eignen sich kaum als Beleg für heutigen Sprachgebrauch...;
das mir Anstößige liegt - abgesehen von der umständlichen Passiv-Konstruktion im Beispiel - an der Dopplung der Aufforderung; unauffällig wäre: er sagte/meinte/äußerte, sie sollten..., womit der Aufforderungscharakter durch das Modalverb ausgedrückt wird. Setzt man als übergeordnetes Verb „befehlen“, ist damit der Aufforderungscharakter eindeutig, und es ist nicht notwendig, ein diesbezügliches
Modalverb hinzuzufügen; dieses wäre dann eher geeignet, einen Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Verlangens bzw. an der folgenden Durchführung nahezulegen.
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
filix am 6.12.13 um 1:03 Uhr (Zitieren) I
Einmal davon abgesehen, dass sich auch jede Menge Beispiele1 für die gegenwärtige Verwendung bringen lassen, die diversen Online-Medien entnommen sind und nicht gleich den Verdacht auf sich ziehen, beflissen einer überkommenen Ausdrucksweise zu huldigen, ist und bleibt es eine standardsprachliche Option.

Sieht man sich das letzte Beispiel mit vorangestelltem Komplementsatz an, ist doch m. M. n. mehr als fraglich, ob hier eine Auslassung des Modalverbs überhaupt in Betracht kommt: „Der “Wille des Marktes„ wehe in die letzten Winkel der Betriebe, befahl einst ...“ - ist alles, aber sicher nicht unmarkiert, auch nicht die Variante mit „dass“. Gänzlich unverzichtbar ist das Modalverb bzw. ein Gefüge von haben/sein bei Sätzen wie „So begannen sie zu laufen, indem der Thessalier dem Knaben fortwährend befahl, wie schnell er zu laufen habe, wie er den Atem sparen solle und anderes mehr... “ (Lernet-Holenia).
Eine Abschwächung der Befehlsintention durch das Modalverb „sollen“ kann ich beim besten Willen nirgendwo erkennen - das wäre doch eher beim Ausweichen auf ein anderes Modalverb wie „mögen“ der Fall.



1„Einer setzte mir den Gewehrlauf ans Kinn. Einer anderer befahl ihm, er solle abdrücken. “ (Nächstes Mal explodiert die Granate an deinem Körper - Stern.de, 8. September 2013)
„Doch als er, mit dem Zepter in der Hand, einige Schritte tat und die Königin aus dem Lustzimmer eilte, nach dem Jungen griff und ihm befahl, er solle mit zurück zum Bette kommen, lachte er sie nur aus vollem Bauch aus ...“ Der Königin Niedergang - Neon.de, 29.12.2012)
„In seiner Landgüterverordnung „Capitulare de villis vel curtis imperii“ befahl Kaiser Karl der Große um 812 nach Christus, dass in jedem Garten der kaiserlichen Güter unter anderem Bärlauch gepflanzt werden solle“ (Begehrter Bärlauch - Frankfurter Rundschau, 20. April 2011)
„Als es auch zu körperlichen Übergriffen kam, ging die Mutter dazwischen und befahl, man solle die Mädchen gehen lassen.“ (Letzter Ausweg Zwangsheirat: Eine Frage der Ehre, nicht der Liebe - welt.de, 11.05.2010 )
„Der »Wille des Marktes« solle in die letzten Winkel der Betriebe wehen, befahl einst der neoliberale Guru Tom Peters, der nebenher auch noch der Erfinder der »Ich-AG« ist, zu welcher der Mensch sich evolutionär vollenden soll“ (User-Kommentar auf zeit.de, 19. März 2012)


Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
arbiter am 6.12.13 um 15:25 Uhr (Zitieren) I
unbestreitbar lassen sich im Netz „jede Men;ge Beispiele“ für allen möglichen Unsinn finden;
mir ging es nur darum, darauf aufmerksam zu machen, dass hier eine unnötig umständliche Formulierung empfohlen wird (deren ästhetische Qualität verteidigen mag, wer will), und ich habe weder Zeit noch Lust, mich im einzelnen mit den präsentierten, in der Mehrzahl praeter rem liegenden Beispielen auseinanderzusetzen
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
Kuli am 6.12.13 um 15:46 Uhr (Zitieren) I
Zitat von arbiter am 6.12.13, 15:25in der Mehrzahl praeter rem liegenden Beispielen

Inwiefern?
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
arbiter am 6.12.13 um 16:46 Uhr (Zitieren) I
ich hatte allein die Version „befahl, dass...zurückgerufen werden solle“ moniert, d.h. als unschön qualifiziert und die Behauptung,
diese
Fassung sei die übliche, in Frage gestellt.
Ich hatte nicht zur Frage der „Richtigkeit“ oder auch nur „Erlaubtheit“ Stellung genommen.
Mein weiteres Statement beruhte auf dem Nachdenken, warum wohl die genannte Formulierung mir aufgestoßen sein könnte.
filix zitiert reihenweise Beispiele, die keinen dass-Satz und auch kein Passiv enthalten.
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
arbiter am 6.12.13 um 17:05 Uhr (Zitieren) I
abgesehen vom Ausgangsbeispiel, apropos „sollen“:
Caesar iubet pontem rescindi - die dem Sachverhalt angemessene und sprachlich einwandfreie Übersetzung wäre: Cäsar ließ die Brücke abreißen. Folgte man filix, wäre „C. befahl, dass die Brücke abgerissen werden solle“ angebracht - in meinen Augen zwar nicht geradezu falsch, aber immerhin insoweit mißverständlich, als der Vollzug nicht als gegeben vorausgesetzt ist - von der Ästhetik zu schweigen.
Re: Historia Apollonii - Hilfe beim Übersetzen
filix am 6.12.13 um 19:59 Uhr (Zitieren) I
Ich habe mich allerdings vorwiegend mit der Frage befasst, inwiefern bei der indirekten Rede nach „befehlen“ im Dt. das Modalverb „sollen“ gebraucht wird und wie das von Grammatiken beurteilt wird, nicht unbedingt mit arbiters ästhetischen Vorlieben. Von der Infinitivphrase, die ja keine indirekte Rede konstituiert, habe ich nicht gesprochen, sie auch nicht im Verhältnis bewertet. Das sollte spätestens bei meiner Replik auf Kulis ersten Einwand deutlich geworden sein.
Nur nebenbei: unter allen Beispielen waren drei mit „dass“ & Passivkonstruktion ...

Ob „Caesar iubet ...“ besser mit „Caesar befiehlt, (dass) ...“ oder „Caesar lässt ...“ zu übersetzen ist, ist ein ganz anderes Thema. Wie arbiter auf die Idee kommt, dass aus meinem Zweifel an seiner Behauptung, das Auftreten von „sollen“ würde im genannten Fall eine Abschwächung bedeuten oder ein Missverständnis produzieren, sich eine Präferenz für die Übersetzung von „iubere“ ergäbe, ist mir schleierhaft.
Gegenstand des Zweifels war, ob das Modalverb „sollen“ im Dt. bei „befehlen“ und folgender indirekter Rede (als Verbzweitsatz oder „dass“-Satz), unabhängig von der stilistischen Bewertung, eine Abschwächung der Befehlsintention oder, wie es jetzt heißt, Unklarheit über den Vollzug erzeugt. Ob der Befehl ausgeführt wurde, sagen einem aber m.E. weder Infinitivphrase noch indirekte Rede mit oder ohne „sollen“, dass „sollen“ im Verhältnis zu seinem Fehlen eine schwächere Aufforderungsmodalität ausdrückt, glaube ich nach wie vor nicht.
 
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