ich arbeite gerade an Seneca „De brevitate vitae“ und komme mit folgendem Nomialsatz nicht zurecht:
"inde Aristotelis
cum rerum natura exigentis
minime conveniens sapienti viro lis " (De brevitate vitae, 1,2)
„Daher der einem weisen Manne sehr wenig angemessene Streit mit der Natur (natura = Ablativ?)... “ und wo gehört dann `„rerum“ (Gen. Pl.) und „exigentis“(Gen. Sgl.) hin?
Ich bring es einfach nicht zusammen.
Vile Grüße, Christof.
Re: Seneca Übersetzung
Kuli am 10.1.14 um 18:40 Uhr, überarbeitet am 11.1.14 um 9:48 Uhr (Zitieren) II
rerum natura = die Natur [der Welt]
Daher <rührt (erg. est)> der einem weisen Manne (= Philosophen) sehr wenig angemessene Streit des Aristoteles, den er mit der Natur (cum rerum natura) austrug (exigentis).
inde lis Aristotelis {cum rerum natura exigentis} sapienti viro minime conveniens (est).
„Daher ist der Streit des Aristoteles, der sich mit der Natur der Dinge (= den Dingen, wie sie nun mal sind) in einer Auseinandersetzung befindet, einem weisen Mann am wenigsten angemessen.“
Der Zusammenhang zeigt, dass inde hier nicht als konklusive Konjunktion verwendet wird, was ohnehin ungewöhnlich wäre (stattdessen würde man z. B. ein itaque erwarten), sondern als Pronominaladverb auf hic affectus im drittletzten Satz zurückverweist. Daraus ergibt sich, dass das zu ergänzende est nicht als Kopula (mit einem Prädikatsnomen conveniens) auftritt, sondern als Vollverb.
1 Major pars mortalium, Pauline, de naturae malignitate conqueritur, quod in exiguum aevi gignimur, quod haec tam velociter, tam rapide dati nobis temporis spatia decurrant, adeo ut exceptis admodum paucis ceteros in ipso vitae apparatu vita destituat. Nec huic publico, ut opinantur, malo turba tantum et imprudens vulgus ingemuit; clarorum quoque virorum hic affectus querellas evocavit. Inde illa maximi medicorum exclamatio est 2 Inde Aristotelis cum rerum natura exigentis minime conveniens sapienti viro lis : : « vitam brevem esse, longam artem ».« aetatis illam animalibus tantum indulsisse, ut quina aut dena saecula educerent, homini in tam multa ac magna genito tanto citeriorem terminum stare »…
ÜBER DIE KÜRZE DES LEBENS (Ü: M.Rosenbach)
1 Paulinus, ein großer Teil der Menschen beklagt sich über der Natur Kargheit - dass wir für eine kurze Zeitspanne geboren werden, dass so schnell, so rasch die uns gegebene Frist enteilt, so sehr, dass mit Ausnahme nur weniger die übrigen mitten in den Vorbereitungen für das Leben das Leben verläßt. Und nicht seufzt über dieses allgemein verbreitete, wie man meint, Unglück die Masse nur und das kurzsichtige Volk; auch bei bedeutenden Männern ruft diese Stimmung Klagen hervor. Daher rührt jener Ausruf des bedeutendsten unter den Ärzten: „Das Leben ist kurz, lang die Kunst.“ 2 Daher des Aristoteles, als er mit der Natur haderte, sehr wenig zu einem Philosophen passender Streit: „So viel Lebenszeit habe sie den Tieren gegönnt, daß sie fünf oder zehn Jahrhunderte verbrächten, für den Menschen aber, obwohl er zu vielem und Großem geboren, bestehe eine soviel frühere Grenze.“…