QUAECUMQUE IN FOLIIS DESCRIPSIT CARMINA VIRGO (Aen. 3, 445)
SPARSA PER ORBEM (Aen. 1,602 ) : RAPIDIS LUDIBRIA VENTIS (Aen. 6,75)
INSULTANT THIASIS (Aen. 7,581) : PEDIBUS PER MUTUA NEXIS. (Aen. 7,66)
SPIRITUS INTUS ALIT TOTAMQUE INFUSA PER ARTUS (Aen. 6, 726)
MENS AGITAT MOLEM ET MAGNO SE CORPORE MISCET. (Aen. 6,727)
O VIRGO NOVA MI FACIES INOPINAVE SURGIT! (Aen. 6, 104)
Was immer an Dichtungen Virgo/Vergil
1 auf Blättern geschrieben hat,
tanzt im Umkreis verstreut , räuberischen Winden ein Spielzeug ,
im Thiasos
2 mit wechselseitig verbundenen Füßen
3.
Im Inneren beseelt ein Geist und ein in die Glieder eingeströmter
Gedanke die ganze Masse/das ganze Gebäude und verschmilzt mit dem großen Körper/dem Ganzen.
4
Ach, Virgo/Vergil, eine neue und unvermutete Gestalt erhebt sich <aus> mir!
5
1 Die Ableitung des Namens Vergil von „virgo“ hat eine lange Tradition:
www.albertmartin.de/latein/forum/?view=29835
2 T. sinnbildlich für rasenden, ungezügelten Tanz, i.e. Vergils Dichtung wird, durcheinander gebracht, ein Spielzeug der Winde, Gegenstand einer (scheinbar) ungeordneten, wilden Verknüpfung
3 Beim Cento können nicht nur ganze Verse sondern auch Teile neu arrangiert werden, es müssen aber die Versfüße - pedibus per mutua nixis - so miteinander verbunden werden, dass das Maß erhalten bleibt
4 i.e. das Spiel erweist sich entgegen dem ersten Eindruck nicht als beliebig, sondern von der Absicht, etwas Neues, Sinnvolles auszudrücken, bestimmt
5 der Cento, aus Vergils Versen zusammengeflickt, geht als eigenständige Gestalt aus dem intertextuellen Spiel hervor, fängt gewissermaßen selbst zu sprechen an.
Der Vergil-Cento handelt also von dem, was er selbst ist - se ipsum exponit. Zur Tradition dieser literarischen Spielart siehe einführend den engl. Wikipedia-Artikel:
http://en.wikipedia.org/wiki/Cento_%28poetry%29
Eine interessante Detailstudie bietet
Scott McGill mit
Virgil Recomposed - The Mythological and Secular Centos in Antiquity, Oxford University Press 2005.