Ich hoffe, man hört Newmans Ironie aus diesen Zeilen heraus - eine Ironie, die fragt: Was bedeutet es denn, daß er uns „all seine Liebe gibt“, wenn man im GULag gefrorene Scheiße schaufelt? Ist diese Behauptung nicht nur Kitsch, mit dem man sich das Entsetzliche schönredet?
Daß ein Glaube hilft im Leid, das ist freilich wahr. Das ist aber kein Spezifikum des christlichen Glaubens, nichteinmal eines des Glaubens an irgendeinen Gott. Das liegt vielmehr im Charakter der Glaubens als eines solchen - es kann auch der an den endgültigen Sieg der Arbeiterklasse sein oder, in einer intellektuelleren Form, der von Ernst Bloch: das Prinzip Hoffnung.
Re: Bitte um Übersetzung ins lateinische
filix am 17.5.15 um 18:44 Uhr, überarbeitet am 17.5.15 um 18:57 Uhr (Zitieren)
Dass die Idee vom roten Helden, der, obschon Materialist, stirbt, als gehörte ihm die ganze Ewigkeit, weil er sein kümmerliches Ich- rechtzeitig mit Klassenbewusstsein vertauscht hat, irgendwann irgendjemanden getröstet hat, wage ich zu bezweifeln - am Ende sieht sich ja sogar der Autor dazu verführt, der vagen Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass doch noch eine herba in hortis contra vim mortis gefunden wird - nach dem Sieg des Kommunismus versteht sich.
Das schielt natürlich nach dem eben noch geschmähten Individuum, das - gegenwärtig einer Hochphase sich ... nun ja ... erfreuend - sich sichtlich besser bei Tröstungsangeboten aufgehoben fühlt, die von Anfang an es selbst meinen und zwar im Verhältnis liebender Fürsorge inklusive Erlösungsverheißung für die einzelne Seele - ein Novum in der Beziehung zwischen Göttern und Menschen, das, wie u.a. der Historiker Paul Veyne meint, als wesentliche Erfindung des Christentums gelten kann und beigetragen hat, ihm seinen Platz in der Geschichte zu sichern. Im Grunde ist das auch sein unveräußerliches Spezifikum.
Das Andere des Gottesbildes - der Terror, der Zwang, die Straf- und Vernichtungsphantasien & c. - wurde anscheinend aus diesem mittlerweile so stark getilgt, dass der zu Übersetzung vorgelegte Satz von beiden Seiten nur noch als tröstliches Versprechen eines liebenden Gottes gedeutet werden kann, dem die einen mit Rilke entgegenschmachten, die anderen mit der Gitarre am Klavier angesichts des Laufs der Welt blanken Zynismus vorhalten. Keiner kommt mehr auf die Idee, darin auch eine Drohung zu sehen, die mahnt, dass, wem immer man auf Erden in die Hände gefallen ist, der Tiefpunkt des Leidens noch gar nicht erreicht ist.
Nun, die zahlreichen Höllendrohungen des NT sind mir schon gegenwärtig.
Nimmt man das hinzu, dann könnte man als Individuum auch seinen Trost im Islam finden.
Am Rande: Randy Newman spielt nicht Gitarre, sondern begleitet sich selbst auf dem Flügel.