Re: Epistula non erubescit - Bedeutung
Markus am 15.11.15 um 15:25 Uhr (
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IINun, das ist ein anderes Zitat...
Re: Epistula non erubescit - Bedeutung
Markus am 15.11.15 um 16:33 Uhr (
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IAber Scham ist doch was etwas anderes als der Gedanke, „ich kann schreiben was ich will, daran bin ich nicht gebunden“
Re: Epistula non erubescit - Bedeutung
@Markus: Denk dir mal zum Beispiel, du seist frisch verliebt, da traust du dich doch eher, einen frivolen Gedanken zu schreiben, als der Angebeteten ins Gesicht zu sagen.
Re: Epistula non erubescit - Bedeutung
assinapians am 15.11.15 um 17:25 Uhr (
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Klausus talium cogitationum peritior esse videtur. :))
(comma ante ALS ponendum non est)
Re: Epistula non erubescit - Bedeutung
Markus am 15.11.15 um 18:06 Uhr (
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Re: Epistula non erubescit - Bedeutung
filix am 15.11.15 um 22:45 Uhr, überarbeitet am 8.8.17 um 1:36 Uhr (
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I „Papier errötet nicht“ entspricht ziemlich genau dem, was Cicero, der kein Papier kannte, mit „epistula non erubescit“ ausdrücken wollte - die in der schriftlichen Kommunikation geringere Hemmung des Schreibers, Dinge mitzuteilen, die ihn face à face verschämt erröten ließen (wobei das in dem Brief, in dem der Arpinate einen befreundeten Historiker, L. Lucceius, angeht, ihm doch endlich das Loblied auf das eigene Konsulat zu singen, reichlich kokett ist).
Der Fokus liegt hier ganz auf den Schamgefühlen des Schreibenden, in „Papier ist geduldig“ hingegen auf der Duldsamkeit, der Passivität des Mediums, das - anders als ein prüfender Rezipient - Unwahrheiten, Unsinn oder (leeren) Versprechungen und (unbegründeten) Forderungen keinen Widerstand entgegensetzt. Dass einen Verfasser genau dieser Umstand umso schamloser und dreister werden lässt, also auch hier die Hemmungen sinken, kann man vermuten, wird jedoch nicht unmittelbar ausgedrückt in der Redewendung.
Letztere dürfte mit der weiteren Verbreitung des Papiers aufgekommenen sein und hat, folgt man z.B. der Erklärung der frz. Entsprechung aus dem frühen 16. Jahrhundert in den Proverbiorum vulgarium libri tres von Charles de Bouelles (1479 - 1567), ihren Ursprung im Schuldwesen:
"Mitis papyrus omnia suffert - Le papyer est doulx. Il endure tout.
Manavit istud a debitorum erga creditores querimonia. Creditores enim cotidiana aliorum debita chart<a>e inscribunt. Et cum tandem prolata ea ante oculos, unam omnium summam reposcunt mirantes simulve indignantes ob<a>erati, in tandem debita summam brevi tempore excrevisse succensent, indignantur, negant. Dicuntque saepenumero, papyrum quidem mitem esse. Et omnia, qu<a>e inscribere quis<que> illi voluerit, sufferre. Satis alludit istud ad praecedens, quod innuebat nimia quorundam clementia c<a>eteros abuti, nec ideo benigniores, im<m>o vero insolentiores reddi."
"Das sanftmütige Papier erduldet alles - Das Papier ist sanftmütig. Es erduldet alles.
Dies kommt von den Klagen der Schuldner über ihre Kreditgeber. Die Kreditgeber nämlich schreiben auf das Blatt die täglich <angehäuften> Schulden der anderen. Und wenn diese endlich <den Schuldnern> vor Augen gestellt worden sind, fordern sie die Gesamtsumme zurück, die verwunderten und gleichzeitig empörten Schuldner, zornig darüber, dass die Summe bei den Schulden in kurzer Zeit angewachsen ist, regen sich auf und weigern sich. Und sie sagen zu wiederholten Malen, dass Papier freilich geduldig sei. Und alles, was wer immer darauf zu schreiben beliebe, erdulde.
Dies spielt ausreichend auf das Vorhergehende an, welches doch darauf deutete, dass die übrigen von der allzu großen Milde einiger im Übermaß Gebrauch machten und sie daher nicht besonders freundlich sondern im Gegenteil vielmehr recht unduldsam geschildert wurden."
Re: Epistula non erubescit - Bedeutung
Markus am 16.11.15 um 17:43 Uhr (
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IVielen Dank, Ihr versteht mich und meine Überlegungen ! ;-)