Nach eingehender Beschäftigung mit Catulls Gedicht 2 frage ich mich nunmehr eindringlich:
Geht es darin schlichtweg um Masturbation?
In allen mir bekannten Übersetzungen ist dies nicht so; allerdings überzeugen mich die dort gebotenen Deutungen inhaltlich auch nicht (z.B. wird desiderium meum immer mit Lesbia gleichgesetzt, sui doloris ist immer Lesbias Schmerz und immer ist Lesbia von einem plötzlich auftauchenden ardor gravis befallen).
Wenn Catull mit passer sein „bestes Stück“ meint, mit dem er in dem Gedicht Zwiesprache hält, und man o.g. Stichwörter auf eben diesen passer bezieht, ergäbe m.E. alles viel mehr Sinn:
Passer, deliciae meae puellae,
quicum ludere, quem in sinu tenere,
cui primum digitum dare appetenti
et acrīs solet incitare morsūs:
Cum desiderio meo nitenti
carum nescioquid libet iocari
et solaciolum sui doloris;
credo, ut tum gravis acquiescat ardor.
Tecum ludere sicut ipsa possem
et tristīs animi levare curas!
Piepmatz du, du Wonne meines Mädchens,
mit dem zu spielen, den im Schoß zu halten,
dem, wenn es ihn danach gelüstet, sie die Spitze ihres Fingers hinzuhalten
und den zu heftigen Attacken sie zu reizen pflegt:
Mit meinem prangenden natürlichen Bedürfnis
lieb irgendwelchen Spaß zu treiben, ist erlaubt,
auch als kleine Linderung seines Schmerzes;
ich meine, damit sodann das schlimme Brennen Ruhe gibt.
Könnte ich doch so mit dir spielen, wie sie selbst,
und die tristen Sorgen meines Herzens leichter machen!
(Die Interpunktion habe ich meiner Interpretation angepasst!)
Ist meine Übersetzung grammatikalisch und semantisch vertretbar?
Deine Deutung ist durchaus nicht abwegig. Schau dir mal Martials Epigramm 1, 7 an. (Aber cum in v. 5 ist sicher mit tum in v. 8 korrellierende Konjunktion.) Als Anlass zu Catulls 3. carmen müsste man analog hierzu eine Erektionsschwäche vermuten.
Wilfried Stroh übrigens bezeichnet „die obszöne Interpretation des passer (als mentula Catulls)“ als alljährlich aufgewärmten „Sondermüll der Catullforschung“:
Ich kenne Holzberg noch live, da ich an der LMU Medizin studierte und auch in der Lat.Phil. mir manche Vorträge und auch Vorlesungen anhörte. Er hat sich schon sehr eingehend mit Catull beschäftigt, sicher mehr als Prof.Stroh. Eine gewisse gesunde Rivalität besteht auch unter Professoren.
Ja, der Unterschied ist, dass Prof.Stroh den 4. Lehrstuhl (Lateinische Philologie) inne hatte. Ein Lehrstuhlinhaber bekommt C4. Prof. Holzberg hatte eine Professur.